Balance-Akt

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Spielt sich die Wirtschaft nur in den Chefetagen ab? Nein, nein!

Sexismus beim Konditor

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Kürzlich erreichte mich der Brief eines Lesers, der mich ins Grübeln brachte. „Haben Sie eine Erklärung für folgendes Phänomen", fragte er:...

Kürzlich erreichte mich der Brief eines Lesers, der mich ins Grübeln brachte. „Haben Sie eine Erklärung für folgendes Phänomen“, fragte er: „Warum bekomme ich, ja, immer ich, das Kantenstück, wenn ich beim Konditor Blechkuchen hole? Heute war‘s sogar das Eckstück?“ Schon ewig gehe das so, berichtet der Mann, ein Ingenieur Mitte 50. Wann und wo immer er Kuchen holt – ihm wird das trockene Kantenstück eingepackt. Die saftige Mitte kriegen immer die anderen. Da das Malheuer bereits seit seiner Studentenzeit anhält, genügt der bloße Zufall nicht zur Begründung: Es muss da größere Zusammenhänge geben, womöglich ein Weltgesetz? Ein Bäckerkomplott, eine Verschwörung gar? Klar ist, irgendeiner muss in die Kante beißen, hilft ja nichts.

„Vielleicht liegt es daran, dass ich ein Mann bin?“, stellt der Leser die Geschlechterfrage. „Gelte ich als solcher vielleicht als nicht kompetenter Kuchenesser?“ Die Frauen hinter dem Tresen, meist sind es ja Frauen, nehmen ihn nicht ernst, glaubt er zu spüren: „Die meinen, dem Doofkopp packe ich die Kante ein, der gibt keine Widerworte. Erst wenn er draußen ist, fängt er an nachzudenken.“ Bei seiner Frau, so argwöhnt der er, würden sie sich das nie trauen. 

Ich glaube, der werte Leser hat recht. Überall türmen sich Fälle heimtückischer Diskriminierung auf, und immer sind die Opfer männlich. Mein Schwiegervater fühlt sich benachteiligt, weil immer er auf Kirschkerne beißt, während der Rest der Familie lustig die Schwarzwälder Kirschtorte kaut. Mein Bruder zetert jedes Jahr an Heiligabend, weil er wieder mal die Forelle mit den meisten Gräten erwischt hat, und mein Mann landet immer bei der langsamsten Verkäuferin. Eine mögliche Erklärung der Wissenschaft: Das vermeintliche Pech der Männer besteht nur in ihrer Einbildung – ein Phänomen der selektiven Wahrnehmung. Frauen beißen genauso häufig auf Kirschkerne und in Kantenstücke, lassen sich dadurch aber keineswegs aus der Ruhe bringen, vermuten auch keine böse Absicht dahinter. Oder aber, so argumentieren andere Forscher, die Benachteiligung rührt daher, dass Männer grundsätzlich die hübscheste Verkäuferin wählen, die oft zugleich die dümmste ist, so wie pralle Forellen eben dicke Gräten haben ….


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