Balance-Akt

Balance-Akt

Spielt sich die Wirtschaft nur in den Chefetagen ab? Nein, nein!

Wie fühlst Du Dich?

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Unsere Tochter Nina ist sechs. Sie geht in die erste Klasse, und sie bekommt jetzt Nachhilfe in Empathie. Das ist diese emotionale Fähigkeit, die...

Unsere Tochter Nina ist sechs. Sie geht in die erste Klasse, und sie bekommt jetzt Nachhilfe in Empathie. Das ist diese emotionale Fähigkeit, die verhindert, dass freche Blagen sich später die Köpfe einschlagen, Kasinos ausrauben oder uns sonst irgendwie ins Verderben stürzen. Eine gute Sache fürs Gemeinwohl also.

Alle Erstklässler lernen nun „sehr viel über Gefühle und wie man sie erkennen kann“, ganz spielerisch natürlich. Scheinbar versagen wir Eltern hier auf voller Front. Nicht mal das simpelste soziale Rüstzeug wie Mitgefühl vermitteln wir dem Nachwuchs! Schon bei unserer großen Tochter war (aus gegebenem Anlass) „Mobbing“ ein Themenschwerpunkt kurz nach ihrere Einschulung. Ja, wo soll das alles enden? Da fällt mir meine Klassenkameradin Karin ein, die wir doof und dick fanden, was wir sie auch regelmäßig wissen ließen. Nur hieß das damals Hänseln, dick war sie gar nicht, und natürlich plagt mich ein schlechtes Gewissen. Auch wurde wegen uns nie eine Schulkonferenz einberufen. Was waren das für Zeiten.

Heute rutscht so was nicht mehr durch, wenn Mädchen zicken und Jungs sich wie Rabauken gebärden. Wie ich höre hat eine Lehrerin schon geweint. Kinder auch. Knie mussten verbunden werden sowie ein Kratzer am Kopf. Es folgte das ganze Programm: Einbestellung der betroffenen Eltern, Rundbriefe, alarmierter Elternbeirat, ein runder Tisch mit Tätern und Opfern. Zu guter Letzt erschien der Schulpsychologe. Dessen Befund lässt immerhin hoffen: Er bescheinigte den Schülern „allgemeine Empathiefähigkeit“. Sobald hektische Flecken im Gesicht der Lehrerin auftauchten, hörten sie nämlich auf mit dem Unfug. Das beruhigt ungemein. Trotzdem stehen für uns Eltern seither neben Lesen, Rechnen und gesunder Ernährung abends kleine Rollenspiele an: Wir sollen uns Gefühle ausdenken  nach dem Schema „Ich bin traurig, wenn Du den Hannes noch mal umboxt.“ Außerdem sollen wir dem Kind helfen, Gefühle zu benennen: „Ich sehe, du runzelst die Stirn. Wie fühlst Du Dich?“ Ich frage nich nur, ob so kleine Menschen überhaupt schon die Stirn runzeln. Wenn Nina sauer ist, sieht das jedenfalls anders aus, es klingt anders, ist irre laut, und benennen kann sie es auch. 


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