Hier spricht Berlin

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Notizen, Beobachtungen, kleine Geschichten und Stilkritiken aus der Redaktion des Sonntagszeitungs-Feuilletons - und die sitzt nun einmal in Berlin.

Neunundvierzig und noch immer ohne Führerschein (III): Meine Hölle liegt links

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Es ist ein Crashkurs, den ich mache – heute nachmittag kam es mir vor, als stünde mein eigener Crash unmittelbar bevor.Du fährst gut, sagte der...

Es ist ein Crashkurs, den ich mache – heute nachmittag kam es mir vor, als stünde mein eigener Crash unmittelbar bevor.
Du fährst gut, sagte der Fahrlehrer am Nachmittag (hier duzt jeder jeden, rein menschlich betrachtet, braucht es wohl keinen Airbag), du fährst gut, sagte er noch einmal, du kannst fast alles, was du können mußt.
Danke, sagte ich.
Und jetzt fahr mal bitte zur Seite.
Ich hielt an und stellte den Motor ab.
Hol tief Luft, sagte er, oder sag mal Om, oder irgendsowas, was dich beruhigt!
Ich war beunruhigt.
Du bist nervös, sagte er. Viel zu nervös. Du mußt Dich ganz dringend abregen.
Ich wurde noch nervöser. Uff, sagte ich, merkt man das wirklich?
Klar, und wie. Vielleicht solltest du länger schlafen, weniger Espresso trinken, ruhiger werden.
Mach ich, flüsterte ich und wischte mir die schwitzenden Hände an der Jeans ab, damit ich wieder ans Lenkrad greifen konnte, ohne dabei abzurutschen.
Wir haben dann noch das Anfahren an einer Steigung geübt, das Rückwärtseinparken, und immer wieder ging es um den sogenannten Schleifpunkt und die Frage, ob ich ihn beherrschte. Ich fand den Begriff ein bißchen widerlich.
Also, abregen, nicht nervös machen lassen, sagte der Fahrlehrer zum Abschied.
Als ich wieder draußen war, mußte ich mich erst einmal auf eine Bank setzen und die Augen kurz schließen. Nervös? Ich war nicht nervös. Ein Abgrund war in mir, fast schon eine Hölle, in welcher die Verdammten auf ewig links abbiegen mußten.
Ich hoffe, daß ich bis morgen meinen persönlichen Schleifpunkt wieder überwunden habe.


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