Professor Müller-Busch ist Palliativmediziner und als medizinethischer Experte auch für die Bundesärztekammer aktiv. Hier erläutert er, warum er an der Ausstrahlung des umstrittenen Suizid-Films im deutschen Fernsehen mitwirkt – eine Mitwirkung, für die er gestern in diesem Blog kritisiert wurde.
Professor Müller-Busch schreibt: „Bei allem Respekt vor dem Menschen Ewert und seinem Vorgehen geht es nämlich in der Diskussion um diesen Film nicht nur darum, eine filmische Dokumentation, die natürlich auch eine Funktion hat, zu verdammen, sondern die Tragik, die dahinter steckt, aufzuzeigen und auch die Fragen, die dadurch aufgeworfen werden. D.h. es geht gerade darum, sich mit der in der Öffentlichkeit verbreiteten Akzeptanz des Suizid auch unter moralischen Gesichtspunkten differenzierter auseinanderzusetzen. Dazu gehört sowohl die Moral der Journalisten, die solche Themen aufgreifen – was Sie in Ihrem Blog ja auch tun – als auch die Bewertung des Suizids insgesamt. Ich vertrete immer die Position, daß ein assistierter Suizid bzw. die Herbeiführung des Todes keine therapeutische Option darstellt, weil damit die zu Grunde liegenden Probleme nicht gelöst werden, sondern daß dadurch in der Regel nur ein Konflikt beendet wird – Assistierter Suizid und Euthanasie gehören nicht in den palliativmedizinschen und m.E. auch nicht in den ärztlichen Verantwortungsbereich, obwohl es eine nicht geringe Anzahl an Ärzten gibt, die das anders sehen. Wir müssen aber auch respektieren, daß es Menschen gibt, die den Suizid als Möglichkeit für sich in Erwägung ziehen – dies sollte kein Tabu sein müssen. Wir dürfen die Augen nicht verschließen, daß wir uns mit dem Phänomen auseinandersetzen müssen, daß trotz aller Fortschritte in der Palliativmedizin auch die Forderungen nach Euthanasie und „Physiacian Assisted Suicide“ (PAS) nicht abnehmen und wir hier eine stärkere allgemeine Diskussion über die Möglichkeiten der Palliativbetreuung, besonders aber auch das soziale Miteinander, die Bedeutung für andere und auch die Gründe führen müssen, die Menschen dazu bringt, die Perspektive des vorzeitigen Todes ins Auge zu fassen und umsetzen zu wollen. Weder das Recht, noch die Medizin, noch die Philosophie haben bisher befriedigende Antworten gefunden.“
Ob die Antworten nun allerdings durch die Mitwirkung an der Fernseh-Ausstrahlung eines assistierten Suizids leichter gefunden werden? Oder ob sie dadurch überzeugender werden?
Es wird immer Menschen geben,...
Es wird immer Menschen geben, die „den Suizid … für sich in Erwägung ziehen“. Daher zielt Suizidprävention auch darauf ab, diesen vermeintlichen Wunsch ernst- und anzunehmen, um den Zeitpunkt des Suizidversuchs weiter und weiter in die Ferne schieben zu können. Dies geschieht durch Begleitung und Therapie sowie das Aufzeigen würdiger und dadurch echter Alternativen. Der weitere Ausbau von Maßnahmen zur Suizidprävention (wie Früherkennung, Therapie, Palliativmedizin und Rechtssicherheit für Patientenverfügungen) ist lautstark zu fordern. Das quotenträchtige Ausstrahlen einer Selbsttötung dient der Diskussion jedoch nicht und provoziert stattdessen und erwiesenermaßen Nachahmer. Macht sich jemand, der eine solche Ausstrahlung veranlasst oder unterstützt, nicht eigentlich mitschuldig am Tod der Nachahmer?
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ADOPTION – zumutbare Alternative zur (Spät-)Abtreibung?
Seit Jahren geht bei uns die Zahl der (Inlands-)Adoptionen zurück. Sie hat sich seit 1993 auf nur noch 4.509 im letzten Jahr halbiert. (Die Zahl der wohl steigenden Auslandsadoptionen wird statistisch nicht zuverlässig erfaßt.) Die rückläufige Ten-denz im Inland ist wesentlich darauf zurück zu führen, daß immer weniger Kinder zur Adoption angeboten werden. Wenn man die Zahl der adoptionswilligen Eltern bedenkt und wie lange sie – sofern sie mit ihrem Wunsch überhaupt erfolgreich sind – warten müssen, kann dieser Trend nur bedauert werden.
Unsere Gesellschaft ist von einem unüberbrückbaren Widerspruch gekennzeichnet: einerseits beklagen wir die zunehmende „Unterjüngung“ bzw. die fortschreitende Alterung, andererseits erlauben wir uns den fragwürdigen „Luxus“, pro Jahr etwa 180.000 Abtreibungen staatlich zu finanzieren. Wenn man die großen finanziellen Mittel hinzufügt, die wir in der Hoffnung auf wieder steigende Kinderzahlen aus-geben – nur ein Stichwort: bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie -, ist das Bild einer nur noch schizophren zu nennenden Situation komplett.
Die Politik denkt zu Recht wieder einmal darüber nach, wie die völlig inakzeptable Regelung der Spätabtreibung verbessert werden kann: seriöse Schätzungen gehen von jährlich bis zu 600 Fällen an zum großen Teil bereits lebensfähigen Ungebore-nen aus. Gem. § 218 a Abs. 2 StGB ist Voraussetzung für die nicht rechtswidrige Abtreibung die medizinische Indikation, d.h. die gesundheitliche Gefahr für die Schwangere, sofern diese Gefahr nicht auf andere „für sie zumutbare Weise“ abge-wendet werden kann.
Was ist der Schwangeren „zumutbar“? Müßte man nicht doch gezielter darüber nachdenken, ob das Austragen des Kindes und die spätere Vermittlung zu Pflege- bzw. Adoptiveltern oder an entsprechende kirchliche Einrichtungen eine zumutbare Alternative ist (vergl. Wiebe, ZfL, 3/2008)? Im Rahmen der angedachten erweiterten Beratung insbesondere nach der PND – auch mit dem Ziel der Wiedergewinnung der durch Schock verloren gegangenen Handlungsautonomie der Eltern – sollte dieser Ausweg viel entschiedener erwogen werden, im Sinne eines recht verstan-denen Lebensschutzes.
Eltern, die unter der Entscheidung zu Lasten ihres möglicherweise behinderten Kindes selbstverständlich leiden, würde damit eine weitere Option eröffnet. Wer oder was hindert uns daran, stärker „pro Adoption“ zu beraten?
mk1219sa.doc