Ich bin am Westkreuz ausgestiegen. Zum ersten Mal seit ich Ende der 1990er Jahre in diese Stadt gezogen bin. Das ist insofern bemerkenswert, als ich von Anfang an immer wieder über das Westkreuz gefahren bin.
“Pah!”, mögen einige jetzt sagen, “da steigen doch jeden Tag tausende und abertausende Menschen aus! Auch ich bin da schon ausgestiegen! Deine Mutter steigt am Westkreuz aus!”, und irgendwie stimmt es ja auch. Am Westkreuz steigen sehr viele Menschen aus S-Bahnen aus. Ich ja auch. Allerdings steige ich dann jedesmal wieder in eine andere S-Bahn ein, wie alle anderen auch, denn hier kreuzt die S7 (Potsdam – Ahrensfelde) die Ringbahn, die einmal um die Berliner Innenstadt herum führt und ab Südkreuz sogar teilweise auch Züge der S45 zum
BER Flughafen Schönefeld beherbergt.
So richtig ausgestiegen bin ich hier bisher aber noch nie. Wenn ich ehrlich bin, war ich all die Jahre sogar immer schon ein wenig irritiert, dass dieser Bahnhof überhaupt einen Ausgang hat. Zurecht, wie sich herausgestellt hat. Am Westkreuz gibt’s nämlich:
Nix
Wenn man durch diese leicht bedrückende wellblechhüttenartige Kostruktion den Bahnhof verlässt, trifft man auf einen trostlosen Parkplatz, auf dem eine Handvoll PKW und drei Wohnmobile missmutig herumlungern.
Wendet man sich an der Einfahrt zum Parkplatz nach rechts, steht weiter hinten ein tendenziell unnützes Kongresszentrum namens ICC herum. Das Ding sieht zwar irgendwie ganz cool aus, ist an dieser Stelle aber mindestens genauso deplaziert, weil in dieser Umgebung überdimensioniert. Hinter dem ICC steht der Funkturm, der auf den Namen “Funkturm” hört, was Touristen und Zugereiste immer irritiert, in deren Städten Funk- und Fernsehtürme quasi-echte Namen tragen. Aber der Funkturm war halt der erste, da braucht man nicht unbedingt einen Eigennamen. Angeblich soll man in seinem Restaurant lustig essen gehen können, das habe ich aber noch nie ausprobiert. Der Funkturm steht auf dem Messegelände, das man prima abreissen und auf das Gelände der Investitionsruine “Flughafen BER” exportieren könnte (dann hätte dieses Trauerspiel auch ein Ende. Win-win!), um auf der – voll erschlossenen – Innenstadtfläche in Charlottenburg ein neues Wohnquartier zu bauen. Aber was weiß ich denn schon.
Gleich links ist ein Reifenhändler, der hier einen idealen Standort hat, denn man kann seit Auto dort lassen und mit der Bahn heimfahren. Allerdings muss man dazu auch erstmal wissen, dass der Reifenhändler sich dort befindet, was zumindest mir bisher nicht klar war, obwohl ich seit über einem Jahrzehnt mit dem Auto daran vorbeigefahren zu sein scheine. Zwischen ICC und Reifenladen ist nämlich eine Auffahrt zur Stadtautobahn und zur AVUS – und das war’s dann auch schonwieder.
Es kann aber gut sein, dass ich irgendetwas übersehen habe, denn gelegentlich steigen hier auch noch andere, echte Menschen aus. Es sind nicht viele, aber eben auch nicht wenige. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wohin die alle wollen, werde aber wohl demnächt mal einen von denen verfolgen (konspirativ, versteht sich. Alleine schon, um nicht eins aufs Maul zu bekommen), um das Geheimnis des Westkreuzes vielleicht doch noch zu ergründen.
Hoffentlich ist es kein schreckliches.
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bemerkenswert.
Prösterchen 😀
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Wer am Avus-Rasthof arbeitet, ins ICC oder von der Stadtbahn kommend in den nördlichen Teil der Messe will könnte am Westkreuz aussteigen. Sonst lohnen wohl immer andere Stationen mehr. Von der Avus kommend kann man sich da noch von der MfG absetzen lassen um in die Stadt reinzufahren. Aber sonst?
ein bissl Einöde
Gut geschriebener Artikel. Ich habe seit vielen Jahren stets den selben Eindruck.
Das Westkreuz ist sicher als Umsteigebahnof ein wichtiger Knoten. Aber tatsächlich steigen da auch Leute aus, die diesen Bahnhof als Ziel anfahren.
So befindet sich in der Halenseestraße die Betriebszentrale der S-Bahn. Dort arbeiten Fahrdienstleiter und jede Menge anderer Mitarbeiter rund um die Uhr.
Am Parkplatz lassen sich viele Menschen abholen, die in die Innenstadt oder ins Umland wollen.
Setzt man sich mal etwas länger auf den unteren Bahnsteigen (A/B) auf eine Bank, kann man prima entspannen. Für Menschen mit Depressionen sei das mal nicht angeraten, denn irgendwie ist die Stimmung sehr Depristrahlend.
Immerhin hat es aber auch dieser Bahnhof geschafft, mit etlichen Fressbuden ausgestattet zu werden.
Ich mag diesen Bahnhof, er wirkt auf mich so wundervoll entschleunigend.
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Westkreuz ist auch ein idealer Startpunkt, wenn man von dort aus mit dem Fahrrad nach Potsdam (oder zumindest nach Wannsee) fahren will. Entlang der AVUS, wunderbar. Einzig und allein die Schleife des Dreieck Funkturm ist für alle Verkehrsbeteiligte (Auto- und Fahrradfahrer sowie Fußgänger) ein Graus. Wer das geplant hat, muss ein masochist gewesen sein.
Kronprinzessinnenweg meinst Du? Das ist eine der schönsten Radstrecken, die ich in Berlin kenne! Genau die Route sollte ich im Sommer nach Potsdam nehmen. Ich wohne in Tempelhof und durch Tempelhof zu radeln, bis man endlich am Teltowkanal ankommt, ist eine der schlimmsten Zumutungen, die Berlin für Radler bereithält. Dass ich Depp nicht schon früher drauf gekommen bin, erst in die Ringbahn zu steigen… Danke für den Tipp 🙂
Bemerkenswert
Schon verblüffend, ich hätte mir so einen Knotenpunkt auch “lebendiger” vorgestellt.
Hier steht ein Titel
Der Westkreuz ist auch ein idealer Startpunkt, wenn man von dort aus mit dem Fahrrad nach Potsdam oder – etwas kürzer – nach Wannsee fahren will. Entlang der Avus, wunderbar. Wird insbesondere als private Rushhour-Strecke bzw. als Feierabendausgleich gerne benutzt, wenn man nicht in der vollen S7 hocken will. Einzig und allein die Schleife des Dreieck Funkturm ist für alle Beteiligte (Bus-,PKW-,LKW- und Fahrradfahrer sowie Fußgänger) ein Graus. Wer sowas geplant hat, muss ein masochist sein.
Nächster Tipp, wo gefühlt niemand aus-/einsteigt, wäre der S-Bahnhof Grunewald.
Busbahnhof
Der Busbahnhof ist direkt neben dem ICC. Berlin ist ein ziemlich trostloser Anblick, wenn man mit einem Fernbus anreist.
Als ich zum ersten Mal in meinem Leben in Berlin ankam war es noch mitten in der Nacht und ich konnte im Bus seit Thüringen nicht mehr schlafen. Ich erinnere mich tatsächlich an den Reifenladen neben der Autobahnabfahrt, weil ich lange darüber nachdachte, ob ein Reifenladen an der Autobahn viel oder wenig Sinn ergibt. Am Bahnhof am ICC fanden wir weder Ticketautomaten noch Fahrpläne und sind zu Fuß zum Westkreuz gegangen. Den Schuppen hätten wir fast nicht als zentralen S-Bahnhof erkannt und wir waren uns ziemlich sicher, dass es sich um eine Falle handelt und wir beim Betreten abgestochen werden oder man uns zumindest mit einer Spritze überfällt, um uns mit harten Drogen anzufixen.
Ich bin selten schlechter in einer Stadt angekommen. Der Rest war dann zum Glück weniger versifft, als ich erwartet hatte.
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Weil mich Holgi auf Twitter gebeten hat, das auch hier zu posten: die S45 fährt mittlerweile (seit Anfang des Jahres?) den Ring weiter rauf, via Gesundbrunnen, bis nach Birkenwerder.
Das hat den Effekt, dass man damit vom gesamten Ring aus ohne Umsteigen bis nach Schönefeld fahren kann, entweder mit S9 oder S45.
Was machen die Kreuze im Osten ?
Können Sie als augenscheinlicher Experte uns die folgende, mich leicht irritierende Pressemeldung übersetzen ? Es geht darin um die Anreise zu diesem neuen Hauptstadtflughafen, der kürzlich nahe an der polnischen Grenze hätte vollendet werden sollen.
“Noch gibt es nur Ersatzzüge als Vorläufer für den künftigen Airport-Express, der irgendwann den Hauptbahnhof mit dem BER in Schönefeld verbinden soll. Der Airport-Express auf der Anhalter Bahn muss weichen. Jetzt sollen die Züge über die Stadtbahn fahren. Dabei ist seit Jahren an eine andere Strecke gedacht – doch an der Dresdner Bahn kommt nichts voran.”
Mir schwant da nichts wirklich Gutes. Machen die in Berlin möglicherweise wieder denselben Fehler wie schon vor 40 Jahren in Tegel ? Fahrradwege werden übrigens normalerweise gerade NICHT entlang von Autobahnen, sondern entlang von Gewässern, ggf. Gleisen o.ä. angelegt. Anbieten würden sich hierzu z.B. Spree, Havel und die zahlreichen Kanäle: Mit dem Fa
BER
Hättet Ihr damals Stoiber statt Wowereit zum Regierenden gemacht, führe schon längst der Transrapid zum neuen Flughafen!!
Und zwar ohne, dass sie am Flughafen noch einchecken müssen!
Damit ist das Westkreuz
das Bebra Berlins. Vermutlich muss man dazu aber Bebras Bedeutung als Umsteigebahnhof vor der Eröffnung von Kassel-Wilhelmshöhe zugrundelegen. Ich finde ja, dass Sie das Umfeld des Bahnhofes Westkreuz sehr gnädig behandeln, wenn Sie das ICC dazurechnen. Dieses hat eine eigene Haltestelle, die sogar nach ihm benannt ist.
Glückwunsch zu der verwegenen Idee, am Westkreuz auszusteigen. Ich wüsste gar nicht, wo da der Ausgang ist.
Ich bin einfach nur die (einzige) Treppe so lange hochgelaufen, bis ich an der frischen Luft war.
Aha,
vielen Dank. Mir ist bei meinen zigmaligen Umstiegen völlig entgangen, dass vom Ringbahnsteig noch eine Treppe nach oben führt. Aber ich will Ihnen natürlich gerne glauben, dass Sie das Foto nicht manipuliert haben.