Die Möglichkeiten zur vorgeburtlichen Selektion von Behinderten werden größer, die Bemühungen zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen, die dennoch leben, sind dagegen vergleichsweise bescheiden. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, das nach zähem Ringen nun auch von Deutschland ratifiziert worden ist (den Fachbegriff „Inklusion“ in der deutschen Fassung aber hartnäckig und irreführend mit „Integration“ übersetzt), soll den Weg in eine bessere Zukunft ebnen. Das Potenzial hat die neue Menschenrechtskonvention, die als erstes Gesetz in Deutschland die Teilhabeansprüche von Menschen mit Behinderungen in Deutschland recht umfassend regelt – etwas, was der deutsche Gesetzgeber, der ansonsten durch aus regelungswütig und detailverliebt ist und sogar das Kreuzen von Eisenbahnschienen mit Autostraßen in ein Gesetz gegossen hat, noch nicht geschafft hat.
Damit die Konvention in Deutschland nicht ein Packen Papier bleibt, der an vielen Orten dekorativ liegen bleibt, haben Behindertenverbände die Kampagne „alle inklusive! Die neue UN-Kovnention“ ins Leben gerufen. Am Donnerstag den 29. Januar 2009 findet in Berlin die erste große Fachkonferenz im Rahmen der Kampagne statt, die sich mit Fragen der Bildungspolitik für Menschen mit Behinderungen befasst. Lebenslanges Lernen wird derzeit auf der politischen Ebene nämlich allen dringend empfohlen, wenn behinderte Menschen allerdings Unterstützung für weiterführende Bildungswege beantragen, geraten sie schnell an die Grenzen der ihnen zugedachten Leistungen – ein Selbstbestimmungsrecht wird ihnen da eher weniger zuerkannt.
Das Flugblatt mit dem für die Fachkonferenz eingeladen wird umreißt die Bedeutung des Themas: „Von den knapp 500.000 Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden weniger als 16 Prozent in Regelschulen unterrichtet.“ Tatsächlich führt schon diese Formulierung mitten ins Problem hinein, denn wieso werden behinderte Schülerinnen und Schüler hier als Menschen mit „sonderpädagogischem Förderbedarf“ dargestellt? Zur Überwindung von Barrieren wie Treppen, fehlenden Gebärdensprachdolmetscherinnen oder unzulänglichen Hilfsmitteln für Blinde und Sehbehinderte bedarf es keiner sonderpädagogischen Förderung. Gefordert ist Barrierefreiheit – beispielsweise durch Unterricht in Gebärdensprache.
Das Konzept der Inklusion reicht aber noch weiter: Behinderte sollen sich nicht einfach an die Erfordernisse in einer von Nichtbehinderten bestimmten und geprägten Welt anpassen. Schule soll für alle Kinder inklusive sein – und damit auch so konzipiert, dass alle etwas davon haben: Ein Weg, den Pisa-Gewinner Finnland geradezu mustergültig vorexerziert. Hier differenzieren die Lehrer im Unterricht in den ersten neun Jahren individuell nach Leistungsfähigkeit, es soll aber niemand zurückbleiben. Auch Kindern mit Behinderungen werden in dieses differenzierende Einheitssystem einbezogen. Das ermöglicht Selbstbestimmungsrechte.