Bagdad Briefing

Bagdad Briefing

Über den neuen Krieg gegen den Terror – und jene, die sich Krieg und Terror entgegenstellen. Von Bagdad bis Benghasi, von Doha bis Damaskus.

Freie Fahrt von Palmyra nach Ramadi

| 9 Lesermeinungen

Unabhängig bestätigen lassen sich die ersten Berichte noch nicht: Dutzende Zivilisten sollen nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in Palmyra getötet worden sein, nachdem die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) dort am Mittwoch einmarschierte. Auch der Gouverneur der Provinz Homs, Talal Barazi, spricht bislang lediglich davon, dass IS-Kämpfer „Massaker verübt haben könnten“.

Angeblich sollen die Dschihadisten nach der Eroberung der Wüstenstadt über Lautsprecher Bewohner Palmyras davor gewarnt haben, untergetauchte Soldaten zu beherbergen. Der Leiter der syrischen Antiquitätenbehörde, Mamun Abdulkarim, sagte, dass IS-Kämpfer in Wohngebiete eingedrungen seien und dort „Racheakte“ verübt und die Einwohner „in Angst und Schrecken versetzt“ hätten. Auch gebe es Berichte über „Verhaftungen und Hinrichtungen“; doch Abdulkarim zufolge sind bewaffnete IS-Angehörige auf den antiken Ruinen im Südwesten der Neustadt Tadmur noch nicht gesichtet worden.

Die Sorge, dass nach den assyrischen Königsstädten Nimrud, Ninive und Hatra auch Palmyra dem Eliminierungswahn des IS zum Opfer fällt, ist groß. Die Generaldirektorin der Weltkulturorganisation Unesco, Irina Bokova, hatte die mögliche Zerstörung der antiken Ruinenstadt am Donnerstag in Paris als „unwiederbringlichen Verlust für die Menschheit“ bezeichnet.

Möglicherweise braucht die IS-Propagandaabteilung noch Zeit, um eine medial ähnlich aufwändige Inszenierung ihres Vernichtungswillens zu organisieren wie im Nordirak. Militärisch aber ist der Fall Palmyras schon jetzt an Bedeutung nicht zu unterschätzen: Die Wüstenstadt liegt an strategisch wichtigen Verbindungsstraßen zwischen Damaskus und der westsyrischen Provinzhauptstadt Homs mit Gegenden im Norden des Landes.

Die Nachricht, dass es den Dschihadisten zudem gelang, den letzten von Regierungseinheiten gehaltenen Grenzübergang nach Irak, al Tanf, einzunehmen, macht die Lage für das Regime Baschar al Assads noch unangenehmer. Auch auf irakischer Seite des im Dreiländerecks mit Jordanien gelegenen Grenzpostens sollen sich staatliche Einheiten zurückgezogen haben, meldeten Agenturen am Freitag.

Für die ein die alten Kolonialgrenzen sprengendes Kalifat anstrebenden Gotteskrieger ist das ein Riesenerfolg: Nun können sie sich noch freier zwischen Ramadi, Palmyra und der ostsyrischen Provinz Deir al Zor hin und her bewegen. Auch im Osten Ramadis verzeichneten IS-Einheiten am Freitag weitere Erfolge – während sich schiitische Milizionäre weiter nur sammelten, um einen Gegenschlag auf die Hauptstadt der größten irakischen Provinz, Anbar, zu starten.

Ein Jahr nach dem Fall Mossuls verheißen die jüngsten Entwicklungen nichts Gutes: Da es die von Amerika geführte Anti-IS-Allianz versäumt hat, neben den syrischen Kurden arabische Verbündete auf dem Boden zu fördern, kann der IS weitgehend frei agieren. Die Aussage des amerikanischen Präsidenten Barack Obama, er glaube nicht, „dass wir verlieren“, ist angesichts der jüngsten Entwicklungen eigentlich schon ein Schuldeingeständnis – oder der Ausdruck völliger Ratlosigkeit.


9 Lesermeinungen

  1. wolfgang_hebold sagt:

    Unglaubhaft
    Die Nachrichten über den IS sind zum einen Teil unglaubhaft, stammen sie doch aus der Propagandaabteilung Assads. Zum anderen sind die Schiiten in ihrem Machtbereich keinen Deut besser. Und die Aufregung um die antiken Grabungsstätten wirkt auch etwas aufgesetzt. Der IS nutzt hier nichts weiter als das, was unter Fachleuten als innere Linie bezeichnet wird: Sie können schnell Verbände von Osten nach Westen und umgekehrt verschieben. Dass sie das machen, deutet auf eine gute Organisation hin. In jedem Fall genügt sie, Iraker, Iran, Hisbollah und Assads Truppen vorzuführen. Die Aufregung der USA muss man nicht zu Ernst nehmen, denn bei den wenigen Luftangriffen ist wohl kaum mehr zu erwarten.

  2. Jobir sagt:

    mit dem Tempo stehen diese Verbrecher in zwei Jahren an Europas Grenzen
    und die 5. Kolonne lassen unsere blinden “Politiker” gerade herein.
    Man sollte dann alle Flughäfen Europas für Politiker sperren, damit der IS diese auch erwischt, sonst sind diese “Europafreunde” auf dem Weg in ein sicheres Land und hinterlassen uns eine BW mit ausgebauten Kitas, aber Panzer und den Rest kann man dann verschrotten. Und dem deutschen Volk wird ein Bürgerkrieg gelassen.

  3. guenter.b sagt:

    Werden denn die Terroristen nicht mehr bombardiert?
    Durch die US-Luftwaffe und andere?
    Merkwürdig…

  4. xanderD sagt:

    Warum schauen die europäischen Staaten nur zu?
    Ich kann nicht verstehen, warum es keine Initiative gibt, den Menschen in Syrien zu Hilfe zu kommen. Diesem unmenschlichen Massakern kann man doch nicht tatenlos zusehen? Hier läuft alles seinen gewohnten Gang als wäre nichts. Mir scheint, die Zerstörung von archäologischen Stätten scheint noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen als wenn wieder Dutzende Kinder niedergemetzelt werden. Wir haben auch eine Verantwortung dafür was dort geschieht, denn schließlich kämpfen einige hundert Deutsche und weitere Tausende andere Europäer auf der Seite der Jihadisten! Leider ist die USA, so sehr man über andere Militäreinsätze streiten kann, die einzige Nation, die dort Verantwortung übernimmt. Wir kämpfen lieber für Gender-Diversity.

  5. teichh1 sagt:

    völlige Ratlosigkeit des Präsidenten...?
    Wer mit den sunnitischen Saudis kungelt, von dem wäre doch ein besseres Verständnis der aktuellen Situation zu erwarten gewesen.

  6. Bergblau sagt:

    Eine Vorahnung
    Alle, die sich noch erinnern, vor allem den 68ern ins Stammbuch: Erinnert Euch an Phom Penh. Als die Rothe Khmer kamen. Alles das werden wir wieder erleben, wenn der IS Damaskus einnimmt. Einen mit der letzten Maschine nach Moskau ausfliegenden Assad eingeschlossen. Kann man etwas tun? Ja. Die Schimäre begraben, die von europäischen Kolonialmächten gegründeten Staaten Syrien und Irak hätten eine Zukunft. Für einen Staat setzt man sich auch im clan-geprägten Arabien nur ein, wenn man sich ihm zugehörig fühlt. Daher: In Mesopotamien einen Schiiten-Staat gründen und unterstützen. Von mir aus das den Iranern überlassen. Hätte man ihnen die Atombombe gegönnt (die sie ohnehin nie gegen den “Westen” einsetzen würden) so hätten sie ein ultimatives Druckmittel gegen die radikalen Sunniten, aber so? Dann Kurdistan (auch gegen die Türkei), einen Alawitenstaat für Assad, Damaskus geht zurück an die Haschemiten in Jordanien, das ihnen bis 1949 eh gehört hat. Der Rest ist eh nur

  7. IKnochenhauer sagt:

    Freie Fahrt
    Es gibt gerade eine Straße von Tadmur nach Deir az-Zaur. Sie schlängelt sich wie ein schwarzes Band durch die Wüste: 220 km. Genauso weit wie bis Damaskus über die Südlinie. Deir az-Zaur ist durchaus nicht in der Hand von IS oder anderen Terroristen, die Sie Rebellen oder gar Opposition nennen, vergleicht man verschiedene Internetquellen, wie auch Sie das tun. Vielmehr sind die äußeren Bezirke der Stadt “contested”, wenn sie nicht als vom Regime gehalten deklariert werden. Es hat innerhalb weniger Tage zwei Kommando-Aktionen der USA im Gebiet Deir az-Zaur gegen IS-Chargen gegeben. Bei den Kämpfen um Tadmur um den Himmelfahrtstag herum konnte IS zunächst zurückgeschlagen werden. Nach der erfolgreichen Kommando-Aktion gegen Abu Sayyaf nahmen die Steinzeit-Islamisten schließlich Tadmur ein, als dem Regime Munition Truppen ausginge.
    Die Operation gegen Tadmur wurde überhaupt zu einem Zeitpunkt geführt, als das Regime Truppen abziehen musste, um sie im Norden einzusetzen: co

  8. IKnochenhauer sagt:

    Freie Fahrt ins Nirgendwo
    Es gibt gerade eine Straße von Tadmur nach Deir az-Zaur. Sie schlängelt sich wie ein schwarzes Band durch die Wüste: 220 km. Genauso weit wie bis Damaskus über die Südlinie. Deir az-Zaur ist durchaus nicht in der Hand von IS oder anderen Terroristen, die Sie Rebellen oder gar Opposition nennen, vergleicht man verschiedene Internetquellen, wie auch Sie das tun. Vielmehr sind die äußeren Bezirke der Stadt “contested”, wenn sie nicht als vom Regime gehalten deklariert werden. Es hat innerhalb weniger Tage zwei Kommando-Aktionen der USA im Gebiet Deir az-Zaur gegen IS-Chargen gegeben. Bei den Kämpfen um Tadmur um den Himmelfahrtstag herum konnte IS zunächst zurückgeschlagen werden. Nach der erfolgreichen Kommando-Aktion gegen Abu Sayyaf nahmen die Steinzeit-Islamisten schließlich Tadmur ein, als dem Regime Munition und Truppen ausgingen.
    Die Operation gegen Tadmur wurde überhaupt zu einem Zeitpunkt geführt, als das Regime Truppen abziehen musste, um sie im Norden einzusetze

  9. AlternatieveStimme sagt:

    Westwelt erntet Fruechte ihrer unverantwortlichen Syrienpolitik
    Fuer den Syrienkrieg wurden viele Aufstaendische vom Westen trainiert,bewaffnet,finanziert,unterstuetzt mit Sanktionen gegen das legitime SyrienAssadRegime,mit Patriotraketen i/d Tuerkei beschuetzt.Viele Isiskaempfer tragen noch ihre schutzsicheren Westen ,geschenkt v Westerwelle.Jetzt hat Gruppe ISIS die Ueberhand bekommen,nachdem viele Aufstaendische anderer Gruppen+europaeische Freiwillige ihr zugeflossen waren.Jetzt wird Terror verbreitet ueber mehrere NahOstLaender.Europa kommt spaeter dran.Der Syrienplan in USA entworfen,ueber Nato an die EU-NatoMinister verordnet,kostet EU viele Milliarden von Euros,bringt umheimlich viel Leid+Menschenrechtsverletzungen in den betroffenen Laendern.Der EU-NobelFriedenspreis sollte zurueckgefordert werden+die EU-NatoMinister sofort entlassen.Nato in eine EU-Organisation veraendern,ohne Agressors wie USA,m.a.W. den Brandstifter ausschalten dann gibt es auch keine Braende mehr

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