Als pflichtbewusste Mutter und Staatsbürgerin habe ich unsere Kinder zu ebensolchen pflichtbewussten Staatsbürgerinnen/Staatsbürger zu erziehen. Das ist wichtig. Wichtiger denn je, wie man derzeit überall in Europa sehen kann. Und bisweilen mühsam: Haben Sie schon mal versucht, Freude am Wahlrecht zu entfachen? Schwierig.
Hannes zum Beispiel darf im Kindergarten jeden Morgen wählen, wo er spielen möchte. Wählt ein Kind Blau, darf es im Atelier basteln, nimmt es Rot, darf es ins Bauzimmer, Rosa ziehen die Mädchen für die Puppenecke.
Hannes weiß, was er will: Grün, Turnhalle. Jeden Tag, „ist doch klar“. Aber so einfach ist das nicht. Mal legt die Erzieherin keine grüne Klammer ins Körbchen, mal ist er als Letzter dran und es gibt nur noch Rosa. Manchmal schnappt er sich Grün – und die Erzieherin nimmt es ihm wieder weg: „Das hattest Du schon beim letzten Mal.“
Hannes Fazit: „Wählen ist doof und ungerecht.“ Eine Diktatur würde er unbedingt vorziehen, so lange er das Sagen hat.
Jules Erfahrung in der 7.Klasse ist nicht minder demokratiezersetzend: „Nie bekommt man, was man will.“ Für die Projektwoche durfte sie zwischen 40 Angeboten wählen: Ein Favorit plus eine Handvoll Alternativen waren anzukreuzen.
Ein Einfluss der Wahlzettel auf das Ergebnis ist nicht zu ermitteln: Jule wollte ins Handball, jetzt dreht sie einen französischen Film. Voraussetzung dafür war, dass die Kinder den Film zu Hause schneiden können. So, so.
Klassenkameradin Isabel, ein Tennis-Ass, wollte die Rückhand trainieren, ist aber bei den Klimaforschern gelandet. Paula muss batiken, Rosanna zum „Schwitzen im Schwimmbad“. Gemeinsam ist ihnen, dass sie die Kurse nicht gewählt hatten.
Nur Larissa darf zum Handball – obwohl sie die Wahlunterlagen nicht abgegeben hatte. Alles klar? Dann spricht auch nichts mehr dagegen, Hunde und Erdbeeren wählen zu lassen, wie es die Documenta-Chefin fordert.
<p>nette Anekdoten, aber die...
nette Anekdoten, aber die Gleichsetzung von auswählen und wählen funktioniert nur dank der Ungenauigkeit unserer Sprache, cf. choisir vs. élir, to choose vs. to elect.