Balance-Akt

Balance-Akt

Spielt sich die Wirtschaft nur in den Chefetagen ab? Nein, nein!

So was von fokussiert

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Ich weiß nicht, wie Sie sich fühlen, aber ich denke, wir müssen uns neu „fokussieren" - sonst ist alles dahin, die WM, der Sieg von Lena, der Ruf als...

Ich weiß nicht, wie Sie sich fühlen, aber ich denke, wir müssen uns neu „fokussieren“ – sonst ist alles dahin, die WM, der Sieg von Lena, der Ruf als Ingenieursschmiede, alles. Der Sommer fing so gut an, aber jetzt hängen wir irgendwie schief, bestenfalls teilfokussiert. Ich sehe es ja an mir. Mir fehlt es an der Fokussierung. Ich verschwitze Termine, verhasple mich in Interviews, vergesse Kinder vom Sport abzuholen. Ich fokussiere nicht voll aufs Zähneputzen, verpasse die letzten frischen Erdbeeren und übersehe Fehler in den Hausaufgaben.

Klar, warum sollte es mir besser gehen als unseren elf Helden? Die waren so was fokussiert! „Sehr, sehr fokussiert“, hat Jogi Löw noch nach Australien geschwärmt, früher hätte er „konzentriert“ gesagt oder „hochkonzentriert“. Aber das war einmal, das reicht heute nicht mehr. Das ist heute eine ganz andere komplexe mentale Geschichte, die der Löw mit seinen Mannen erprobt.

Beinahe schon „zu fokussiert“ fand sich Miro Klose. Der konnte sich vor lauter Fokussierung gar nicht mehr daran erinnern, was Philipp Lahm ihm eingeflüstert hat nach dem 4:0-Sieg, als er ihn ewig herzte. War ja auch egal. Er weiss ja: „Ich kann fokussieren.“ Eine Torchance zu fokussieren ist mindestens drei Stufen genialer, als den Ball einfach reinzuhauen. Gegen Serbien war die ganze Fokussierung futsch, bei Klose, bei Poldi, alles leicht verrutscht – aus die Maus.

Dabei hatten sie so schön geübt, auf dem Platz und überhaupt. Irgendein Dummschwätzer muss ihnen die Phrase vom „Fokussieren“ eingebimst haben. Ich vermute, ein derangierter Manager alias Berater trieb da sein Unwesen. Die Herren der Wirtschaft fokussieren ja schon länger. Früher haben sie wenigstens sich – reflexives Verb! – fokussiert. Jetzt wird nur noch fokussiert, einfach so. Der Markt fokussiert „auf Griechenland“ oder auch „auf die Goldman-Folgen“, die Schweizer Großbank auf „Strategie und Struktur“ und Siemens „auf Wachstum“. Natürlich könnten die Pappnasen einfach sagen, sie wollen jedes Jahr mehr Geld verdienen. Aber Poldi hätte den Elfer auch simpel reinhämmern können – notfalls in die Mitte, völlig unfokussiert. Also, gegen England verzeihen wir fast alles, außer weiterem Fokussierungsgedöns.

 


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