Nach dem Bier für Heimbrauer kommt jetzt der Gerstensaft zum Selbstsprudeln. Die Firma Sodastream will mit dem Sirup “Blondie” den Biermarkt revolutionieren. Wir haben das Sekunden-Pils getestet.
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In der vergangenen Woche hat uns der Deutschland-Geschäftsführer von Sodastream, Ferdinand Barckhahn, mit einer Kühltasche und zwei großen Kartons in der Frankfurter Redaktion besucht. Wir hatten uns auf eine Pressemeldung hin für den seit Juni erhältlichen sprudelbaren Pils-Sirup “Blondie” interessiert, und er schlug vor, es uns nach allen Regeln der Sprudel-Kunst exemplarisch einzuschenken.
Neugierig gemacht hatte uns die Frage: Wie sprudelt man Bier “in Sekunden”? Ist das zugrundeliegende Bierkonzentrat ein Sirup, dem anschließend Wasser entzogen wurde (das wäre wohl eine teure Angelegenheit) – oder ist es ein nur mit künstlichen Geschmäckern und Alkohol erzeugtes bierartiges Getränk? Und warum darf sich das Ganze bei den strengen deutschen Biergesetzen, über die wir in diesem Blog schon so häufig berichtet und diskutiert haben, eigentlich “Bier” oder “Pils” nennen?
Das Bier-Sprudel-Set hatten wir Gelegenheit, einige Tage zuvor schon zu Hause auszuprobieren, wobei wir von der Einfachheit des Verfahrens überrascht waren. Ursprünglich dachten wir, weil ein eigener Sprudelapparat für Blondie angeboten wird, würde das Bier (oder das Bierartige), um seinen charakteristischen Schaum zu erzeugen, einer eigenen Sprudeltechnik bedürfen. Doch es stellte sich heraus, dass man den zur “Beer Bar” gehörenden Apparat eigentlich nicht braucht, wenn man schon ein Sodastream- oder ein anderes Sprudelgerät besitzt. Im Grunde genügt sogar ein einfaches Mineralwasser mit Kohlensäure aus der Flasche.
Die Bereitung selbst ist ein Kinderspiel, wobei man, um ein gutes Ergebnis zu erzielen, unbedingt die mitgelieferten, leicht taillierten, sehr schmalen Gläser (0,2 Liter) verwenden sollte. Das Bier-Konzentrat und das Wasser sollten gut gekühlt sein. Der Hersteller schlägt mindestens eine Stunde Lagerung im Kühlschrank vor. Auf jeden Fall tut ein stark mit CO2 versetztes Wasser dem Ergebnis gut.
Nun füllt man den Sirup, den Herr Barckhahn aus einer Kühltasche nimmt und dort sofort wieder verschließt, bis etwa zwei Millimeter über den vorgesehenen Eichstrich mit der Aufschrift “1 Teil Bierkonzentrat”. Dann muss man das vorbereitete kalte Wasser frisch sprudeln, bis das Geräusch des Überdruckventils laut meckert. Das Glas mit dem Bierkonzentrat muss, wie bei richtigem Pils, leicht schräg gehalten und mit dem Wasser aufgefüllt werden, wobei Blondie einen ganz hübschen, mittelkräftigen Schaum entwickelt, der immerhin ein paar Minuten zusammenhält. Der Alkoholgehalt des Sirups von 13,6 Prozent schrumpft bei der Verdünnung auf etwas mehr als 4,5 Prozent. Wobei uns an diesem Experiment am meisten beeindruckt hat, dass in diesem einfachen System überhaupt eine ansehnliche Schaumkrone entstehen kann.
Beim Vortest zu Hause hatten wir nach einer missverständlichen Anweisung etwas zu viel Konzentrat verwendet und hatten das Wasser außerdem bereits in gesprudeltem Zustand gekühlt. Das Ergebnis erinnerte dann geschmacklich ein wenig an kalten Rumkugel-Tee, grauslig. Was zur Folge hatte, dass wir bei dem Test in der Redaktion angenehm überrascht davon waren, dass das Ganze – sehr frisch und kalt aufgesprudelt – tatsächlich nach Bier und auch nach Pils schmeckte. Allerdings sieht man im Bild oben (und die folgende Abbildung mit dem etwas übervollen Glas zeigt es noch deutlicher) einen Farbverlauf im Glas von unten, dunkelblond, nach oben, hellblond. Und wenn man genauer hinschaut, sieht man sogar Sirupschlieren. Das Gewicht des Wassers schafft es, was Ferdinand Barckhahn auch zugibt, einfach nicht, eine wirklich gleichmäßige Biermischung hervorzurufen. Ein echter Ausgleich soll, so der Geschäftsführer, nach dem ersten Schluck erfolgt sein, allerdings sind dann nur noch Zweidrittel Blondie im Glas, was tatsächlich unbefriedigend ist.
Auch entwickelt sich bei Blondie der zunächst erfrischende, aber keinesfalls reife oder neugierig machende Biergeschmack schnell ins Abgestandene und dann ins wirklich Schal-Schmeckende. Dringend muss man es vermeiden, durch falsches Einschenken eine zu hohe Schaumkrone aufzubauen. In diesem Fall nämlich schmeckt das Bier schon schal, wenn es am oberen Eichstrich angekommen ist. Dennoch: Wir hatten mit Schlimmerem gerechnet. Gerste kann wirklich eine Menge aushalten.
Der Sodastream-Geschäftsführer hob dann im Gespräch noch hervor, wie gut Blondie bei den hauseigenen Blindverkostungen abgeschnitten habe; viele Tester hätten den Geschmack nicht von einem echten Pils unterscheiden können. – Eine solche Blindverkostung haben wir dann bei einem weiteren Test, diesmal mit handelsüblichen Pilsgläsern, nachzustellen versucht, konnten das Blondie aber mehr als eindeutig von einem andern Pils unterscheiden. In den breiteren Gläsern hatte es im Vergleich zum normalen Pils außerdem merkliche Probleme bei der Schaumentwicklung.
Wer ist nun die Brauerei, die hinter diesem Sirup steckt, fragten wir Ferdinand Barckhahn, welches Malz, welcher Hopfen werden verwendet, warum darf Blondie, das sich als “Pils” bezeichnet, Glukosesirup enthalten? Zur Brauerei erhielten wir keine genaue Auskunft; der Sodastream-Geschäftsführer sprach von einer “Bierboutique” im nahegelegenen europäischen Ausland; auf der Sirup-Flasche selbst wird Italien als Herkunftsland genannt. Informationen über das Malz und den Hopfen mussten erst noch beschafft werden. Auf die Biergesetz-Frage antwortete Ferdinand Barckhahn ausweichend mit der Erklärung, vordringliches Ziel bei Blondie sei es nicht, das Reinheitsgebot zu erfüllen, sondern ein wohlschmeckendes Bier auf den Markt zu bringen. Davon abgesehen werde das Blondie-Konzentrat in einem Bier-Brauprozess erzeugt, bei dem erheblich weniger Wasser verwendet werde als bei einem normalen – und eben Glukosesirup, der notwendig sei, um in dem Konzentrat einen Alkoholgehalt von 13,6 Prozent zu erzeugen. Mehrfach betonte Herr Barckhahn im Gespräch, dass Sodastream nicht die Konfrontation mit den deutschen Brauern suche, sondern, im Gegenteil, offen für Kooperationen sei.
40.000 Blondie-Sirupflaschen hat Sodastream seit Juni verkauft, was beachtlichen 120.000 Litern Bier und 12.000 Kästen entspricht. In den nächsten fünf Jahren strebt das Unternehmen in Deutschland einen Marktanteil von 5 Prozent im “Bier-in-Home-Segment” an. Auch neue Produkte wie ein Weizenbier-Konzentrat oder Sirup für alkoholfreies Bier werden von Sodastream erwogen.
Das Hauptargument des Unternehmens für sein Blondie-Bier ist das alte Sodastream-Lockmittel: Das Schleppen von Kästen soll überflüssig gemacht werden. Das Nebenargument hingegen, Geschmack und Stärke des Biers könnten mit dem Blondie-Set individuell eingestellt werden, kann, siehe den oben beschriebenen Rumkugel-Eindruck, nicht überzeugen.
Überraschenderweise ist Blondie nicht einmal billiger als ein handelsübliches Pils. Nach der Steigerung des Sirup-Preises für den Liter von anfangs 2,99 auf inzwischen 3,99 Euro, zahlt der Käufer für einen halben Liter 66 Cent. Schwer vorstellbar, dass sich potentielle Kunden auf Dauer das Weniger-Schleppen mit einem intransparenten und überaus empfindlichen Biergetränk erkaufen.
Zum Schleppen von Bierkästen gibt es vorerst offenbar keine Alternative als das Fass-Rollen.