Armer Karl! Was waren wir alle neidisch. Alles ist ihm zugeflogen: Einser-Abitur, Stipendium, Praktikum in London, Bea aus gutem Hause. In Hongkong hat er die Karriere beschleunigt, zurück kam er mit Toptitel, Diners Club Carte Blanche, Schampus und Plätzchen for free im Büro sowie dem Versprechen auf einen Chefposten. Irgendwas mit Internet hat er gemacht, ganz verstanden haben wir das nie, müssen wir jetzt auch nicht mehr: Karls Karriere hat einen akuten Knick.
„Hast Du’s schon gehört?“, hat ein Freund angerufen. „Den Karl hat’s zerrissen.“ Klar, wir hatten es alle schon gelesen. So weit nach oben hatte er es zumindest geschafft, dass sein Rauswurf dem Arbeitgeber eine öffentliche Mitteilung wert war. Erfahren haben wir darin natürlich nichts, die übliche Leier auf vier Zeilen: in gegenseitigem Einvernehmen, unterschiedliche Auffassungen zur strategischen Ausrichtung, mit sofortiger Wirkung, stellt sich neuen Herausforderungen. Nun rätseln wir: Was hat Karl bloß angestellt? Hat er Streusalz aus der Tiefgarage entwendet, die Minibar falsch abgerechnet, Geld hinterzogen, Kunden bestochen oder eine Affäre mit der falschen Frau angefangen?
Den wahren Grund werden wir wohl nie erfahren. Bea findet das alles fürchterlich ungerecht und Karl gibt sich wortkarg. Nur die Mail eines boshaften Widersachers hat er weitergeleitet. Kaum war sein Rauswurf publik, hat Karl bereits schadenfrohe Glückwunsche zum Absturz erhalten: „Nein, also dass es Sie trifft! Aber Sie waren auch ein ganz besonderer Scheißkerl.“ Karls Antwort fiel auch nicht gerade höflich aus. So viel zum Thema „soft skills“ von Führungskräften.