Der Muttertag würde kein Spaß werden, ich wusste es: Hannes hüpft vor lauter Aufregung schon vor dem Morgengrauen in unser Bett und drückt mir ein verbeultes, herzförmiges Etwas ins Gesicht, das seit Tagen mit alten Taschentüchern, Pusteblumen und einem Rest Schokohase in seiner Kindergartentasche vor sich hin rottet. „Für Dich, Mama. Habe ich gebastelt“, sagt er, und da es mir nicht gelingt, mich auf der Stelle tief beeindruckt und beglückt zu zeigen, rauscht er brüllend von dannen, um bei den großen Schwestern Trost zu finden, „weil die Mama so fies ist.“
Da nimmt die Katastrophe ihren Lauf: Die Mädchen – derart unsanft und zur Unzeit geweckt – rächen sich sofort an dem kleinen Kerl, die Dezibel überschreiten die zulässige Höchstgrenze, von nebenan hagelt es üble Schimpftiraden, Fenster knallen, Türen sowieso. Das Frühstück geht im Gezeter unter. Jule, die Größte, trägt maulend ein Gedicht vor, bloßes Stückwerk leider. Nina rückt ihr Geschenk gar nicht erst raus und verschanzt sich schmollend im Zimmer. Aus Versehen stellt die Zeitung erzürnte Leser auf mein Handy um, Opa Achim braucht dringend Support, weil er Opfer einer bösen Spam-Attacke geworden ist („Darüber müsstest Du mal schreiben.“). Jule wüsste gerne, wer eigentlich diese Julija Timoschenko ist und ob Hannelore Kraft die neue Kanzlerin ist, mein Mann verlangt ultimativ die fertige Lohnsteuer-Erklärung von mir. „Jetzt.“ Ich suche verzweifelt sieben Jahre alte Interview-Aufzeichnungen, die unser Hausjustitiar angefordert hat, der Ausflug zum Hambacher Schloss endet trotz Sonnenschein und einer Riesenportion Eis für alle in Tränen. Abends ermittelt dann auch noch die politisch überkorrekte Lena Odenthal gegen kriminelle Jugendliche, das mag ich gar nicht. Und dann, während Günther Jauch mich in den Halbschlaf talkt, schrecke ich auf: Oh nein, ich habe Oma Heidi vergessen, wie konnte ich bloß. Auf diesem Wege: alles Liebe zum Muttertag.