Den Sommer über leben wir im Freibad. Wir schwimmen dort ein bisschen, klar, vor allem aber gucken wir: Aalt sich die krasse Studentin, Schwarm aller alleinerziehender Väter, auf ihrem Stammplatz? Was liest sie heute und wann schlendert der Bademeister endlich zu ihr? Ohne es zu wollen – ich schwöre! – erlausche ich von anderen Müttern die neusten Wendungen: Moritz hat Religion abgewählt – wegen G8 und weil er jetzt Bratsche spielt. Bernd verzichtet auf einen Karrieresprung, um Marathon zu laufen. Und Tom macht sich selbständig als Consultant, weil der Papa ihn in der Firma an der langen Hand verhungern lässt.
Mein Bad ist der perfekte Ort für Sozialstudien – und absolutes „must-have“ für Nanny von der Leyens Chipkarte: Wo, wenn nicht hier findet die Gesellschaft zusammen? Reich und arm tummelt sich in meinem Bad, alt und jung, Serbe und Kroate, Girlies und bisweilen Sarrazinsche Kopftuchmädchen. Ich sage nicht, dass die Gruppen sich mischen, aber sie „stehen „im Dialog“; friedfertig zumeist.
Neulich jedoch kam es zu einem Zwischenfall. Früh morgens teilen sich ein paar Schwimmer das Becken: Mehrere kraulende Kampfmaschinen, daneben quasselnde Hausfrauen und dazwischen Frau Schwarz und Frau Klein. Seit 50 Jahren haben die Herrschaften feste Schwimmzeiten, die gleiche Badehaube und einen gemeinsamen Feind: die Turboschwimmer, die das Wasser durchpflügen, als gelte es, jeden Morgen, Gold zu holen.
Rücksichtslos finden das die beiden Damen und streifen gerne absichtlich deren Bahnen. Dabei prallte nun Blümchenhaube gegen Taucherbrille, es kam es zum Handgemenge, Frau Schwarz schrie und kratzte. Das Muskelpaket wehrte sich, der Bademeister zückte die Trillerpfeife: Platzverbot für den Kampfkrauler. Fluchend ist der junge Sportler abmarschiert, nicht ohne mit seinem Anwalt zu drohen. Juristen schrecken unseren Bademeister freilich nicht. Der Mann hat eine Karriere als Profiboxer hinter sich. Respekt!