So ganz weiß ich ja auch nicht, was das ist, das diesen großen Minion-Hype ausmacht. Als ich 2013 zum ersten Mal ein Werbeprodukt aus der Minion-Welt in der Hand hielt, da wusste ich damit noch gar nichts anzufangen. Es war ein Lila Crazy Minion aus dem zweiten Teil von „Dispicable Me“ und mein Sohn hatte es als Beilage zu einem Kindermenü in einer Fastfoodkette erhalten, wo wir eingekehrt waren, als wir in jenem Sommer auf dem Weg in die Berge waren. „Was für ein hässliches Teil“, hatte ich damals noch gedacht und so flog es wie vieler anderer Unrat auch, den man so in Fastfoodketten oder Überraschungseiern übergeholfen bekommt, herum.

Es ist eigentlich ein Wunder, dass es nicht längst im Müll gelandet war, als ich zum ersten Mal selbst in den Hype einstimmte. Das war mehr als ein halbes Jahr später und normalerweise bin ich recht gnadenlos, was das Verschwindenlassen von Krimskrams, Selbstgebasteltem und Weihnachts- / Osterschokolade angeht. Ja – auch Selbstgebasteltes. Das verstehen vermutlich nur Eltern, aber es gibt so unglaublich viel Gebasteltes und Gemaltes, das die Kinder entwerfen und anschleppen, man muss da einfach die Hälfte verschwinden lassen, sonst endet man als Messie und dann ist es dem Jugendamt auch wieder nicht Recht. Außerdem: Wie wichtig kann etwas gewesen sein, dessen Verschwinden nicht einmal bemerkt wird?

Ein halbes Jahr nach dem regulären Bergurlaub brauchte das Töchterchen die Berge. Dringend. So besuchten wir einen Freund mit Wohnung an See und Berg. Er ist selbst kinderlos und darauf auch irgendwie stolz. Obwohl – vielleicht ist das falsch ausgedrückt – vielleicht ist er einfach nur froh. Denn Kinder sind heutzutage ziemlich anders drauf, als zu seiner Kindheit noch und das macht ihm manchmal sehr zu schaffen. Sie sind laut, essen nicht, was auf den Tisch kommt und solche Sachen. Aber obwohl er mit Kindern kaum etwas anfangen kann, und obwohl er lieber Bücher schmökert und sich eher eine Hand abhacken lassen würde, als fernsehen anzuschalten, war er es, der im Gegensatz zu mir die Minions kannte und mich (und Töchterchen) mit einem kurzen Filmchen anfixte, in dem die Minions um eine Banane streiten – wobei sie am Ende alles in die Luft jagen.
Daraufhin saßen wir zu dritt in der Wohnung am See und guckten auf meinem iPad den kompletten ersten Teil von „Ich, einfach unverbesserlich“ und seitdem bin auch ich dabei. Und ich bin keinesfalls alleine.

„Befreundeten“ Netzeltern (ich setze das nur deswegen in Klammern, weil ich manche von denen noch nie in echt gesehen habe und wir nur im Internet einander verfolgen oder eben auf Facebook „befreundet“ sind; für manche allerdings würde ich mittlerweile die Anführungszeichen weglassen) geht es offenbar ähnlich. Viele haben in den letzten Monaten die Trailer des anstehenden, am 02. Juli in die Kinos kommenden Minions-Films geteilt. Alle mit sehr viel Herzklopfen, „Quiek“ und so. Es ist ein bisschen wie damals, als es hieß, dass die Backstreet Boys im Maritim-Hotel in Bad Mergentheim nächtigen würden und wir total aus dem Häuschen waren. Es ist ohnehin ein bisschen wie das Fandom von damals. Man ist so begeistert und kann es nicht abwarten, man steigert sich echt ein bisschen rein. Und wie geil ist das, dass man dabei nicht alleine ist?!
„Wenn Mädchen kreischen, sind sie Mädchen“, es ist ein Ritual, das eine Gruppe zusammenschweißt – und so könnte man vielleicht sagen: Die Miniomanie unter uns Eltern hat eine ähnliche Funktion. Es schweißt uns zusammen. Untereinander, aber auch mit unseren Kindern. Es ist ja nicht ganz soooo oft, dass wir etwas genauso geil finden, wie die. Nehmen wir einmal „Bibi und Tina“. Die Kinder stehen drauf wie nix Gutes, mir jedoch bereitet es immer ein bisschen Schmerzen, wenn sie das gucken wollen und ich versuche dann, mit „Wickie und die starken Männer“ oder mit „Fritz Fuchs“ dagegenzuhalten. Meistens lässt sich der Wunsch nach Bibi damit aber nur aufschieben, nie loswerden und was seufze ich und was seufzen alle Eltern mit mir, was diese Serie angeht. Oder nehmen wir die Eiskönigin. Das war 2014 das Kinderverkaufsprodukt schlechthin – Elsa hat Barbie aber mal richtig gezeigt, wo der Hammer im Kinderzimmer hängt. Aber richtig! Doch ernsthaft: Wir Eltern leiden unter Elsa genauso wie unter Barbie. Ich habe ja das große Glück, dass meine Tochter einmal befunden hat, sie fände Lilo & Stitch genauso toll, wie die Eiskönigin! Das ist so super! Schwein gehabt!

Es ist also nicht so oft, dass wir Eltern und die Kindern in einen Hype gleichsam einschwingen. Was wir ganz superdupergroßartig, pädagogischwertvoll und endlichmalsinnvoll finden, das muss noch lange nicht bei denen zünden. Und umgekehrt. Aber die Minions: Da sitzen wir alle gemeinsam da und lachen uns schlapp. An denen stimmt halt auch alles: Sie sind gelb (hat bei den Simpsons schon sehr gut hingehauen). Sie sind gierig, sie lieben Bösewichte und sie denken ihre Pläne oft nicht ganz bis zu Ende (weswegen sie Bösewichte, die ihnen vorgeben wo’s langgeht, am meisten lieben). Sie verkörpern in einer braven Welt, in der man immer teilen soll und in der man jede Online-Petition gegen Waffenlieferungen unterschreibt und darüber auf Facebook postet, weil das die weiche Währung Anerkennung befördert, etwas, das wir trotz aller Bionade-Biedermeier eben auch vermissen: Das fiese, verrückte, egozentrisch-kindische Verhalten eines Zweijährigen, der Spaß dabei hat, anderer Kinder Dinge kaputt zu machen, ohne Bewusstsein genug für ein schlechtes Gewissen zu haben. Sie sind besserwisserisch, haben eine stark mangelnde Impulskontrolle und das Beste: Sie reden in einer Sprache, die man nur fragmentarisch versteht. Allein das liefert natürlich Stoff für jede Menge Nerds, die sich reinfilmen können und mit Sicherheit auch anfangen, diese Sprache selbst zu reden (Feila nobif wadspa a translator!), wenn sie sich treffen und Paninibilder austauschen. Oder so.

Und seien wir ehrlich: Die Vermarktung ist halt einfach ziemlich gelungen. Hut ab – da hat sich jemand Mühe gegeben und Glückwunsch, dass man offenbar keine Kosten scheuen braucht. So zu sehen an jener temporären Berliner U-Bahn-Haltestelle namens „Miniondamm“. Die Leute steigen aus den Bahnen und bekamen am gestrigen Freitag eine echt schlechte Nachricht: Die U6 verkehrte einfach nicht zwischen Platz der Luftbrücke und Kochstraße. Wegen eines Polizeieinsatzes. Eigentlich wäre miese Laune angesagt gewesen, die Ewigmotzenden hätten auf den Plan treten müssen und ihrem Alltagsfrust endlich wieder Luft machen können – endlich wieder ein Ventil! Yay! Aber es ging einfach nicht: Wer am Miniondamm ausstieg, der konnte nicht mehr sauer sein. Alles war okkupiert, alles! Überall Glubschaugen in gelben Eierköppen, überall Witze, Verballhornungen (Minion-Napoleon oder Steinzeitminions; sogar verminionisierte Kunstgemälde gab es! Und wissen Sie, was das Erstaunlichste ist: Word streicht mir das Wort „verminionisiert“ nicht als Fehler an! So weit ist der Hype schon gekommen!).

Leute fotografierten die Treppen, Leute machten Selfies mit den gelben Gestalten. Kinder fragten ihre Eltern, warum die überall sind. Man schlenderte fröhlich zum Schienenersatzverkehr, denn auf dem Weg gab es so viel zu entdecken, dass man eben nicht anders konnte, als wenigstens ein bisschen zu grinsen. Am Mehringdamm findet man dann auch die Erklärung für den großen Erfolg: Es bringt so irre viele Menschen zum Lachen, wie sonst selten etwas.
Gute (Werbe-) Aktion
Die Stimmung an der Station ist wirklich schön – alle zeigen auf die Minion-Bilder, fotografieren sich davor und daneben und haben einfach gute Laune.