Ich stehe auf Alt-Tempelhof und halte meine Kamera hoch. „Was fotografieren Sie denn da?“, fragte eine Dame um die 50. „Das Schild“, antwortete ich. Darauf sie, leicht verschwörerisch: „Achso, ich dachte, die Streifen da oben am Himmel“ und ich: „Warum sollte ich denn bitteschön Kondensstreifen fotografieren?“.
Dabei habe ich geblickt, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank, was bei Menschen, die Kondensstreifen mit einer Hosentaschenkamera fotografieren, ja häufiger vorkommen soll, woraufhin sie weiter ihres Weges zog, ohne mich mit irgendwelchem „Chemtrail“-Schwachsinn vollzulabern. Glück gehabt. Einerseits. Andererseits habe ich jetzt eine Möglichkeit gefunden, solche Spinner aktiv anzuziehen, wenn ich mal ein wenig Spaß mit der Denkfaulheit meiner Mitmenschen haben möchte: Einfach mal Kondensstreifen fotografieren (und dabei vielleicht noch ein wenig paranoid aussehen).
Das Schild habe ich beim letzten Besuch hier einigermaßen ignoriert. Zwar wusste ich, dass es die kleine Kirche gibt, aber dass ein Schild auf sie hinweist, ist mir bisher entgangen. Guter Grund, dem Schilde zu folgen. Auf zur „alten Dorfkirche“ (der Italiener hatte sowieso noch zu), der größten Dorfkirche Berlins.
Ein wenig wie der Kölner Dom, den man auch nicht komplett auf ein einzelnes Bild bekommt – so sehr sich die Touristen auch bemühen, die man gelegentlich dabei beobachten kann, wie sie in der Burgmauer, gegenüber von Café Reichhard (gute Torten!), auf dem Bauch liegen und sich abmühen – ist auch die Dorfkirche kaum in Gänze fotografierbar. Im Winter, wenn die Bäume kein Laub mehr haben, funktioniert es halbwegs, während die Kirche im Sommer immer ein wenig verwunschen aussieht – was ja auch seinen Charme hat.
Die Dorfkirche steht am Rande des alten Parks, der Teil einer dreiteiligen Parkanlage aus altem Park, Lehnepark und Bosepark ist und sich zwischen Manteuffelstraße und Tempelhofer Damm entlangzieht (gleich auf Höhe des Rathauses). Um diese Parks herum wohnt es sich sehr schön, so dass ich mich einerseits immer ein wenig ärgere, meine Wohnung nicht einfach eine oder zwei UBahn-Stationen weiter stadtauswärts bezogen zu haben – was damals auch nicht teurer, vermutlich sogar billiger gewesen wäre – um nicht mehr fünf Minuten mit dem Fahrrad, sondern nur noch drei Minuten zu Fuß dorthin zu brauchen. Außerdem gibt es in der Parkstraße ein gemütliches Café mit lecker Kuchen unter Bäumen. Ja, was will ich denn mehr?! Andererseits amüsiere ich mich immer ein wenig über all die Leute, die heutzutage noch versuchen, irgendwo in der Innenstadt in ähnlich schöner Lage zu wohnen und sich darüber beschweren, dass dies ja kaum noch möglich, weil zu teuer oder zu voll (vor allem mit Touristen) sei. Mehr will ich über die Parks auch gar nicht sagen. Hinterher kommt noch jemand anderes außer mir auf die Idee, dorthin zu gehen. Und dann wäre ja der Geheimtipp weg.
Die kleine Dorfkirche hatte mich schon irgendwie verzaubert, als ich vor sechs Jahren in die Gegend gezogen bin. Dabei hab ich es eigentlich gar nicht sonderlich mit Sakralbauten – dafür aber anscheinend umso mehr mit Idylle und mit Sachen, die ein wenig mysteriös aussehen, wie eine Kirche hinter Bäumen. Umso erfreuter war ich, zu hören, dass die historischen Anfänge der Kirche einigermaßen im Dunkeln liegen. Anfang des 13. Jahrhunderts gründete der Templerorden hier seine Komturei und die Kirche gehörte sowohl dazu, wurde aber auch als Dorfkirche für Tempelhof selbst benutzt (was sie auch schon vor Ankunft der Templer gewesen sein könnte – vermuten jedenfalls die Archäologen). Die Templer wurden aufgelöst, weil sie sich nationaler Kontrolle entzogen, die Kirche ging an die Johanniter, brannte ab, wurde wieder aufgebaut, brannte im Krieg wieder ab, wurde Anfang der 1950er Jahre ordentlich restauriert, steht jetzt rum und sieht hübsch aus. Ich würde gerne mal reinschauen, aber leider ist das Gebäude bisher immer verschlossen gewesen. Angeblich ist sie regelmäßig Donnerstags von 14 bis 18 Uhr geöffnet, aber Donnerstags habe ich um diese Uhrzeit leider nie Zeit in die Kirche zu gehen. Aber immerhin gibt es ein Büchlein zu ihrer Geschichte, dass man für fünf Euro bei der Gemeinde oder für sechs im Buchhandel kaufen kann, und wie es sich für eine moderne Dorfkirche gehört, ist sie auch auf Facebook.
Es gibt übrigens noch die Legende eines unterirdischen Ganges der Tempelritter, die sich seit mindestens dem 19. Jahrhundert fast genauso hartnäckig hält, wie die Verschwörungstheorien um die Templer und deren vermeintliche Nachfolger, die Illuminaten. Womit wir wieder bei den Spinnern vom Anfang wären, in deren Wahnvorstellungen man sich ganz herrlich verlieren kann, wenn man einmal damit angefangen hat, über sie zu lesen. Man darf ihnen bloß nicht auf den Leim gehen und ebenfalls anfangen zu glauben, die Welt sei ein strukturierter Ort. Folgen Sie einfach dem Link zum Illuminatenorden und dann den Links im Wikipedia-Artikel (vor allem den Fußnoten). Schönes Wochenende!