Neulich war Sturm. Da ist die S7 ausgefallen und ich wurde auf die S1 umgeleitet. Die benutze ich sonst nicht so gerne, denn sie hält – im Vergleich mit der S7 – an jeder Milchkanne. Eine dieser Milchkannen ist Lichterfelde-West.
Wie es der Zufall wollte, hatte ich einen fürchterlichen Hunger. Den habe ich recht selten, denn ich lebe in Zeiten des Nahrungsmittelüberflusses. Was ich eigentlich immer habe, ist eine Schwäche für Hamburger. Die habe ich sogar schon sehr lange. Das Problem war all die Jahre nur, dass man meist lange suchen musste, um einen guten Hamburger zu bekommen. Ein guter Hamburger ist eigentlich derart einfach herzustellen, dass es mich sehr verwundert, diese Art Mahlzeit nicht schon immer in guter (Zubereitungs-)Qualität bekommen zu haben. Glücklicherweise gibt es mittlerweile gute Burgerläden an jeder Ecke der Innenstadt.
Schwieriger wird es in den Außenbezirken oder auf dem Dorf. Dort dominieren immer noch diese Frittenbuden, die fragwürdige Tiefkühlpatties in derselben Fritteuse durchgaren, in denen auch Fischfrikadellen gelegentlich ein heißes Bad zu nehmen pflegen. Außerhalb der Innenstädte lasse ich mich meist auch nur ungern auf Burger-Experimente ein, sondern esse lieber gleich irgendetwas anderes, denn nicht viel ist in der Lage, mich kulinarisch so sehr zu frustrieren, wie ein schlechter Burger.
Exkurs: Ein guter Burger besteht aus einem brioche-ähnlichen Brötchen, dessen Schnittseiten auf dem Grill angeröstet werden, damit die Soße nicht in den Teig einsickert. Zwischen die Brötchenhälften kommt ein Hackfleischpatty, das allenfalls medium gebraten sein darf, damit es ordentlich saftig bleibt. Manche Läden, beispielsweise “The Bird” oder “Otto’s Burger” in Hamburg, wolfen ihr Fleisch so frisch, dass man seinen Burger sogar “rare” bestellen kann. Ich begrüße das. Der Rest – und eigentlich auch schon das Brötchen – ist Geschmackssache. Gleichwohl: Je mehr Zutaten von unterschiedlicher Bissfestigkeit auf einem Burger geschichtet sind, desto spektakulärer die Variationen im Mundgefühl, die “Melodie”, wie ein Freund und Koch es mal genannt hat. Man sollte allerdings aufpassen, dass der Turm nicht so albern hoch wird, dass man nichtmal mehr halbwegs würdevoll abbeißen kann, wie es heutzutage in mancher Trendburgerbude leider der Fall ist. Ketchup gehört genausowenig auf einen guten Burger wie auf irgendetwas anderes, dessen Geschmack man erleben will, denn wo Ketchup ist, schmeckt alles nur nach Ketchup. Ausnahmen bilden hausgemachte Tomatensoßen, aber auch da wäre ich zumindest vorsichtig. Ich finde außerdem, dass gebratener Speck nichts auf einem Burger zu suchen hat, aber das soll sich jeder selbst aussuchen. Mit Käsesorten sollte experimentiert werden, denn der ist in der Lage, dem Fleischgeschmack nochmal einen ganz anderen Dreh zu geben. Ich persönlich mag Cheeseburger mit Gruyere oder mildem Ziegenkäse und ansonsten ohne viel Schnickschnack.
Ich bin in der wundervollen Situation, reichlich Follower auf Twitter zu haben, die ich Dinge fragen kann, wenn ich etwas nicht weiß. Meistens bekomme ich schnell und kompetent Hilfe (falls also irgendjemand von diesen albernen, alten Leuten sich mal wieder aufzuplustern versucht, indem er fragt, wozu der Quatsch denn bitteschön gut sei: Erkenntnisgewinn). Dort fragte ich einmal, wo man entlang der S1 zwischen Potsdam und Schöneberg denn einen guten Burger essen könne, und bekam die Antwort: “Im S1 Burgerkeller“. Und so verschlug Orkan Niklas mich dorthin.
Ich bin erst einmal 15 Minuten um den Block geirrt, denn ich bin ein wenig doof mir war nicht klar, dass der Laden tatsächlich im Keller unter dem Bahnhofsgebäude ist und sein Eingang sich an jener Seite des Gebäudes befindet, an der auch der Biosupermarkt steht. Die Einrichtung hat mich ein wenig an den Versuch erinnert, ein Steakhaus zu imitieren. Seit ich aber eine der besseren Pizzen meines Lebens in einer bayerischen Eiche-Rustikal-Wirtschaft und ein gutes Steak in einem vermeintlichen China-Restaurant bekommen habe, sehe ich über Einrichtungen grundsätzlich hinweg, solange sie mir gemütlich genug sind. Hinter der Theke standen eine Frau und ein Mann, beide nicht älter als 30 Jahre, gut gelaunt und sehr freundlich. Die Mayonaise ist hausgemacht, die BBQ-Sauce leider nicht und man hat die Wahl aus drei Brötchensorten. Es gibt eine angenehm kleine Auswahl an Burgern, ein vegetarischer ist dabei, einer mit Fisch und einer mit Pulled Pork.
Exkurs: Pulled Pork ist lange mariniertes Schweinefleisch (gerne Nacken), das sehr langsam (über zwölf Stunden und mehr), idealerweise in einem Smoker gegart wird und dadurch gleichsam auseinander fällt. Die zunehmende Verbreitung sogenannter Food Trucks, die gutes und gelegentlich ausgefallenes Essen auf die Hand anbieten, hat glücklicherweise auch zur stärkeren Verbreitung von Pulled Pork geführt. Probieren Sie es, Sie werden es nicht bereuen! Wenn Sie es nicht selbst machen wollen, schauen sie bei Bigstuff in der Kreuzberger Markthalle neun vorbei.
Die Burger waren gut. Ich habe gleich zwei gegessen. Aber sie sind auch völlig anders, als ich es von den Innenstadtläden gewohnt bin, die ich normalerweise besuche. Ich habe leider noch nicht rausgefunden, wie ich den Unterschied sinnvoll formulieren kann, so dass ich leider, leider gezwungen bin, nochmal hinzufahren, um mich mit noch mehr guten Burgern vollzufuttern für die Leserschaft dieses Blogs zu opfern. Wind ist ja öfter mal.
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ACHWAS?!
da steig ich seit Jahren vom M11-Bus auf die S-Bahn Lichterfelde-West um (& vice versa), kaufe für ein Euro am Süsswaren-Automaten eins der gelben Kultur-Bücher, schüttel den Kopf über serh kindlich-doofe Kugelschreiberkritzeleien auf der Reklameposterwand, besuche auch mal ‘ne Ausstellung im ehemaligen Bahnhofshaus und schau mir manchmal sogar die Kaninchen im Garten der Gaststätte an… aber dass da im Keller des Bahnhofs ein Restaurant ist, darauf wär’ ich nie gekommen (und hab’ auch noch nie einen Hinweis darauf gesehen).
Und die Burger waren echt gut. Nicht weltbewegend, aber echt gut.
Innenstadt, Innenstädte
Sie streiften das Thema schon einmal anlässlich Ihres Ausflugs nach Mariendorf, aber ich glaube so oft wie diesmal war noch nie von Innenstadt die Rede. Wo ist eigentlich die Innenstadt von Berlin? Wirklich alles innerhalb des S-Bahn-Rings? Oder hat Berlin viele Innenstädte? Und gibt es davon auch welche außerhalb des Rings, z.B. in Spandau und Köpenick?
Ich wohne seit über 10 Jahren in Berlin und bin noch zu keiner endgültigen Meinung gelangt. Was mir aber auffiel: Den in anderen deutschen Großstädten geläufigen Begriff “in die Stadt fahren” für “in die Innenstadt fahren” gibt es Berlin praktisch nicht.
Den Begriff “in die Stadt fahren” habe ich in Berlin bisher auch nur in Spandau gehört – und damit war dann allerdings auch die Spandauer Altstadt gemeint.
“Innenstadt” ist vermutlich wirklich Standortabhängig. Grundsätzlich zähle ich alles innerhalb des S-Bahn-Ringes dazu. Bezogen auf Gastronomie funktioniert das eigentlich auch recht zuverlässig. Außer vielleicht oben im Wedding.
burger?
welche burgerkombinationen hast du dort probiert?
Den Cheeseburger und den mit Pulled Pork.
Aber jetzt mal unabhängig von der Gastronomie
sind doch die Gegenden um das Thälmann-Denkmal oder den Wilmersdorfer Volkspark herum oder selbst das Tempelhofer Feld doch nicht das, was man sich unter einen Innenstadt vorstellt, oder?
Die Spandauer sehen sich ja auch als Bewohner einer anderen Großstadt. Von daher ist Ihre Beobachtung eine volle Bestätigung.
THF ist sicher nicht typisch Innenstadt, aber das ist der Tiergarten ja letztlich auch nicht. Drumherum ist aber jeweils viel Infrastruktur. Ich glaube, ich mache es letztlich wirklich daran fest, wie die Versorgungssituation ist.
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“In die Stadt fahren” habe ich schon des öfteren Freunde aus Friedrichshagen sagen hören 🙂
Die meinen damit alles innerhalb des Rings , oder vielleicht sogar qestlich des Ostkreuzes
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Als noch in den letzten Tages des Krieges in Berlin geborenerer und immmer noch hier lebender kann ich bestätigen, dass man in Kreuzberg und Neukölln durchaus “in die Stadt fahren” gesagt hat, wenn das wirklich mal bevor stand. Dabei fing hinter’m Halleschen Tor doch schon die (einst) schicke Friedrichstraße des alten Zentrums (“Mitte”) an.
“In die Stadt fahren” war entweder mit der U-Bahn in das “alte” Zentrum (um den Alex, Friedrichstraße) …oder mit dem 19er Bus in das “neue”: Tauentzien, Kudamm, Kantstraße und Nebenstraßen.
Noch heute sag’ ich “in die Stadt fahren”, wenn ich aus Lankwitz/Lichterfelde kommend zur Knesebeckstraße will. Dto. meine Gattin, seit 2002 in Berlin.
Der S-Bahn-Ring oder seine “Grenze” war uns egal; das man sich daran orientieren kann, hab’ ich erst Jahrzehnte später gehört: Als all die Westdeutschen Berlin überfluteten und vor allem, als es bei uns Westberlinern wieder p.c. war, die S-Bahn zu benutzen. Bis Ende ’89 war die ja offiziell bah
In die Stadt
Als geborener und gebürtiger Berliner kenne ich den Begriff schon seit langem, gefühlt seit ewig.
“In die Stadt fahren” hieß und heißt vor allem “zieh Dir was Sauberes an, das ist jetzt nicht nur umme Ecke”, in zweiter Näherung heißt es aber, dahin zu fahren, wo was los ist, wo man einkaufen gehen kann oder ins Theater oder Konzert (wobei, für Erbsenzähler, man natürlich auch im Schloßpark-Theater in Steglitz ins Theater gehen kann, das aber nie als “in die Stadt fahren” bezeichnen würde) – also zumeist ins Zentrum der Stadt, grob geschätzt die Linse zwischen Bf. Zoo und Alex.
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Für Steglitz-Zehlendorf gilt:
“In die Stadt” = Schloßstr.
“Nach Berlin” = Kudamm
Smiley
Ich wohn’ im Bezirk “Steglitz-Zehlendorf” und ich hab’ noch nie “nach Berlin” gesagt, wenn ich hier bin und in andere Teile von Berlin wollte. Was anderes, wenn ich auf Tournee Jottwedeh war, irgendwo in D. oder Europa, da redete man dann von “Berlin” und nicht von der “Stadt”.
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Ich vermute, es ist – wie so vieles – eine Altersfrage. Oder noch simpler: jeder nach seiner Fassong (cit. irgendeines Friedrichs).
Da freue ich mich aber,
ein so vielstimmiges Echo dazu hervorgerufen zu haben, ob der Berliner überhaupt in die Stadt fährt und wo das bejahendenfalls ist.
@kdm Nicht nur, dass S-Bahn-Fahren bis 1989 politisch inkorrekt war, auf dem Westteil des S-Bahn-Rings war es schon seit 1980 gar nicht mehr möglich, und dadurch ließ bestimmt auch die Orientierungswirkung des S-Bahn-Rings stark nach.
@Gast Dass ausgerechnet in Steglitz, der vor dem Groß-Berlin-Gesetz größten Landgemeinde Preußens, “in die Sadt fahren” bedeutet, ins Steglitzer Zentrum zu fahren, finde ich sehr lustig.
In die Stadt ist hier ja auch schwierig
Bei “in die Stadt fahren” geht es schlussendlich ums Einkaufen, um den Ort, wo man möglichst viel von den gewünschten Dingen erhalten wird. Im Gegensatz zu anderen Städten hat Berlin jedoch kein typisches Zentrum, wo man Karstadt, Kaufhof & Co samt vieler kleiner Läden vorfinden kann. Zum einen durch die frühere Trennung, zum anderen jedoch auch durch seine Größe, die dafür sorgte, dass es viele kleine Zentren gibt, die jedes für sich durchaus viele Bedürfnisse befriedigen.
Entsprechend dürfte das Ganze mehr eine Frage dessen sein: Wo werden meine immer wieder kehrenden Belange erfüllt? Bei Stadtteilen am Rande von Berlin wird man jedoch nicht von “in” die Stadt reden – so dass der Ring durchaus eine ungefähre Orientierung bieten kann, und darin aber dann eben je nach Bedürfnis der Teil, in dem man das finden wird, was man benötigt: Klamottenläden, Schuhläden, Hobbybedarf, Theater,…