Der politische Streit um ein Patientenverfügungsgesetz geht in die letzte Runde. Es häufen sich die Pressemitteilungen der diversen Gesetzesautoren und die Unterstützerinnen und Unterstützer der jeweiligen Projekte mobilisieren Stimmung so gut sie es vermögen. Am 28. Mai soll dann im Parlament entschieden werden. Was genau zur Abstimmung stehen wird, ist allerdings noch unklar.
Derzeit haben die Autoren des Zöller/Faust-Entwurfes Änderungen an ihrem Gesetzentwurf mitgeteilt und auch die Gruppe, die den Stünker/Kauch-Entwurf trägt, hat sich darauf verständigt, ihren Gesetzesvorschlag zu modifizieren. Auch die Bosbach/Göring-Eckardt Fraktion überarbeitet wohl ihr Gesetzeswerk, wird dazu, wie zu hören ist, aber wohl erst kurzfristig etwas mitteilen.
Derzeit ist der Stand demnach folgendermaßen:
Die Änderungen im Entwurf von Zöller/Faust sind von insgesamt geringer Bedeutung, vor allem ändern sie nichts an dem in diesem Blog schon beschriebenen Dilemma, dass eher die Stellung des behandelnden Arztes gestärkt wird, als die des eine Patientenverfügung verfassenden Patienten. Auch die Unklarheiten der Regelungen wurden leider nicht beseitigt. Immerhin sind in den geänderten Passagen zwei Verbesserungen enthalten: Einerseits wird ansatzweise deutlich gemacht, wie der mutmaßliche Wille des Patienten bestimmt werden kann (wenngleich die erwähnten Kriterien der gegenwärtigen Rechtsprechung entsprechen, also nichts Neues bieten), andererseist wird – wie schon im Bosbach/Göring-Eckard-Entwurf – die Bedeutung der Beratung unterstrichen und ein Anspruch auf ärztliche Beratung einer Patientenverfügung im SGB V verankert. Die Durchführung einer Beratung ist aber nicht erforderlich, damit eine Patientenverfügung wirksam wird. Es handelt sich lediglich um eine Soll-Vorschrift.
Der Änderungsantrag von Stünker/Kauch zu ihrem Gesetzentwurf liegt im Internet und mir persönlich nicht vor. In ihrer Pressemitteilung erläutert die Gruppe den Änderungsantrag folgendermaßen:
„Wir haben Anregungen aus der Anhörung in einen Änderungsantrag zu unserem Gesetzentwurf aufgenommen. So haben wir den sogenannten „dialogischen Prozess“ zwischen Arzt und Betreuer – ein Kernstück des Entwurfs Zöller/Faust – explizit im Gesetz integriert. Mit der neuen Formulierung soll das Zusammenwirken von Arzt und Betreuer verdeutlicht werden: Zunächst prüft der Arzt, welche ärztliche Maßnahme mit Blick auf den Zustand und die Prognose des Patienten indiziert ist. In einem zweiten Schritt soll diese Maßnahme unter Berücksichtigung des verbindlichen Patientenwillens zwischen Arzt und Betreuer erörtert werden. Dieser Dialog ergab sich bisher aus dem Zusammenspiel der Regelungen unseres Entwurfs, wir haben ihn jetzt der Klarstellung halber noch einmal ausdrücklich formuliert.“
Hier wird es vor allem darauf ankommen, wie dieses an sich begrüssenswerte, gerade bei Zöller/Faust aber unklare dialogische Moment geregelt ist, denn bei allem Dialog darf nicht unklar werden, wer entscheidet: Arzt oder Patiente/Betreuer.
Die Bosbach/Göring-Eckardt-Gruppe, die nach wie vor als einzige versucht das Selbstbestimmungsrecht der Patienten mit dem Gedanken des Lebensschutzes der Patienten auszutarieren und die auch als einzige einen deutlichen Unterschied macht zwischen der tatsächlich vom Patienten selbstb erstellten Patientenverfügung und dem von Dritten von außen erschlossenen mutmaßlichen Willen, wird – so habe ich gehört – im Ergebnis wahrscheinlich darauf verzichten, die notarielle Beurkundung bei manchen Patientenverfügungen zur Wirksamkeitsvoraussetzung zu machen. Allerdings soll für diese Gruppe von Patientenverfügungen (bei Menschen, deren Krankheit nicht bereits irreversibel tödlich verläuft) die Beratung der Patientenverfügung weiterhin erforderlich sein, damit sie zwingend wirkt.
Insgesamt haben sich die verschiedenen Entwürfe durch die Änderungsanträge in jeweils eigener Sache kaum aneinander angenähert. Wenn Bosbach/Göring-Eckardt auf die Erfordernis der notariellen Beurkundung verzichten räumen sie damit einen wichtigen Stein des Anstoßes beiseite, ohne damit wesentliche Schutzbestimmung ihres Gesetzentwurfes aufzugeben. Bei Zöller/Faust ist die Einführung der ärztlichen Beratung als Soll-Bestimmung zu begrüßen, am wenigsten bewegt hat sich Stünker/Kauch.
Die Kräfteverhältnisse im Bundestag sind allerdings unklar. Noch haben sich viele Abgeordnete nicht klar entschieden. Auf der anderen Seite haben die Strafprozesse in Magedburg und Fulda in den letzten Monaten sehr deutlich gemacht, dass eine gesetzliche Regelung unbedingt wünschenswert ist, auch wenn es nach wie vor in Sachen Sterbebegleitung erheblich wichtigere Fragen gibt, als die nach der Wirksamkeit von Patientenverfügungen. Wir werden sehen, wie sich dieses Politdrama weiterentwickelt, dem für einen Politikrimi doch bei allem sowohl die Spannung fehlt, als auch der böse Täter.
Eine Synopse aller Entwürfe auf dem aktuellen stand finden Sie auf den Seiten von Horst Deinert.
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... "auch wenn es nach wie vor...
… „auch wenn es nach wie vor in Sachen Sterbebegleitung erheblich wichtigere Fragen gibt, als die nach der Wirksamkeit von Patientenverfügungen“.
Nun – mit diesem höchst überflüssigen Nebensatz dokumentieren Sie eindrucksvoll, dass Sie den Sinn und Zweck einer Patientenverfügung nicht hinreichend erkannt haben, oder, was freilich auch eine Alternative sein könnte, schlicht zu leugnen gedenken. Die Frage nach der Verbindlichkeit einer Patientenverfügung ist die zentrale Frage schlechthin, auch wenn im Übrigen weiter darum geworben werden muss, dass etwa die Palliativmedizin weiter ausgebaut werden möge. Aber selbst eine flächendeckende und vorbildliche palliativmedizinische Versorgung ersetzt nicht (!) eine Patientenverfügung oder macht diese gar entbehrlich. Der autonome Patient mag hierüber selbst entscheiden und ihm steht es nach wie vor offen, auch palliativemedizinische Angebote auszuschlagen. Es besteht kein Widerspruch zwischen der Palliativmedizin, ihrem Ausbau und einer Patientenverfügung. Auch im Rahmen palliativmedizinischer Bemühungen müssen wir darauf achten, dass die Würde des Menschen mit seinem Selbstbestimmungsrecht nicht marginalisiert wird, so dass im Zweifel über die weitere Option, nämlich einer ärztlichen Assistenz beim Suizid zu diskutieren ist.
Herr Barth, immer wieder...
Herr Barth, immer wieder schön von Ihnen belehrt zu werden. Apart wie jemand, der so genau weiß wie so allgemein alles in der Welt ist und verstanden werden soll, gleichzeitig als höchsten aller Werte die Autonomie des Einzelnen auf seiner Fahne führt. Naja und die Haupt- und Nebenwiderspruchsüberlegungen kenne ich noch aus den 1970er und 1980er Jahren….. Dann bis zum nächsten Blogeintrag.
Herr Tolmein, zunächst darf...
Herr Tolmein, zunächst darf ich in aller Bescheidenheit anmerken, dass ich weit davon entfernt bin, irgend jemanden zu „belehren“, sondern allenfalls zur Orientierung in einem diskursiven Prozess beitragen möchte, der überwiegend durch philosophische Grundsatzüberlegungen denn durch gebotene verfassungsdogmatische Argumente bestimmt wird. Und da sehen Sie es mir bitte nach, dass ich in der Tat neben der Würde des Menschen das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen als einen Höchstwert in unserer Verfassung begreife, wie im Übrigen – dies wird nicht überraschen – wohl auch die herrschende Verfassungsrechtslehre. Hierüber besteht Konsens und da mag man/frau es auch akzeptieren, dass diese Werte verteidigt werden, so dass der ethischen und moralischen Sichtweise jedenfalls im Hinblick auf die Grundrechte zunächst nur eine marginale Bedeutung beizumessen ist. Es bleibt bei der schlichten, aber zugleich fundamentalen Erkenntnis, dass Verfassungsinterpretation nicht mit Philosophie gleichzusetzen ist und das dem auch so ist, ergibt sich aus einer vielleicht angeratenen Analyse der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Insofern sehe ich mein wissenschaftliches Interesse vornehmlich darauf gegründet, in einem säkularen Verfassungsstaat hieran auch stetig zu erinnern und da darf denn schon mit Sorge registriert werden, dass allen voran konservative Wertdenker im Begriff sind, die Autonomie des Patienten mit dem selbstauferlegten Fürsorgeanspruch zu konfrontieren. Der Fürsorgeanspruch reicht nicht weiter, als er nach einem dialogischen Prozess durch die Einwilligung des Patienten abgedeckt ist. Sofern aber der Fürsorgeanspruch zu einem Dogma überhöht wird, drängen sich freilich Gefahren für den Autonomieanspruch auf, so dass der kommunikative Prozess auch in der Arzt-Patienten-Beziehung eben nicht mehr herrschaftsfrei geführt wird, denn das scheinbar überlieferte Fürsorgeprinzip der Ärzteschaft scheint nicht „verhandelbar“ zu sein, so dass der Autonomie des Einzelnen Grenzen gesetzt werden. Dies aber ist nun der neuralgische Punkt in der Debatte: Ohne Frage führt das Selbstbestimmungsrecht nicht zur Fremdbestimmung über Dritte, wenngleich ebenso zu betonen ist, dass eine Standesethik in Gestalt des Arztethos nur insoweit Geltung beanspruchen kann, wie es nicht in Kollision mit den Grundrechten sowohl der Ärzte als auch der Patienten gerät. Der Gesetzgeber wird also bei seinen Entscheidungen diesen Umstand zu berücksichtigen haben und tunlichst danach streben, dass bei konsequenter Anwendung unserer Verfassung die differenten Lebensentwürfe zu akzeptieren sind und im Übrigen eine Lösung favorisiert wird, die einen schonenden Ausgleich der miteineinander streitenden Grundrechtspositionen vorsieht. Insofern hat der Staat lediglich die Rahmenbedingungen sicherzustellen, in denen selbstbestimmt gestorben werden kann, ohne dass dem Staat die „Tatherrschaft“ obliegt.
Andererseits haben Sie natürlich Recht mit Ihrer Annahme, dass der 28te kein Tag des Weltuntergangs ist. Denn ich bin mir fast sicher, dass – egal wie der Gesetzgeber nunmehr zu reagieren gedenkt – irgendwann einmal das Problem vor dem BVerfG verhandelt wird und da bleibt dann nur zu hoffen, dass das BVerfG deutliche Worte finden wird, auch wenn üblicherweise dem Gesetzgeber ein weiter Beurteilungsspielraum zugebilligt wird. Und dies ist erneut ein springender Punkt: Dem Gesetzgeber bliebe es unbenommen, den Weg für die ärztliche Assistenz zum Suizid zu ebnen; ein konsequentes Bekenntnis hierzu als ein Akt höchster Humanität scheitert aber derzeit an den wertkonservativen Kräften, deren Argumente zumeist aus einer transzendenten Welt entlehnt sind und da mag es mir nachgesehen werden, wenn ich doch lieber ins Gesetzbuch statt in die berühmte „Glaskugel“ schaue und dafür eintrete, dass das Selbstbestimmungsrecht als einer der zentralen Werte (und im Übrigen Errungenschaften) nicht nur gewahrt, sondern im Zweifel auch fortentwickelt wird, so wie die Verfassungsrealität heute ein anderes Bild zeichnet als vor 60 Jahren!
Mein Opa hat immer gesagt:
"...
Mein Opa hat immer gesagt:
“ Am 30. Mai – ist der Weltuntergang. “
Und mein Opa hatte stets recht.