An Jules Gymnasium herrscht Ausnahmezustand: Überall Plakate, Transparente, bemalte Bettlaken. „Gib alles!“, steht auf einem. „Wir schaffen das“, auf dem nächsten. Kichernde Zwei-Meter-Kinder drängeln sich um die Transparente.
Was ist hier los? Bin ich in eine Anti-G8-Demo geraten? Wird hier gegen das Schulessen protestiert, gegen Terror in Tripolis, Atomkraft oder Biosprit im Mofatank? Fordern die Schüler einen internationalen Mathe-Bonus für Mädchen, jedem Schüler ein Haustier oder freies Abschreiben für alle in den Abitur-Klausuren? Alles falsch: Die Schüler demonstrieren gar nicht, sie bestaunen nur das Werk ihrer Eltern: Mama und Papa haben gemalt, gedichtet, gesprayt, nächtelang im Hobbykeller, vermute ich. Und das alles, damit ihre Kinder das Abitur schaffen. „Toi, toi, toi, Anna-Lena!“ schreibt eine Mama. „Go, Nele, go“ eine andere, „ganz dolle viel Glück“ wünscht dem Nico die nächste. Ja, wie süß ist das denn!
„Du bist schwach gestartet, hast stark nachgelassen, jetzt bist Du trotzdem sooo weit. Du schaffst es, Tom!“, titelt ein Tiger-Papi, daneben ein gemaltes knallrotes Cabrio (auf das darf Tom sich im Erfolgsfall freuen). Kleiner, halb verdeckt andere Mutmacher: „Hau rein, Jonas – Deine family“, „Lass rocken, Sebbi“, „Wir beten alle für Dich, Knubbi“ und ein paar Bettlaken weiter „Big Daddy is watching you, Jana“. Ist das nicht wundervoll? So fürsorgliche Eltern. Die haben sicher auch schon das Studienfach für ihre großen Mäuse ausgesucht, das Zimmer im Wohnheim reserviert, die Praktika fürs Grundstudium klargemacht, außerdem Titel, Thesen und das grobe Outline für die Dissertation gegoogelt. Und das Schlimmste ist: Jule findet das ganz toll, will auch so ein Abi-Laken, das größte und schönste, sofort, spätestens zum Zeugnis in der Sechsten. Ist ja megapeinlich, wenn das Elternhaus da versagt.
<p>...und was sagt uns das?...
…und was sagt uns das? außer, dass manche Eltern mit ihren Kindern offenbar in Englischkauderwelsch kommunizieren…?