Das Gedächtnis der Medien ist manchmal kürzer als die Weltpolitik erlaubt, denn das was jetzt die Schlagzeilen beherrscht, die Empörung darüber, dass in Guantanamo und Abu Ghraib gefoltert wird und Mediziner den Folterspezialisten dabei assistierten, war vor vier Jahren schon Thema in den US-Medien. Jetzt hat das also das Internationale Rote Kreuz die Vorwürfe bestätigt und konkretisiert. Die Empörung, die sich breit macht ist erfreulich. Aber warum, frage ich mich, empört sich die Öffentlichkeit vor allem darüber, dass Ärzte bei den Folterungen assistiert haben? Ist es schlimmer, wenn ein Arzt im Weissen Kittel Gewalt gegen einen wehrlosen Menschen ausübt, als wenn es ein Soldat in Uniform oder ein Verhörspezialist im Anzug erledigt? „Ärzte sind keine moralischeren Leute als andere“ schrieb der Psychiater und Historiker von Medizinverbrechen Robert Jay Lifton 2005 zum Thema Folter und Medizin“, „aber andere und manchmal auch wir selbst sehen uns in einer magischen Verbindung zum Leben.“
Schnell wird in der öffentlichen Debatte wenn darum geht, dass Ärzte stets als Helfende und Heilende wahrgenommen werden, der Eid des Hippokrates herangezogen, der besagt, dass Ärzte ihren Patienten nur Nutzen dürfen, nicht aber den Menschen Schaden zufügen. Der Eid des Hippokrates verbietet Ärzten aber auch tödliches Gift zu verabreichen – und sei es auf Verlangen der Patienten, also die Form von Sterbehilfe, die immer mehr Menschen Ärzten heute gerne abverlangen würden; er untersagt auch die Beratung von Suizidenten und die Beteiligung des Arztes an Abtreibungen. Nicht gerade modern in der modernen Welt der bioethischen Begehrlichkeiten und entsprechend still ist es um den Eid auch geworden, wenn es um Medizinversuche an nicht-einwilligungsfähigen Menschen geht.
Und auch wenn Ärzte Drogendealern Brechmittel verabreichen sollen, wenn sie abzuschiebende Flüchtlinge sedieren oder Hungerstreikende gegen ihren Willen ernähren, ist das mit dem Idealbild des guten, helfenden Arztes nicht vereinbar. Warum sollte der Verweis auf den Eid aus vorchristlicher Zeit in der Debatte um Folter heute jedes weitere Argument unnötig machen?
Das heißt natürlich nicht, dass Ärzte künftig foltern sollen. Sie müssen sich aber darüber verständigen, warum wir nicht wollen, dass gerade Ärzte sich an Folter beteiligen und wie das mit der sonstigen Ent-Wertung ärztlichen Handelns zur reinen Dienstleistung zusammengeht. Ein bloßes Erinnern einer Tradition, mit der ansonsten durchaus gebrochen wird, reicht dafür nicht aus. Es geht in dieser Diskussion um Grundlagen des ärztlichen Selbstverständnisses, es geht aber auch darum, was die Gesellschaft von den Medizinerinnen und Medizinern erwartet – sind sie in erster Linie Spezialisten für evidenzbasierte, gesundheitstechnische Dienstleistungen egal zu welchem Zweck und mit welchem Inhalt oder sollen sie mit ihrem Vorgehen, das jedesmal in die körperliche Integrität des behandelten Menschen eingreift, auch in ein wertorientiertes Weltbild eingebunden sein (und welche Konsequenzen könnte das haben)? Medizin, das wissen wir, kann Menschen heilen, verändern, vernichten und Leiden lindern. Es gibt offensive medizinische Konzepte und defensive – wohin soll die Reise gehen und über wieviele Zwischenstationen soll sie führen?
Ich bin gespannt auf Ihre Kommentare….
Ärzte haben in den letzten...
Ärzte haben in den letzten Jahren zu viel Geld aus den Sozialtöpfen für sich beansprucht. Sie sind auch nur Dienstleister und freie Praxen müssen endlich Gewerbesteuer bezahlen wie andere Dienstleister auch. Das Brimborium, das um diesen Beruf gemacht wird, ist in Deutschland historisch begründet. In der Vergangenheit war DE vor allem ein Agrarland und Ärzte, Apotheker und der Pfarrer waren die einzigen Schriftkundigen weit und breit. Daher rührt die vor allem in Deutschland die Überwewertung eines Berufsstands, der keinen größeren Wert als ein Richter, Ingenieur oder Wissenschaftler hat. Die eher sektenartig organisierte Berufsgruppe „Ärzte“ versuchen seit längerem den notwendigen Cut ihrer Einkünfte durch die Erfindung neuer Krankheiten auszugleichen. Die Bücher mit gesammelten Krankheiten werden immer dicker weil ihre Messmethoden immer augefeilter werden und zudem diese Berufsgruppe auch noch das alleinige Recht hat, zu bestimmen, was eine Krankheit ist. Da liegt ein großes Problem. Der Bevölkerung ist am besten geholfen, wenn die Anzahl von Ärzten in DE gekürzt wird, die Vergütungen der Leistungen gekürzt wird und noch wichtiger: Eine umfassende Kontrolle der Tätigkeit eines jeden Arztes verstärkt wird. Warum sollten Ärzte nicht auf Guantanamo-Abwegen wandern? Auch auf dem Balkan gab es im letzten Krieg einen Psychiater, der heute wegen Massenmords vor dem Kriegsverbrechertribunal steht. Das sind auch nur Menschen, aber was für welche. Nur wir müssen dafür sorgen, dass solche Leute nicht mehr auf „Patienten“ besser Kunden losgelassen werden können. Der antike Eid spielt für Einkommensmilionäre und Besserwisser was den fremden Körper anbelangt schon längst keine Rolle mehr. Im Gegenteil: Mit vielen „Behandlungen“ verstoßen Ärzte selbst dagegen. Und es ist gut, dass außerrechtliche Eide heute in einer modernen demokratie keine Rolle mehr spielen. Wo kommen wir denn dahin, wenn sich auch andere Berufsgruppen auf antike Überbleibsel berufen und damit lediglich ihre Macht und ihr Einkommen verteidigen? In De muß dieser Beruf endlich demokratisiert werden. Der Firlefanz (Assistenzarzt ist der Wasserträger des Chefarztes) muß beendet werden. Die Promotionsordung muß anderen Fächern angelichen werden (so viele außergewöhnlich neue Erkenntnisse gibt es nur in der deutschen Medizin) muß modernisiert werden.
Tja, der Hippokratische Eid,...
Tja, der Hippokratische Eid, das erhabene Vorbild aus klassischer Zeit!
Sehen wir uns doch die Stelle an, in der es um Sterbehilfe geht! Der angehende Arzt schwor:
„Auch werde ich niemandem ein tödliches Gift geben, auch nicht wenn ich darum gebeten werde, und ich werde auch niemanden dabei beraten; auch werde ich keiner Frau ein Abtreibungsmittel geben.“
Stichwort Abtreibung! Der Arzt darf keiner Frau ein Abtreibungsmittel geben. Wohlgemerkt: keiner Frau! Einem Mann schon. Lässt sich daraus schließen. In der Welt des Hippokrates, dem alten Griechenland, herrschte das Patriarchat. Und es war eine Sklavenhaltergesellschaft. Will ein Slavenhalter nicht, dass seine blutjunge Lieblingssklavin einen dicken Bauch bekommt, darf der Arzt ihm das Abtreibungsmittel verkaufen. Und ob eine zum zehnten Male schwangere Gattin ihre Leibesfrucht austrägt, entscheidet der Ehemann, nicht die Frau. Ihr darf der Arzt das Mittel nicht geben, ihm schon.
Bei aller Liebe zu Sophokles und Homer – wie gut, dass diese Zeiten vorbei sind! Heute erhält eine Frau vom Arzt die Abtreibung. Das verdanken wir 68 und der Frauenbewegung. In den 70er Jahren wurde es unseren klerikalfaschistischen Konservativen abgetrotzt. Herr Tolmein, Sie sind doch für die Freigabe der Abtreibung? Sie sind doch links geblieben? Liest man Ihren Blog über Obama und die Stammzellenforschung, könnte man meinen, dass Sie der Bush-Regierung hinterhertrauern. Andererseits haben Sie ein gutes Buch mit Irmgard Möller gemacht, die für solche Konseravtiven ja eine Buh-Frau ist. Aber vielleicht bin ich deshalb so verwirrt, weil es heute nicht mehr so eindeutig festzustehen scheint: Was ist links? Was ist rechts?
Ich verstehe die Aufregung...
Ich verstehe die Aufregung nicht. Die Haltung zur Beteiligung von Ärzten an Folterungen hängt doch ganz und gar von der Haltung zur Folterung selbst ab. Wenn man der Ansicht ist, dass nie und nimmer gefoltert werden darf, dann darf natürlich auch kein Arzt mitfoltern. Nur wenn man – wie vielleicht der Autor der FAZ-Artikels – der Ansicht ist, dass ab und zu schon gefoltert werden dürfe, dann muss man natürlich auch fragen dürfen, ob und wann Ärzte mitmachen dürfen oder gar sollten. Unter der Prämisse, dass in bestimmten Fällen Folter gerechtfertigt ist, ist auch in bestimmten Fällen das Mitmachen von Ärzten in Ordnung.
Damit ihnen die Skrupel...
Damit ihnen die Skrupel vergehen
Die Empörung, ganz besonders in Deutschland, richtet sich vermutlich, und damit selbstreflexiv, gegen die Vorstellung, dass da schon wieder solche Monster in Weiß am Werke sind. Die letzten waren nämlich mal Deutsche. Auf dieser noch recht flachen moralischen Ebene bewegt sich wohl die Masse der Kritik. Hinzu kommt natürlich die Möglichkeit jetzt zu Lasten der USA historisch mal kurz ab zulasten. – Endlich sind es die Anderen! Auf diesem Niveau bewegt sich vermutlich ein nicht unerheblicher Anteil, zumal psychologisch immer noch evident (die „Gnade der späten Geburt“ greift noch nicht so richtig).
Auf ganz anderem Niveau stünde die Kritik, wenn sie begriffe, gegen was sie sich da eigentlich wendet, nämlich, und das ist ja wohl das Stichwort, gegen eine neue Art Wissenschaft, zu der auch und ganz besonders die medizinische gehört, die ohne Skrupel eine neue Eugenik im Schaffen ist. „Unwertes Leben“ wird da nämlich offenbar. Zunächst noch als Gefangene in Guantanamo, solche, an denen man eine neue Art Krieg ausprobiert, einen Krieg, den niemand erklären muss, und den man über sich ergehen lassen soll, ohne die Möglichkeit des Widerstandes, und dies möglichst so medizinisch sauber wie dieser ganze Krieg. Menschen, die solchermaßen entwertet sind, werden ja nicht wirklich durch Ärzte geschützt, sondern es werden die Folterer geschützt, damit die knapp unter der Grenze bleiben, wo dieser Skandal zu offenkundig würde. Denn noch ist es nicht die Zeit, Menschen in Massen größeren medizinischen Untersuchungen zu unterwerfen, nur zu dem Zweck mal kurzerhand eine neue Rasse zu züchten.
Diesmal ist das schon ernster, das mit der Rasse, auch wenn dieser Begriff auf dem wissenschaftlichen Index steht. Denn wie bezeichnet man denn ein neues Leben, geschaffen im Genlabor, das zufällig „menschliches“ ist, oder eben nicht mehr.
Dazu müssen sie bereit sein, dafür müssen sie schon mal an die ‚Front‘, an die real existierende, diese Ärzte, damit ihnen die Skrupel vergehen, oder erst gar nicht aufkommen.
Nur diese Eugenetik hat von...
Nur diese Eugenetik hat von den Ärzten niemand gefordert. Die stammt aus deren Labors wie alles andere auch, was wir heute medizinethisch diskutieren.
Die glücklicherweise hohe Lebenserwartung haben wir u.a. der medizinischen Forschung zu verdanken. Die Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin stehen gerade erst am Anfang. Untersuchungsmethoden, die das angeblich lebensunwerte Leben schon im Mutterbauch feststellen können, haben Ärzte erfunden, die sich um die gesellschaftlichen Folgen einen Dreck gekümmert haben. Die standen naiv in ihren Labors und wimmern jetzt vor den Büros der Abgeordneten und Juristen und suchen Rat. Deshalb bin ich dafür, zukünftig gerade diese Bevölkerungsgrupe in beruflicher und wissenschaftlicher Hinsicht streng zu kontollieren, wer weiß, was die in ihren Labors noch so austüfteln zwecks Gewinnmaximierung unter dem Deckmäntelchen der Nächstenliebe. Keine Berufsgruppe in Europa und Nordamerika hat m.E. die Öffentlichkeit bezüglich ihrer vermuteten tatsächlichen Absichten (stetige Gewinnmaximierung) so getäuscht wie Ärzte. Wenn uns die Postmoderne etwas lehrt, dann ist es die ianosköphigkeit dieser Bevölkerungsgruppe, die uns bis heute unkritiesiert vorgegaugelt irgendwann ewig zu leben, niemals mehr Schmerzen zu haben und das zu einem Preis, den diese Berufsgruppe selbst schon längst nicht mehr abschätzen kann. Die Kehrseite, das ist der permanente Ruf nach mehr Geld, mehr Rechten und weniger Freiheit (was den menschlichen Körper und seine Lebensweise anbelangt) sowie postmodernen philosophische und soziologische Problemstellungen, die es ohne die Affinität zu Geld bei den Ärzten wohl nicht geben würde. Das Offizierscorps der Bundeswehr is demokratisiert, wann wird die „Zunft“ der Ärzteschaft demokratisiert? Wenn alle mit 190 Jahren im sogennaten Hospiz liegen weil bei der künstlichen Befruchtung leider ein für den Menschen negatives Gen so dominant geworden ist, dass alle Neugeborenen sofort sterben? Dann machen auch die selbsternannten Koryphäen der „Palliativmedizin“, dem neuen gewinnbirngenden Geschäftsfeld der Medizin, ihren Gewinn nur noch aus Gründen des christlichen Ablasshandels. Sollen wir es soweit kommen lassen?