Balance-Akt

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Spielt sich die Wirtschaft nur in den Chefetagen ab? Nein, nein!

Top-Event Einschulung

| 3 Lesermeinungen

Eltern sollten sich nie fragen, ob es sinnvoll ist, was sie für den Nachwuchs alles tun. Kürzlich brach Hannes in Tränen aus, weil ihm im Laden eine...

Eltern sollten sich nie fragen, ob es sinnvoll ist, was sie für den Nachwuchs alles tun. Kürzlich brach Hannes in Tränen aus, weil ihm im Laden eine Schultüte mit Dinosauriern sooo gut gefiel, wir sie ihm aber nicht kaufen wollten. Ich hatte schließlich einen ganzen Samstagvormittag im Kindergarten mit Pappe, Kleber, Schere und anderen Müttern gekämpft, um ihm eine zu basteln. Eine richtig tolle. Mit Fußballer drauf. Nummer 16, wie Philipp Lahm. Alles wie von Hannes gewünscht. Und dann das Gezeter! Was hätte ich in der Zeit alles erledigen können – Schuhe putzen, Body shapen, Bestseller schreiben.

Wie man es auch dreht und wendet, die Opportunitätskosten für das Basteln sind hoch anzusetzen. Der soziale Druck ist noch höher. „Wie, Ihr habt eine gekaufte Schultüte?“ Dem Vorwurf der seelisch-moralischen Vernachlässigung wollte ich uns bei der Einschulung nicht aussetzen, alles muss passen.

Es bedurfte also einer generalstabmäßigen Planung, denn die Fallen lauern bei so einem Top-Event im Leben eines Sechsjährigen überall. Wie begehen wir den Tag? Wer wird eingeladen, was kommt in die Tüte? Mit Zeitungspapier, Gummibärchen und einer Uhr ist es längst nicht mehr getan. Ein iPhone gehört zur Schüler-Grundausstattung, Springmesser, Krügerrand, ein Bündel Schweizer Franken, ein Gutschein für eine Mars-Expedition, Ritalin-Bonbons und, ganz neu für Erstklässler, eine Extraportion Somatoliberin, das auch dem mattesten Hirn auf die Sprünge hilft.

Und dann gehen wir fein essen, im ersten Restaurant am Platze, das wir wohlweislich – ist unsere dritte Einschulung, wir kennen die Engpässe! – vor einem Jahr schon gebucht haben. Es wird schön, wunderschön. Hoffentlich. Es sei denn, Hannes heult wieder.


3 Lesermeinungen

  1. EgonOne sagt:

    <p>Kein Wunder der liebe...
    Kein Wunder der liebe Hannes heult. Ich selbst war nah dran.
    So viel Stress. So viele Entscheidungen. Dann noch die schmerzliche Sache mit der A-Liste fuer Einladungen — oder war es die B-Liste. Sowas kann die staerkste Person ins Wackeln bringen.
    Sie, meine werte Bettina Weiguny, haben mein Mitleid und mein volles Verstaendis so einen Top_Event zu produzieren. Das waer ein Job fuer Hollywood Producers oder Olympic Event Organizers.
    Ich wurde auch von so einer Situation mit meinen damals Suessen konfrontiert, allerdings waren die Zeiten einfacher, und wir hatten kaum Somatoliberin oder dergleichen.
    Da hiess es immer, wenn das Jammern zu stark wurde „Take an Aspirin. Go to bed, and tell me about it tomorrow.“
    Es war nicht immer erfolgreich, aber letzten Endes schleppte ich den Sproessling zum Privatflugplatz bei uns in der Naehe. Wir strappten ihn fest in den Doppeldecker, und Henry mein Nachbar flog ihn ueber die Landschaft fuer eine halbe Stunde, ohne dem Henry sein Flugzeug zu verkotzen. In der Tat, unser kleiner Richard, war ganz begeistert und vergaß was ihn stoerte. Danach war sein Lebensgang klar: Er wollte Flugzeugkonstukteur werden.
    Es ging aber nicht ueber Flugmodelle hinaus, und wie so oft im Leben, sieht die Zukunft anders aus.
    Jetzt spielt er Jazz Piano — und ich hoer zu.
    I feel your pain, Bettina Weiguny — and your delight.
    Pax vobiscum

  2. lutz-breunig sagt:

    <p>Es geht hier um die Frage...
    Es geht hier um die Frage der Wertschätzung von „Geschenken“ und die Erfüllung tatsächlicher oder vermeintlicher „Wünsche“; diese Wertschätzung erhält man über Gegenleistung; und die bleibt aus, wenn man den Bedarf falsch eingeschätzt hat ;-)
    Das ist das Prinzip!

  3. stimmviech sagt:

    <p>Ein iphone für einen...
    Ein iphone für einen Erstklässler? Ich merke, ich bin nicht mehr von dieser Welt.

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