Berlin ABC

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Wir fahren durch die Hauptstadt

Plänterwald

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Ich steige oft am Ostkreuz in die Ringbahn. Jedenfalls bemühe ich mich immer brav, das zu machen, wenn ich nachhause, nach Tempelhof will. Wenn man unachtsam ist, kann es einem allerdings passieren, dass man in die S8 einsteigt, die am Treptower Park die Ringbahn verlässt und Richtung Zeuthen fährt. Genau das ist mir neulich mal wieder passiert – und ich habe die Gelegenheit genutzt, am Plänterwald auszusteigen.

plaenterwald_bahnhof

Der Bahnhof Plänterwald ist die Station, über die man den verlassenen Vergnügungspark „Spreepark“ erreicht, der seit einem Jahrzehnt im Plänterwäld vor sich hingammelt. Die Geschichte des Spreeparks ist einer von denen, die dazu geeignet ist, die Verachtung, die man für Berliner Politiker und Teile der Exekutive möglicherweise sowieso schon übrig hat, noch weiter zu steigern.

Der Spreepark war der einzige Vergnügungspark der DDR und wurde 1969 unter dem Namen „Kulturpark“ eröffnet – gerade so, als dürfe man im Sozialismus der kleinbürgerlichen Spießerfunktionäre keinen Spaß haben (so sahen die ja irgendwie auch immer aus, die Typen). In der Bundesrepublik darf man Spaß haben, muss darauf aber Steuern zahlen. Vermutlich, damit die Leute nicht zu viel Spaß haben.

Der Kulturpark darf nicht mit vollintegrierten Parks, wie beispielsweise dem Phantasialand, in dessen Nähe ich aufgewachsen bin, verglichen werden, sondern hatte eher die Anmutung einer Kirmes mit Fahrgeschäften und Buden, die auf einer Asphaltfläche abgestellt wurden.

plaenterwald_eingang_spreepark

Nach der Wende wurde der Kulturpark als Spreepark weiterbetrieben. Pächter damals war Norbert Witte, ein Schausteller, der es aber nicht geschafft hatte, den Park gewinnbringend zu betreiben, so dass er 2002 geschlossen wurde. Witte hatte damals sechs Fahrgeschäfte eingepackt und sich nach Lima, Peru abgesetzt, um dort einen weiteren Versuch als Freizeitparkbetreiber zu starten. Zwei Jahre später wurde er dabei erwischt, wie er versucht hatte, 167 Kilo Kokain in einem der Fahrgeschäfte nach Deutschland zu schmuggeln. Norbert Witte kam in Deutschland, sein Sohn in Peru ins Gefängnis, der Spreepark gammelte weiter vor sich hin.

plaenterwald_riesenrad

Bis heute gab es reichlich Versuche, auf dem Gelände wieder einen Freizeitpark zu betreiben, die aber alle nicht erfolgreich waren. Sei es, weil der Senat oder der Bezirk sich quergestellt haben oder weil Investoren mehr versprochen haben, als sie am Ende halten konnten (auch so eine endlose Geschichte in Berlin). Immerhin die kleine Eisenbahn ist ein paar Jahre lang am Wochenende im Kreis gefahren.

Das Gelände gehört seit fast zwei Jahren wieder dem Land Berlin, das aber nicht Willens oder in der Lage zu sein scheint, es in irgendeiner Weise zu entwickeln. Außer Gerüchten ist jedenfalls nichts zu hören. Ehrlich gesagt, finde ich das zum Kotzen. Bevor man eine solche Perle komplett verschimmeln lässt, soll man meinetwegen halt ein Wohnquartier dorthin stellen, dann haben wenigstens einige Menschen etwas davon. So wie es derzeit ist, ist jedenfalls erbärmlich für alle Beteiligten.

plaenterwald_eierhaus

Am Rande des Vergnügungsparks steht das Eierhäuschen, ein – ebenfalls vergammelndes – ehemaliges Ausflugslokal aus dem 19. Jahrhundert (da lag der Plänterwald noch am Stadtrand), das sogar in einer Geschichte der alten Labertasche Theodor Fontane vorkommt. Über Berliner Ausflugslokale muss ich auch irgendwann nochmal schreiben (Zenner, Tanzen!). Als ich dort war, stand immerhin ein Bauschild vor dem Haus, so dass ein wenig Hoffnung besteht, hier könnte wieder etwas Angenehmes entstehen. Denn ehrlich: auf Spaziergängen im Plänterwald und an der Spree entlang (sehr schöne Strecke!) fehlt eindeutig ein schönes Lokal zum Einkehren. Geplanter Termin für die Fertigstellung der Sanierung ist Mitte 2018. Was das in Berlin bedeuten kann, sieht man ganz gut an solchen Bauten wie dem Flughafen BER. Das Eierhäuschen hat übrigens auch Norbert Witte auf dem Gewissen, dessen Hintergrund vom Senat nie wirklich überprüft worden zu sein scheint, bevor man ihm das Millionenobjekt Spreepark anvertraute. Nachtigall, ick hör dir trapsen…

Ich könnte jetzt noch endlos vom Spreepark schreiben, aber das hat glücklicherweise ein wundervoller Berliner Freizeitpark-Nerd schon vor Jahren begonnen und scheint auch nicht damit aufhören zu wollen. Werfen Sie einen Blick auf seine Webseite! Aber bringen Sie ein wenig Zeit mit, denn dort kann man sich ganz herrlich verlieren.

Im Internet ist eine 90-Minütige Dokumentation über Familie Witte und den Spreepark zu finden, die 2011 auf arte lief. Darin sind einige alte Aufnahmen aus dem „Kulturpark“ und aus der Zeit nach der Wende zu sehen, als der Park noch in Betrieb war. Außerdem ist Youtube voller Filme und Flickr voller Fotos von Leuten, die das Gelände betreten konnten – allerdings erst, als es schon längst weitestgehend brach lag. Wer den Park und seine Geschichte lieber hören mag: Die Kollegen vom Küchenradio haben sich zweieinhalb Stunden lang über das Gelände führen lassen.

Ich wäre ja auch so manches Mal schon gerne über den Zaun geklettert, um mir im Spreepark die Seele aus dem Leib zu fotografieren – aber wie Sie sich bestimmt schon gedacht haben, bin ich dazu viel zu feige.

plaenterwald_dino

P.S.: Im Plänterwald liegen Dinosaurier herum. Mir sind Gerüchte zu Ohren gekommen, dass diese Tiere vom ehemaligen Verteidigungsminister Guttenberg eigenhändig erlegt worden seien. Der war nicht zu feige.


5 Lesermeinungen

    • Holger Klein sagt:

      > Nun meldet die Stadt Berlin, dass der Spreepark bereits 2016 wieder öffnen könnte.

      “Könnte”…

  1. Tarifkenner sagt:

    Schön, ABER
    Sehr schöner und wahrer Artikel. Was ich überhaupt nicht verstehe: Warum man nicht einfach die Vergnügungshinterlassenschaften wegräumt? Dann müsste man das Gelände ja gar nicht großartig entwickeln, es wäre dann einfach die Fortsetzung des Treptower Uferparks. Das Wegräumen der umgekippten Dinosaurier etc. wäre vermutlich nicht teurer als der bloße Leerlauf am BER für einen Monat – also ohne eine einzige Schraube Baufortschritt.

    Aber: Fontane als Labertasche zu bezeichnen finde ich – einrechnend, dass Sie es nicht ganz ernst gemeint haben – dann doch etwas zu despektierlich. Der Mann hatte berlinmäßig den absoluten Durchblick und seine überaus prägnanten Feststellungen sind nicht nur treffend, sondern wirken auch brandaktuell: Etwa seine Beobachtung, dass in Berlin die Nachbarschaft von Schwaben ein Umzugsgrund ist, oder die Beschreibung, der Wedding sei durch die Abwesenheit alles Schönen gekennzeichnet.

    • Holger Klein sagt:

      Ich habe, als ich vor vielen Jahren nach Berlin zog, die Wanderungen durch die Mark Brandenburg gelesen und wäre fast wahnsinnig geworden. Daher die Labertasche 😉

      Was können Sie denn von ihm empfehlen? Man ja soll ja immer mehrere Chancen geben.

  2. Tarifkenner sagt:

    Fontane-Tipps
    Ich fühle bis zur Mulmigkeit geehrt, dass Sie mich nach Fontane-Tipps fragen. Ich bin da kein großer Spezialist. Die Aussage “Ich habe die Wanderungen durch die Mark Brandenburg angefangen und nach 150 Seiten entnervt aufgehört” habe ich allerdings schon mehrfach gehört. Ich habe die fünf Bände auch nicht von vorn bis hinten gelesen. Und ich wüsste auch nicht, warum ich das tun sollte. Fontane hat diese Reisefeuilletons ja auch praktisch in der gesamten zweiten Hälfte seines Lebens geschrieben und veröffentlicht und erst dann zwischen fünf Mal zwei Buchdeckel gebracht. Ich lese einfach immer dann ein Kapitel, wenn ich das entsprechende Ziel besuche. Die harsche Wedding-Kritik stammt übrigens aus der Beschreibung des Humboldt-Schlösschens.
    Effi Briest und Meine Kinderjahre (um mal das bekannteste Werk und einen relativen Geheimtipp zu nennen) lässt sich schön parallel lesen. Aus ersterem stammt das Schwabenzitat, letzteres wirkt teils wie ein Plädoyer eines Alt-1968ers.

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