Mal ehrlich: Die Rangliste unserer Lieblingsbiermarken zeichnet schon ein etwas erbärmliches Bild von uns Deutschen. Ganz oben stehen die Biere, die uns allabendlich mit Werbespots und schönen Bildern von grünen Wäldern, Seen, Segelschiffen und Bauchnabel eingetrichtert werden: Krombacher, Bitburger, Veltins und Beck’s. Wer selbst einmal mit einer entsprechenden Flasche in der Hand, im Fernsehen einen Werbespot ansehen musste, weiß, wie es sich anfühlt, in seiner Beeinflussbarkeit ertappt worden zu sein. Wo bleibt da der eigene Geschmack, muss man sich fragen. Und es kommt noch schlimmer: Das einzige Malzgetränk, das gegen diese Übermacht der Fernsehbiere noch ankommt, ist das Billigbier Oettinger. Dessen Hauptmerkmal: Das Preis-Dröhnungsverhältnis stimmt.
Also wie steht es um das deutsche Bier?Es ist dann doch Gelassenheit angeraten. Manche großen Marken schmecken zwar ähnlich, aber wer will, hat in Deutschland noch immer eine riesige Auswahl. Und Lob für die deutschen Biermarken kommt selbst von Ökotest. Als die Tester vor einigen Jahren deutsche Biere unter die Lupe nahmen, schnitten fast alle glänzend ab – egal ob Regionalbier oder die großen Premiummarken.
Klar ist, dass die Deutschen ihren eigenen Bieren treu bleiben. Zum ersten Mal seit zwölf Jahren hat im vergangenen Jahr die Marke Krombacher das Billigbier von Oettinger an der Spitze abgelöst, wie die neue Hitliste des Branchenmagazins „Inside Getränke“ zeigt. Dafür hat die Privatbrauerei aus Nordrhein-Westfalen mehr Geld für Werbung ausgegeben als jede andere in Deutschland – von knapp 60 Millionen Euro im Jahr ist die Rede. Gleichwohl bleibt auch Oettinger weit vorne. Man hat fast den Eindruck, die Deutschen trinken Oettinger irgendwie heimlich. Denn wen auch immer man fragt: Niemand will’s gewesen sein. Dennoch verkauft das Familienunternehmen hierzulande im Jahr knapp 54 Millionen Kisten.
Auch auf den weiteren Plätzen folgen in der Liste Biere, die in Deutschland gebraut werden. Dabei wurde manchem Biertrinker in den vergangenen Jahren schon ein wenig unheimlich, weil sich große globale Bierkonzerne immer breiter gemacht haben. Einige wenige dominieren inzwischen den Weltmarkt. Und obwohl deutsches Bier in aller Welt hohes Ansehen genießt, kommen die ganz großen Weltkonzerne nicht von hier – sondern aus Belgien, Großbritannien und den Niederlanden. Die jüngste Entwicklung auf dem Biermarkt scheint die Skeptiker zu bestätigen: Gerade erst hat der weltgrößte Brauer Anheuser-Busch Inbev (Budweiser, Corona, Stella Artois, Beck’s, Franziskaner) für rund 100 Milliarden Euro die Übernahme der Nummer Zwei der Branche, SABMiller (Pilsner Urquell, Miller und Grolsch), angekündigt. Wenn die Kartellbehörden den Zusammenschluss erlauben, wird künftig weltweit etwa jedes dritte Bier in einer Brauerei des fusionierten Konzerns gebraut.
Das gilt aber nicht für Deutschland. Die Lieblings-Biermarken der Deutschen sind, wie unsere Grafik zeigt, noch weitgehend in teutonischer Hand. Zwar dominieren auch bei uns große Brauerei-Konzerne den Markt, aber den internationalen Großkonzernen gehört längst nicht alles. Einige sehr bekannte Biermarken wie Beck’s, Hasseröder, Franziskaner und Diebels gehören zur belgischen Anheuser-Busch-Inbev-Gruppe, werden für den deutschen Markt jedoch weiterhin in Deutschland gebraut. Ansonsten haben deutsche Braukonzerne die Oberhand. Und neben den großen deutschen wie der Radeberger-Gruppe, die zu Oetker gehört, oder der Bitburger-Gruppe gibt es auch noch Hunderte kleine und mittelständische Brauereien, die ihr Bier hauptsächlich in ihrer Region verkaufen.
Insgesamt wird in Deutschland an rund 1350 Braustätten Bier gebraut – das sind etwa genauso viele wie vor 20 Jahren. Die meisten deutschen Brauereien sind aber sehr klein: Jede zweite braut im Jahr weniger als 1000 Hektoliter – das entspricht gerade einmal 10.000 Bierkisten. Das ist nichts im Vergleich zu den großen. Die Bitburger-Brauerei liefert diese Menge nahezu alle zwei Stunden.
Dass unser Bier fast immer auch aus Deutschland kommt, soll nach dem Willen der meisten auch so bleiben, zumal das Reinheitsgebot ja gar nicht mehr so ganz strikt gilt. Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 1987 dürfen ausländische Brauer auch in Deutschland Bier unter dem Namen „Bier“ verkaufen, wenn es nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut ist, aber im jeweiligen Herkunftsland als Bier bezeichnet werden darf.
Krank geworden ist deswegen noch keiner. Aber die meisten Deutschen ahnen nichts Gutes, wenn jemand von einer weiteren Lockerung des Gesetzes spricht. Beim Filtern sind schon heute einige zusätzliche Hilfsstoffe erlaubt, wenn sie nur mechanisch wirken, keine chemische Reaktion im Bier hervorrufen und am Ende wieder herausgefischt werden. Zum Beispiel ein Pulver mit dem furchterregenden Namen Polyvinylpyrrolidon, das aber als unbedenklich gilt. Geschmacksverstärker sind aber nach wie vor verboten. Für eine Lockerung plädieren am ehesten kleine innovative Brauereien, die gerne mehr experimentieren wollen; nicht mit Chemie, aber zum Beispiel mit Äpfeln oder anderen natürlichen Zugaben.
Biere, die nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut sind, haben in den Regalen deutscher Supermärkte kaum eine Chance. Das meistverkaufte ausländische Bier ist in Deutschland das tschechische Budweiser Budvar (nicht zu verwechseln mit dem amerikanischen Budweiser von Anheuser-Busch Inbev). Rund 290.000 Hektoliter verkauft der staatseigene Betrieb in Deutschland laut dem Branchenmagazin „Getränke Inside“. Freilich wird auch dieses Bier gemäß dem deutschen Reinheitsgebot gebraut. Wer in den Hitlisten ein Bier sucht, das nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut wird, muss schon länger suchen. Und wird schließlich fündig bei Corona. Doch von dem mexikanischen Bier, das neben Wasser, Hopfen, Hefe und Gerstenmalz auch Mais, Reis und Papain enthält, werden in Deutschland nach Branchenangaben weniger als 50.000 Hektoliter verkauft.
Wem gehört das deutsche Bier? Aus Verbrauchersicht offenbar am stärksten der Idee des deutschen Reinheitsgebots.
Oettinger Weizen alkoholfrei ist ein Gedicht
Als Bahai ist uns Alkoholkonsum untersagt. Bier gibt es zum Glück alkoholfrei und da muss ich das Oettinger verteidigen, das es seit einiger Zeit zum Glück auch in Österreich gibt. Ich habe noch nirgendwo auf der Welt ein besseres alkoholfreies Bier getrunken, als das Oettinger Weizen alkoholfrei. Ehre, wem Ehre gebührt und keine abschätzigen Formulierungen bitte. Das ist Unrecht, denn als Vegetarier glaube ich keinen deformierten Geschmackssinn zu haben.
Ich bin besorgt!
Wenn Sie es ernst meinen, mit Ihrem Glauben, sollten Sie sowohl “alkoholfreies” Bier, als auch Obstsaft meiden. Beides ist nämlich nur nach irdischer Definition alkoholfrei.
Herr
Die Coronabruehe ist in Mexico verpoent, auch wenn man sie modern trinkt (mit einer Zitrone im Flaschenhals), was nichts weiter ist als ein Trend.Ich lebe seit 1997 in Mittelamerika und trinke fast nur belgisches und niederlaendisches Bier (das deutsche ist zu teuer).
Es gibt kein Maß für "liebste" Biere
Bei den Zahlen geht es um die “meistverkauften” Biere, im Text dann teilweise um die “Lieblings”biere. Letzteres lässt sich aber gar nicht messen, weil niemand alle Marken kennt und die allermeisten nur lokal ausgeschenkt werden.
Fränkische Biere
Zum Glück wohne ich im Henneberger Land, ganz nah an fränkischen Brauereien. Somit habe ich den Luxus auch im 500sten Jahr des “Reinheitsgebotes” für Bier,
immer ein oder meist mehrere tolle Biere im Keller zu haben. Wenn ich in Deutschland mit Orientierungslauf oder Urlaub unterwegs bin finde ich auch immer leckere Biere, also ist unsere Bierkultur noch nicht ganz verloren, vorallem wenn ich den Genuss mit Freunden teilen kann.
Prost.
Teil2 😉
Biervielfalt ersteht gerade eben erst wieder neu. Immer mehr Konsumenten wollen nicht immer nur das gleiche Pils trinken, sondern suchen nach was anderem. Das ist die Chance für die kleinen Brauer. Und da steht das Reinheitsgebot manchmal im Weg.
Was ist denn so schlecht an einem Wit/Blanche? Es ist ein hervorragendes Sommerbier. Hier kriegt man es nicht. Hier darf es nicht gebraut werden, und selbst Hoegaarden, gehört zu InBev, wird hier nicht vertrieben, es könnte ja Konkurrenz zu Franziskaner sein.
Na ja... (Teil1)
diese Biere sind ja die, die „gut laufen“, auch die Kehle runter. „Drinkability“. Diese Konzerne habe ja ihre Biere immer weiter verwässert, in dem sie an Hopfen gespart und die Stammwürze aufs geringstmögliche heruntergesetzt haben, spart Rohstoffkosten und Steuern und verstört auch die Konsumenten nicht durch irgendwelche Geschmacksnoten. Das könnten die durch Aufhebung des Reinheitsgebots noch billiger produzieren, würden die das auch, hätten aber die Konkurrenz durch die großen ausländischen Marken, vor denen sie auch wieder Angst haben. Diese Großkonzerne haben eine unglaubliche Konzentration auf dem Markt durchgesetzt, die selbständigen mittelgroßen Brauereinen gibt es ja kaum noch, können nicht rentabel sein, um mit denen zu konkurrieren. Was der Weltmarkt im großen ist, ist halt Krombacher, Beck’s, Radeberger und Bitburger im kleinen. Es gibt kaum noch einen Brauer der mit üblichen Lagerbieren gegen die bestehen kann, es sei denn er ist lokal verankert
Titel eingeben
Das Reinheitsgebot ist ja wohl nur noch ein Witz für die Werbung! Laut Deutschem Bier- oder Brauereigesetz dürfen 66 in Worten sechsundsechzig Stoffe in das Bier bzw. für den Brauvorgang verwendet werden!! Hinzu kommt die seit Jahren genutzte Möglichkeit, Stoffe ausfiltriren zu können, wie Beispielsweise Eiweiß (welcher ja Geschmacksträger ist). Das Reinheitsgebot verhält sich zum Bier wie der Kraftstoffverbrauch zum Auto.
Was für ein Unsinn...
Wie kommen Sie zu der absurden Behauptung, “laut Deutschem Bier- oder Brauereigesetz dürfen 66 – in Worten sechsundsechzig – Stoffe in das Bier bzw. für den Brauvorgang verwendet werden”?.
In Wahrheit gibt es kein “deutsches Bier- und Brauereigesetz”. Es gibt ein Biergesetz, in welchem geregelt ist, dass – wer nach Reinheitsgebot braut – allein die natürlichen Zutaten Wasser, Malz, Hopfen und Hefe zu verwenden hat.
Nach der europäischen (!) Zusatzstoff-Zulassungsverordnung sind in der Tat die verschiedensten künstlichen Zutaten für das Bierbrauen zugelassen – vielleicht sind es insgesamt sogar mehr als 60 – in Deutschland werden ebendiese EU-Zusatzstoffe (E-Nummern) aber durch das Reinheitsgebot ausgeschlossen.
Vielleicht lesen Sie das nochmal nach, bevor Sie Unwahrheiten in die Welt setzen.
PVPP
Also, es heisst Polyvinylpolypyrrolidon (nicht so wie im Artikel) und ersetzt glücklicherweise bereits seit Jahren zweifelhafte Vorgängerprodukte. Rausgefischt wird da gar nichts. Sie fischen ja auch nicht Ihren Kaffeefilter aus dem Frühstückskaffee heraus.
Ansonsten : Buy Local !!! Warum zum Teufel sollte ich ein Bier trinken, das einmal quer durch Deutschland gekarrt wurde, wenn es vor der Haustür lecker Bierchen gibt.
Und dem Heimbrauer sei gesagt : Bierbrauen ist in der Tat kein Hexenwerk. Fischstäbchen braten auch nicht. Aber zur Herstellung eines Qualitätsprodukts braucht es schon ein bisschen mehr als das norwegische Home-Brewing-Set.
Danke für den Hinweis
Guter Punkt. Vielen Dank für den Hinweis.
PVPP
Doch, PVPP wird wieder rausgefischt, d.h. rausgefiltert. PVPP ist ein (in Bier) unlöslicher Kunststoff, der Eiweiß- und Gerbstoffmoleküle bindet. Der Prozess nennt sich kolloidale Stabilisierung. Ein hoher Gehalt an Gerbstoffen führt nach ca. 3 Monaten zu einer Trübung des Bieres, nach dem Einsatz von PVPP bleibt das Bier 6 bis 12 Monate klar, je nach eingesetzter Menge. Neben der Pasteurisierung ist PVPP die beliebteste Methode zur Verlängerung der Haltbarkeit.
Mein Lieblingsbier kommt aus Korsika
Da es aber einen kleinen Hauch von Kastanienmehl enthält, das nur im Abgang einen leichten Nachhall hinterlässt, ist es wohl rechtlich kein Bier. Schmeckt dennoch besser als Industrieware.
Oettinger!?
Ja, was ist denn nur diese ominöse Vollmundigkeit als Differenzierungsmöglichkeit für gutes Bier/schlechtes Bier? Manche schmecken es, manche nicht.Die Oettinger Fans – wohl auch die mit professionellen Hintergrund – wohl eher nicht… denn dieses Bier ist bestenfalls “null – bis halbmundig = Dünnbier “…ach ja, jedenfalls für mich passionierten Biertrinker…
Eine vergleichende Blindverkostung hier im Blog wäre, glaube ich, eine gute Idee.