Martin Blessing ist ein beneidenswerter Mensch. Nicht, weil der Chef der Commerzbank bald wieder mehr als 500.000 Euro verdienen darf. Geschenkt. Ich meine vielmehr diesen klugen, gar attraktiven Mann neben ihm, der ihn davon abhält, Dummheiten zu sagen, die Wahrheit oder anderen Unfug. So einen hätte ich auch gerne.
Vorige Woche war mein neuer Held bei der Tat zu bewundern. Großartig hat er sich geschlagen, als ein strahlender, ja aufgekratzter Blessing der Presse verkündete, er werde dem Staat nun endlich sein Geld zurückzahlen. Zumindest fast, in großen Teilen. So ganz habe ich mich, das gebe ich zu, nicht reingedacht in die alten und neuen Aktein, hellwach war ich aber, als der Bank-Chef gefragt wurde, was er denn auszusetzen hätte an den Politikern und uns Steuerzahlern als Großaktionär. Blessing, in seiner wiedergewonnenen Flapsigkeit, setzte zur Antwort an, und was hätten wir wohl alles zu hören bekommen über notorische Wichtigtuer und ignorante Besserwisser, über Gängeleien, Finten und Intrigen in der Politik. Doch da schob ihm sein Sprecher, ein gelernter Germanist, sanft einen Zettel rüber. „Don’t do it“, stand da drauf. „Lass es!“ Und Blessing schluckte alle Bosheiten hinunter: „Ich war kurz davor, Ihnen diese Frage persönlich zu beantworten. Jetzt habe ich es mir anders überlegt.“
Was würde ich für einen solchen Feingeist geben, der mich vor Ehrlichkeit, Spott oder Häme im richtigen Augenblick warnt. Der „Don’t do it“ ruft, bevor ich die Leser beleidige, mit Hannes über seine Malversuche rede oder mit der frankophilen Verwandtschaft über Sarkozy. Der mich davor bewahrt, den Tankwart wegen E10 zu verfluchen, den Nachbarn wegen der Hundehaufen vor unserer Tür und unseren serbischen Installateur wegen seiner Haltung in der Frauenfrage. Ein kleiner Zettel nur, und ich schwiege selbst über meinen Ärger in der gelben Bank. Aber wehe, wenn ich Ostern tatsächlich kein Geld am Bankautomaten ziehen kann, dann…