Bagdad Briefing

Bagdad Briefing

Über den neuen Krieg gegen den Terror – und jene, die sich Krieg und Terror entgegenstellen. Von Bagdad bis Benghasi, von Doha bis Damaskus.

Armee ohne Staat, Staat ohne Armee

| 18 Lesermeinungen

Es klingt wie eine Wiederholung von Mossul: In Ramadi hat die irakische Armee zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres weitgehend kampflos eine Provinzhauptstadt verloren. Panzer, schwere Waffen und Munition fielen in die Hände des „Islamischen Staats“ (IS). Die sunnitische Terrorgruppe feiert mit der Einnahme fast ganz Anbars ihren größten Erfolg seit Eroberung großer Landstriche in der Ninive-Ebene im Juni 2014.

Doch nicht nur das Versagen der irakischen Regierungseinheiten, sondern auch die Beteuerungen des amerikanischen Präsidenten Barack Obama, nun die Lieferung von Waffen an sunnitische Stämme in der größten irakischen Provinz zu beschleunigen, klingen wie eine Wiederholung aus dem vergangenen Sommer: Man werde sich genau anschauen, wie man die örtlichen Kräfte am besten unterstützen könne, sagte der Sprecher des National Security Council, Alistair Bakley, am Dienstag. 6000 Mann sollen von amerikanischen Spezialkräften ausgebildet werden, heißt es nun in Washington.

Man fragt sich, worüber das Gremium in den vergangenen Monaten eigentlich nachgedacht hat? Denn so wie Mossul nicht über Nacht zur IS-Hochburg wurde, war auch der Fall Ramadis von langer Hand geplant – und die Vorbereitungen für jeden, der es wissen wollte, sichtbar. Bereits im Januar 2014 war die Nachbarstadt am Euphrat, Falludscha, in die Hände der Kämpfer Abu Bakr al Bagdadis gefallen. Seitdem ist auch Ramadi vom IS belagert und es den schwachen Regierungseinheiten zudem nie wieder gelungen, die volle Kontrolle über die Stadt zurückzuerlangen.

Noch vor einem Jahr hatte die US-Administration den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Nuri al Maliki für den Aufstieg des „Islamischen Staats“ zur wichtigsten sunnitischen Miliz des Landes verantwortlich gemacht. Doch obwohl dieser inzwischen durch den gemäßigteren Haider al Abadi ersetzt wurde, hat sich an der grundlegenden Ablehnung der sunnitischen Bevölkerung gegenüber der schiitisch dominierten Regierung nichts geändert: Sowohl die abermals gedemütigte Armee wie die Volksmobilisierungsmilizen (Haschid Schaab) gelten in ihren Augen als Helfershelfer Irans.

Daran ändert auch das Festhalten an überholten Begriffen nichts: Haiders dysfunktionales, die konfessionelle Spaltung des Landes zementierendes Kabinett als „Regierung nationaler Einheit“ zu bezeichnen, ist Augenwischerei. Eigentlich müsste man eher fragen, ob es sich im Irak um einen Staat ohne Armee handelt oder eine Restrumpftruppe ohne Staat?

Das ist aber nur ein Grund für das anhaltende Scheitern der gesamtstaatlichen irakischen Institutionen. So wie in den anderen arabischen Umbruchsstaaten haben es Amerika und die anderen westliche Staaten versäumt, jene Kräfte im Irak zu unterstützen, die sich für gesellschaftliche Teilhabe und politische Transparenz eingesetzt haben. Denn auch im Herbst 2013, unmittelbar vor dem Siegeszug des IS in Anbar, war die sunnitische Massenbewegung in der größten irakischen Provinz noch friedlich geprägt – und die IS-Plakate auf deren Kundgebungen an den Fingern einer Hand abzählbar.

Das hat sich bis auf weiteres unwiderruflich geändert, und zwar deshalb, weil Sicherheitslösungen politische Umbruchprozesse nicht ersetzen können. Die von Amerika geplante Aufrüstung antistaatlicher Gruppierungen wird daran auch nichts ändern.


18 Lesermeinungen

  1. Joachim27 sagt:

    Wieso die Amerikaner?
    ohne Worte

  2. Perry25 sagt:

    Die Iraqis müssen Zusammenarbeit lernen!
    So schlimm dies alles für die Menschen da ist, wir können nur humanitär helfen. Es ist das ewige Trauerspiel in der arabischen Welt, dass Zusammenarbeit offenbar ein Fremdwort darstellt und das ist fatal.

  3. Wahowski sagt:

    Wieso ohne Armee?
    Wo sind all die “Friedensstifter“, die den Abzug der US-Armee gefordert hatten ?

  4. hadeze sagt:

    von A vis Obama
    Auch wenn Kanzlerin Merkel ihn anhimmelt, ihn um Erlaubnis bittet und nichts ohne seine Zustimmung unternimmt … sind Amerikaner laengst von ihren President und Frau Presidentin abgerueckt. Es wird eine Unzeit dauern, bevor die US wieder einen schwarzen President waehlen wird. Obamas Person hat alle moeglichen politischen Erfolge erschwert … er kann mit Andersdenkenden nicht handeln u. niemand (ausser Merkel) traut ihn mehr. Ausserdem tanzt Michelle Obama gerne im YouTube … diese Hollywood Selbstgefaelligkeit der beiden wird das Leid der Anderen, wie man in der Tragik Iraks erkennt. Immer leere Worte eines ehemaligen Rechtsanwalt, nur keine Taten.

  5. kasperX sagt:

    Es ist mir unverständlich wie so viele Städte fallen können trotz Militär
    Sie sind in der Verteidigung (=leichter), wissen in etwa was kommt, können das Terrain vorbereiten und haben einige schwere Waffen zur Verteidigung (Artillerie). Das sollte doch eigentlich genügen. Mit einem guten Kommandeur, halbwegs Disziplin und immer einem vorbereiteten Plan B in der Hinterhand liesse sich das doch machen. Oder hat der IS mittlerweile Panzer, Raketenwerfer und eine Luftwaffe?

  6. klaus.ruler sagt:

    Zur Frage im Teaser: "Was haben die Amerikaner seitdem getan?"
    Heisst es nicht, man solle sich zuerst an die eigene Nase fassen?
    Oder, wenn man mit dem Finger auf andere zeigt, zeigen drei Finger auf einen selber?
    Fragt sich also, was haben wir denn seitdem getan?

  7. Bayernmichel sagt:

    Bagdad
    Der vorwurfsvolle Blick nach Amerika ist verfehlt. Frieden schließen, sich die Hand reichen, versuchen miteinander auszukommen, sich versöhnen, die Ärmel hochkrempeln und das Heimatland gemeinsam wieder aufbauen, diese Aufgabe muss im eigenen Land geleistet werden. Frieden ist nicht importierbar und nicht lässt sich nicht erzwingen. Auch Flucht löst keine Probleme.

  8. RuCaHD sagt:

    Sehr treffender Beitrag
    Man könnte verzweifeln bei dem Leid das den Menschen dort widerfährt. Den Suniten des Westeniraks bleibt es zu wählen ob sie sich dem Terror des Islamischen Staates oder dem Terror der Shiitischen Regierung und ihrer Milizen unterwirft. Als westlicher Beobachter ist man geneigt den IS als die furchtbarste Regierungsform auf dem Globus zu sehen, doch in einem Umfeld in dem sämtliche zivilgesellschaftlichen Strukturen zusammengebrochen sind und in dem Stammeszugehörigkeit und Konfession alles bedeuten muss dies für die Menschen dort nicht gelten.
    Der Irak befindet sich seit 2003 im Auseinanderbrechen, wobei zwei der drei auseinander driftenden Gebiete ihre Seiten bereits gewählt haben. Und der Westen schießt sich weiter selbst ins Bein. Iran, Ägypten, Syrien, die Golfstaaten, Palästina: Überall fördern wir den Radikalismus und wundern uns wo der dann wohl so plötzlich her kam. Achja aus dem Koran…

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