Ein paar Monate, bevor ich sechzehn wurde, im frühen Frühjahr 1975, kaufte ich mir ein Moped. Es war ein schönes, rotes Geschoß, eine sogenannte 50er, sie durfte 80 Stundenkilometer fahren und fuhr fast 100 – und in den paar Monaten, bis ich den damals sogenannten Vierer-Führerschein machen würde, konnte ich ja schon mal üben, in unserer Straße, wo wenig Verkehr war, auf Feldwegen, wo es ungefährlich war.
Ich übte viel, ich übte gern, ich war, als ich dann sechzehn wurde, ein abgebrühter Fahrer, was ich meiner Freundin einmal damit bewies, daß ich, während sie auf dem Rücksitz saß, vorführte, wie das ging: die ersten fünfzig Meter auf dem Hinterrad. Ich fuhr diese fünzig Meter allerdings allein. Sie saß auf der Straße und fand meinen Fahrstil präpotent.
Das mit dem Führerschein hatte ich vor lauter Üben ganz vergessen, man wurde ja eh nicht kontrolliert; so ging es, ungefähr ein halbes Jahr. Dann wurde meine schöne Hercules geklaut.
Ich hatte kein Geld für ein neues Gerät, ich hatte außerdem auch ein paar andere Interessen – dann kam der Winter, und im nächsten Frühjahr fragte mich ein Freund, der, erstens, nicht wußte, daß ich erst siebzehn war, und der, zweitens, für eine Weile ins Ausland ging, ob ich seine schöne 100er BMW, ein altes, schwarzes und unglaublich solides Motorrad mit Viertaktmotor, nicht bewachen wolle während seiner Abwesenheit. Ich dürfe damit auch fahren, wenn ich vorsichtig sei.
Das war, was ich von Motoren wußte, als ich heute meine ersten drei Fahrstunden hatte: man gibt Gas mit der rechten Hand, man kuppelt mit der Linken, und man schaltet dauernd, rauf, runter, und es kann nicht schaden, dabei kräftig Gas zu geben.
Kuppeln, Gas geben, bremsen mit den Füßen: Das war mir erstmal grundsätzlich unverständlich. So anspruchsvoll wie Orgelspielen, was man ja auch, als Klavierspieler, halbwegs versteht, solange es nur um die linke und die rechte Hand geht. Die Füße treten den Baß; das habe ich heute geübt, und der Fahrlehrer ist fast daran verzweifelt, daß ich mit dem linken Fuß immer den Takt schlagen wollte. Schalten: klar, Gas geben, hoch schalten, mit viel Lärm, herunterschalten mit genau so viel Getöse.
Daß Autos heute von selber fahren, wenn man einfach nur die Kupplung losläßt: Das hat mir der Fahrlehrer schon gesagt. Aber verstanden habe ich es nicht.
Und wie man das macht, auf alle Anweisungen zu achten – und gleichzeitig in den Rückspiegel gucken, oh je: Das war mir zu komplex. Zu schwierig. Zu anspruchsvoll.
Abends war ich in der Stadt. Stand vor einer Straße, die ich eigentlich nur überqueren wollte, und schaute den Autos beim Fahren zu. Unfaßbar, wie gut und schnell und geschmeidig das ging. Lauter Genies hinter den Steuern. Orgelvirtuosen. Koordinationsweltmeister.
Ich habe sie alle beneidet.
Ein halbwegs Erwachsener macht den Führerschein (II): Mein Moped, meine Freundin und ich
20. April 2009 | 2 Lesermeinungen
In ungefähr dieser Situation...
In ungefähr dieser Situation war ich vor einem Jahr. Ich war auch spätberufen und hielt mich selbstredend für sehr unbegabt. Und dann hat man plötzlich einen Führerschein und die lassen einen völlig alleine mit der ganzen Überforderung, das ist ja überhaupt das Schlimmste. Aber diese Angespanntheit hält man nicht lange durch, nach ein paar Wochen kehrt Ruhe im Gemüt ein und alles wird lockerer.
Hier spricht nicht Fritz...
Hier spricht nicht Fritz Fatzke aus Hinterduppel bei Berlin, nein es muss gleich Berlin sein: Hier spricht Berlin und was hat Berlin zu sagen? Wie schwer es ist bei einem Mottorrad die Schaltung richtig zu betätigen. Und das auf zwei Seiten in aller Ausführlichkeit. Also Markus, da hast du eine ganz grosse Glocke aufgehängt und dann macht die nur ein kleines leises bescheidenes Bimm… Ein bisschen enttäuschend der Anfang, aber vielleicht wird es ja noch besser.
Hier sprach Shanghai.