Es soll Menschen geben, die Samstagvormittags einkaufen – freiwillig! Trotz all der Nervensägen dort: Kinder, die die Zeitschriftenecke verwüsten, tratschende Mütter überall und an der Fleischtheke geklonte Halstuch-Träger samt Gattin, geflochtenem Einkaufskorb und berechtigten Fragen: Woher stammt das Rindfleisch (aha?), war das Tier glücklich (ah, so?), und wie wird der Sauerbraten schön zart (einlegen, ja?).
Mich macht das wahnsinnig. Deshalb betrete ich Supermärkte grundsätzlich nach 21 Uhr, wenn alle Konsumterroristen schlafen oder vorm Fernseher sitzen. Nur vorigen Samstag musste ich mich unter die Horden mischen. Prompt kommt es an der Wursttheke zu einem Zwischenfall.
„Gestern wollte ich 200 Gramm grobe Mettwurst für 89 Cent kaufen“, reklamiert eine reife Dame. „Sie haben mir aber die Feine für 99 Cent gegeben. Da hätte ich jetzt gerne das Geld zurück.“
„Sie haben gestern selbst die Feine gewählt“, entgegnet die Verkäuferin stur. Schon maulen hinten in der Schlange die ersten.
„Habe ich nicht. Ich wollte die für 89.“
„Ihr Pech. Das müssen sie dann auch so sagen.“ Die Unruhe wird größer.
„Sauerei“, brüllt die Kundin. „Abzocke.“ Die Verkäuferin verstummt. Jetzt starren sie alle an, eine drohende, scharrende Meute. Hier geht’s längst nicht mehr um die Mettwurst, hier kämpfen Kunden um ihre Rechte.
„Gib ihr das Geld“, schreit einer. „Und 200 Gramm von der Groben“, geifert ein anderer. Es riecht nach Blut, Schlägerei, einem Sturm auf die Wursttheke.
„Na gut“, flüstert die Verkäuferin. „Geben Sie mir die Wurst, ich hol‘ Ihnen die andere.“
„Die habe ich schon gegessen“, sagt die alte Frau trotzig. Hinten johlen sie, klatschen. Schweigend reicht die Verkäuferin der Dame Geld und Mettwurst, und ich ahne: Der nächste Bürgerkrieg beginnt im Supermarkt. An einem Samstagvormittag.