Berlin ABC

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Wir fahren durch die Hauptstadt

Tempelhof nochmal links raus (und Schluss)

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Wenn man also links rausgeht aus dem Bahnhof Tempelhof, kommt man an Imbissbuden, einem Blumenladen, einer Dreckschleuder und einem Frisör vorbei, bevor man – immer noch linkerhand in der räudigen Ladenzeile – auf ein Eiscafé trifft, in dem ich erst ein einziges Mal ein Eis gekauft habe. Bedient wurde ich von einem sehr unfreundlichen Mann.

tempelhof_eingang

Was der Eisladen hier taugt, kann ich also nicht beurteilen. Es werden dort auch Waffeln feilgeboten. Ich habe eine Schwäche für Waffeln, aber selbst die hat es noch nicht geschafft, mich nochmal in den Laden zu führen, denn dessen Personal sieht immer so schlecht gelaunt aus, wie der Mann gewesen zu sein scheint, der mir pampig das Eis verkauft hatte. Das ist irgendwie schade, aber erstens habe ich selbst vier Waffeleisen daheim und zweitens lieber laufe ich dann ein paar Minuten weiter in die andere Richtung, zu einem anderen Eisladen, in dem die Menschen nett zu mir sind. Aber was braucht der auch mich als Kunden?! Gegenüber ist der Eingang zum Tempelhofer Feld und von dort kommt vermutlich schon genug Kundschaft rübergelaufen. Vor ein paar Jahren hätte ich beinahe mal einen Eisladen eröffnet und eine meiner Begründungen, einen solchen Schritt zu wagen, lautete: “Niemand hasst den Eismann”. Ich bin nicht sicher, ob das auf den am Bahnhof Tempelhof auch so zutrifft. Aber immerhin hat er die Zeichen erkannt und lädt auch die Veganer ein, sich mal schlecht behandeln zu lassen.

tempelhof_parkeingang

Wer vom Felde kommt, hat außerdem noch zwei weitere Möglichkeiten, sich mit zubereiteten Nahrungsmittel versorgen zu lassen. Neben dem Eisladen ist ein italienisches Restaurant, die “Trattoria Toscana”, die ein Freund mal als “hervorragenden Stadteilitaliener” bezeichnet hatte. Ich stimme ihm zu. Allerdings hat die Trattoria ihre Soßen gelegentlich nicht im Griff und die Standard-Fleischgerichte sind meist etwas langweilig. Aber die jeweiligen Empfehlungen (vorne in der Speisekarte) und die Pizzen sind wirklich sehr gut – und werden von sehr unterhaltsamem Personal gereicht. Gemessen daran, wie schwierig es auch 2015 noch ist, einen guten Italiener in Berlin zu finden (schlechte gibt’s an jeder Ecke), ist die Trattoria eine sehr gute Empfehlung. Ein Stück weiter hat vor drei Jahren ein indisches Restaurant namens “Mahatma” eröffnet. Gute indische Restaurants sind in Berlin noch rarer als gute italienische (schwieriger scheinen mir nur griechische zu sein – aber auch erst, seitdem ich kürzlich zum ersten Mal in Griechenland war und feststellen musste, dass ich erst ein- oder zweimal im Leben wirklich griechisches Essen in einem griechischen Restaurant in Deutschland bekommen habe), so dass man schon zufrieden sein, wenn man einen durchschnittlichen Inder gefunden hat. Das Mahatma ist so einer. Bis auf das Biryani, das finde ich sogar sehr gut – auch wenn es nicht automatisch Joghurt dazu gibt. Muss aber auch nicht, ich mag das halt bloß gerne. Auch hier ist das Personal sehr freundlich, die Preise sind erstaunlich niedrig und weil anscheinend ja immer irgendwas irgendwie negativ auffällig sein muss, verweise ich auf die etwas ungemütlich Möblierung. Aber die würde mich nicht daran hindern, dort essen zu gehen.

Wer sich lieber was auf die Hand holen will, findet um die Ecke noch den am schlechtesten sortierten Aldi, den ich kenne. Davor sitzt gelegentlich Andi und schnorrt und auf dessen Parkplatz sich die Mitfahrgelegenheitsanbieter und -reisenden treffen, so dass man immer mal wieder verloren aussehende Jugendliche und junge Erwachsene in Trendkleidung dort herumlungern sieht. Ich glaube, Max Goldt hat mal gesagt, dass es keinen traurigeren Anblick gäbe, als einzelne Jugendliche in Trendkleidung, die in der Fußgängerzone auf Gleichgesinnte warten. Ich denke, er hat Recht.

tempelhof_feld

Überhaupt: Das Tempelhofer Feld. Hier am Bahnhof Tempelhof liegt einer der Eingänge zu dieser Brachfläche, die gleichzeitig den höchsten Freizeitwert bietet, den ich je in einer Stadt erlebt habe. Man mag einwenden, dass es reichlich bescheuert ist, eine solche innerstädtische Fläche nicht zu bebauen, wie es mal angedacht war, in einem Volksentscheid aber abgelehnt wurde – wer aber lange genug in Berlin lebt und mitbekommt, was Feierabendparlament und Bezirke dieses failed State den ganzen Tag so treiben oder auch nicht, traut hiesigen Politkern kaum noch zu, sich überhaupt ohne fremde Hilfe auch nur eine Stulle schmieren zu können, geschweige denn Großprojekte in einer solchen Weise durchzuführen, dass sie nicht wahlweise komplett in die Hose gehen, oder nur zugunsten einiger gut vernetzter (haha) Investoren erfolgreich sind.

Also Brachfläche. Aber eine, die nie wirklich voll zu werden scheint, selbst wenn Wochenende und Kaiserwetter ist. Einzig das, als Sport gemeinte, kontemplative Fahrradfahren auf der Kreisbahn ist nicht zu empfehlen, wenn zu viele Menschen auf der Brache sind. Die Statistik sorgt dann nämlich dafür, dass hier dieselbe Idiotie zu herrschen beginnt, wie auch auf den übrigen Straßen Berlins und man Gefahr läuft, unachtsame Fußgänger über den Haufen zu fahren. Aber man kann sich ja drauf einstellen. Worauf ich mich nicht wirklich einzustellen vermag und was ich sogar verbieten würde, ist das Grillen. Das möchte ich in keinem innerstädtischen Park haben, denn es bleibt stets zu viel Müll zurück und die Rauschwaden aus zig bis hunderten (es gibt drei große Grillflächen auf THF) Kohlefeuern und der entsprechende Geruch tragen auch nicht unbedingt dazu bei, die Umgebung zu einem angenehmen Aufenthaltsort zu machen. Aber für sowas braucht man Kraft. Und das ist leider genau das, wovon Berlins Politik und Verwaltung viel zu wenig haben (s.o.). So lange es also erlaubt ist und so lange es nicht zu voll ist, gehen wir gelegentlich dort Grillen, denn auf THF macht es dummerweise einen Heidenspaß – und ich weiß gar nicht so genau, warum. Vielleicht wegen des Weitblicks. Der fehlt mir ja gelegentlich.

 


7 Lesermeinungen

  1. Marcus Jacob-Engel sagt:

    Lustig.
    In dem aktuellen Blog vom Kollegen Don Alphonso wird Berlin auch als “failed state” bezeichnet. Allerdings bin ich der Meinung, dass nur Sie das Recht dazu haben, da Sie meiner Meinung nach keinen Destruktionsphantasien nachhängen. Und Sie sind gebürtiger Kölner. Im übrigen trifft der Begriff zu, besonders im Zusammenhang mit diesem unsäglichen Volksentscheid. Aber wir werden sehen, wo denn das Land die künftig nötigen vielen tausend Wohnungen bauen möchte, wenn nicht auf den Geländen ehemaliger Flughäfen.

    • Holger Klein sagt:

      Den “failed state” habe ich allerdings auch Christopher Lauer geklaut. Der hat den in einem (oder mehreren) der zig Gespräche benutzt, die ich für meinen Podcast mit ihm hatte.

      Ich finde ja den Lösungsvorschlag von Martin Delius am besten: BER als Flughafen aufgeben und zur Messe umbauen, dann die alte Messe in Charlottenburg abreissen und auf das Gelände ein neues Wohnquartier bauen. Der Abriss von ein paar Hallen dürfte kein allzugroßer Akt sein und das Gelände hat den Vorteil, dass Ver- und Entsorgung schon flächendeckend bereitstehen. Aber für solche Schritte braucht es eben auch wieder diese Kraft, die hiesigen Politikern leider völlig fehl.

  2. tucaram sagt:

    Unsäglicher Volksentscheid ?
    Das muss man sich erstmal trauen, eine derartige Brache mitten in der Stadt zu belassen und diese (huch!) dem Pöbel zu belassen und nicht etwa den Profitgeiern. In London und Paris wäre dies unmöglich, drum hat der Pöbel dort auch nicht einmal ein Viertel der in Berlin zur Verfügung stehenden Ausflug- und Freiflächen. Und (wow !) es gibt in Berlin derartig viel und vor allem bezahlbaren Wohnraum, ganz anders als in London, Paris (oder Hamburg und München), so dass ganz einfache Leute in der Stadt leben können (zB. Polizisten oder Krankenschwestern). Komisch, komisch, dass der “failed state” beides zu Wege bringt. Und nächstes Mal geht der Autor zum Gleisdreieick um sich ein neues Bespiel für “verschwendeten Raum” anzusehen…

    • Holger Klein sagt:

      Und was genau ist jetzt dein Problem?

    • Jacobengel sagt:

      ich helfe mal
      Ich glaube, da geht es etwas Durcheinander bei ihnen. Ich habe nichts von “verschwendetem Raum” erzählt, das haben Sie ganz allein unterstellt. Der Volxentscheid ist deswegen unsäglich, weil er die linksliberale Meinungselite im Großraum Kreuzberg-Tempelhof entlarvt. MEINE Brache. ICH wohne hier. Berlin braucht Wohnraum? Not in my backyard! Es sollte übrigens nur ein Bruchteil der Brache bebaut werden. Und zum Park am Gleisdreieck: Da wird für viel Geld ein sehr schöner Park für die Anwohner (und für mich, ich bin gerade mit dem Fahrrad durch) geschaffen. UND es wird, an der nördlichen Spitze, Wohnraum geschaffen. Am Mehringdamm hingegen regt sich Widerstand der Locals gegen eine Bebauung. Klar, war ja auch so schön hier, als alles für mich alleine da war.
      .
      Vorschlag zur Güte: Wir sind dankbar, dass wir in Berlin Parks und Freiflächen wie keine andere Großstadt der Welt (außer Kopenhagen) haben und wir denken aber bitte auch mal an diejenigen, die noch keine Wohnung i

  3. blu_frisbee sagt:

    Kälteinsel bei Klimaerwärmung
    Bei der kommenden Klimaerwärmung wird ein unbebautes Tempelhofer Feld eine wichtige Kälteinsel sein. Der Berliner Politik mußte dringend eine Denkpause verordnet werden. Das Argument für Wohnungen ist verlogen. Erstens, weil nur 5000 Wohnungen geplant waren, aber ein zigfaches davon fehlen, eine Bebauung mithin (fast) nix am Problem ändert. Zweitens, weils teure Wohnungen gewesen wären aber billige fehlen und die trickle down Theorie empirisch falsch ist. Die falschen “Argumente” werden durch Wiederholung nicht richtig.

  4. Stefan sagt:

    Zum Volksentscheid Tempelhofer Feld
    @Marcus Jacob Engel:
    Der Volksentscheid wurde nicht durch die Anwohner des Tempelhofer Feldes entschieden: der SPD-CDU-Senat hatte es in seiner Ignoranz von berechtigter Kritik geschafft, die ganze Stadt gegen sich aufzubringen: selbst in Spandau und Marzahn war die Mehrheit gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes in der vom Senat geplanten Version!!

    Nein, der Volksentscheid ist, wenn überhaupt, ein Beweis für das Misstrauen der Berliner Wählerschaft gegen ihre Regierung!
    … und nur in Berin schafft es der so abgestrafte senator ein halbes Jahr später Regierungschef zu werden…

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