Am Donnerstag wird im Deutschen Bundestag über die mittlerweile vier Gesetzentwürfe für ein Patientenverfügungsgesetz abgestimmt werden. Die juristischen Einzelheiten haben wir hier im Blog bereits eingehend erläutert und auch darauf hingewiesen, dass nicht alle Streitfragen mit einem Gesetz gelöst, dafür aber möglicherweise einige neue geschaffen werden (was gerade für mich als Juristen keineswegs dagegen spricht, trotzdem für ein neues Gesetz zu sein: einige der Streitfragen, die es doch lösen könnte sind schwerwiegend genug, dass es legitimieren kann, die Entstehung neuer Streitfragen hinzunehmen).
Nicht unbedingt hübscher, aber doch für den Nicht-Paralamentarier aufschlussreich und unterhaltsam zu verfolgen, sind die Auseinandersetzungen am Rande der Vorbereitungen für die Schlußabstimmung. Damit meine ich nicht die parteipolitisch motivierte und wenig überzeugend wirkende Polemik der Justiziministerin Zypries, die umstandslos der CDU/CSU Blockadepolitik in der Sache vorhält, weil sie als Bewegung nur zu deuten vermag, was sich in ihre Richtung bewegt. Nein, es geht um die bedeutsame Geschäftsordnungsfrage, welcher der Gesetzentwürfe zuerst und welcher zuletzt abgestimmt werden soll. Da die Beteiligten der Auffassung sind, dass es besser ist, wenn später das Stimmgericht über den eigenen Entwurf abgehalten wird, fällt die Auseinandersetzung darüber entsprechend erbittert aus. Wenn zudem, wie diesmal, nicht veritable Fraktionen mit allem drum und dran hinter den Entwürfen aufgereiht stehen, sondern etwas bunt durcheinander gewürfelte Gruppen, in denen sich Linke, Grüne, Konservative, Liberale und Sozialdemokraten drängeln und gelegentlich auch mißtrauisch beäugen, fehlt den Geschäftsordnungsdebatten die routinierte harte Hand der Parlamentarischen Geschäftsführer und es wird gezankt: Gibt es einen Entwurf, der weiter geht als alle anderen? Soll nach dem Prinzip verfahren, wer zuerst kommt, wird zuerst verabschiedet? Oder findet man ein Mischkonzept?
Dem Vernehmen nach haben sich jetzt die Unterstützerinnen und Unterstützer des Zöller/Faust- und des Bosbach-Entwurfes zwar nicht inhaltlich, aber geschäftsordnungsmäßig zusammengetan, um zu verhindern, dass der Stünker-Entwurf (weil Sozialdemokraten gewiefte Geschäftsordnungs-Strategen sind) auf der besten Position startet. Das ist deswegen schön zu sehen, weil die Wächter der Patientenverfügungsgesetzentwurfsorakel lange genug prognostiziert hatten, dass die Zöller/Fraust-Gruppe sich mit den Stünker-Utnerstützern auf einen gemeinsamen inhaltlichen Entwurf würden eingien können. Jetzt reicht es nicht mal für ein gemeinsames Absprechen der Tagesordnung…
Als allererstes soll demnach über den neuen Entwurf verhandelt werden, der gar keine neuen Regelungen ins Betreuungsrecht einführen will. Platz 2 würde demnach dann dem Stünker-Entwurf zugewiesen, der dem Bundestag schon am längsten vorliegt und dann erst würden die Entwürfe Zöller/Faust und Bosbach/Röspel debattiert und abgestimmt. Wie auch immer: Am Abend wissen wir jedenfalls mit welchen Unsicherheiten wir zukünftig zu kämpfen haben werden: den bekannten oder neuen…. und das ist auch deswegen gut, weil die Debatte über Sterbehilfe und Sterbebegleitung sich dann vielleicht den (noch) wichtigeren Fragen (insbesondere nach Verbesserungen in der Pflege und besserer palliativmedizinischer Versorgung) zuwenden kann….
Sie können dieses blog wie immer kommentieren – auch ohne sich anzumelden.
<p>Nun - ein ausgewogener...
Nun – ein ausgewogener BLOG-Eintrag des Kollegen Tolmein und wir hoffen doch alle, dass am Abend zumindest ein Gesetzentwurf gleichsam steht, mal von dem unsäglichen Antrag des Abgeordneten Hüppe u.a. abgesehen, an denen die Debatte der letzten Jahre über die Notwendigkeit eines Gesetzes scheinbar vorübergegangen ist. Sei es drum – dass Parlament wird sich sicherlich nicht zur kollektiven „Arbeitsverweigerung“ entschließen und da hat O. Tolmein schon recht, wenn er meint, wird sollten uns weiteren wichtigen Fragen zuwenden. Und in der Tat: die ärztliche Assistenz beim Suizid steht zur Diskussion an, zumal es keiner eigenen Diskussion über die verbesserten Rahmenbedingungen in der Pflege und einer besseren palliativmedizinisch und hospizlichen Versorgung bedarf. Diese Verbesserungen sind nachhaltig zu fordern und zwar unabhängig (!) von den brennenden Fragen einer aktiven Sterbehilfe. Hierzu zählt freilich auch, dass der stets behauptete Widerspruch zwischen Sterbehilfe und palliativemdizinischen Bemühungen endlich als das zu „entlarven“ ist, was er ist: ein Trugschluss, der allenfalls dazu dienstbar gemacht werden soll, uns einen gesellschaftlichen Konsens vorzuspiegeln, den es aber gegenwärtig nicht gibt!
Gegen diese zu erwartende Diskussion nimmt sich daher die Debatte über das Patientenverfügungsgesetz höchst bescheiden aus, da hier letztlich „nur“ verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeiten einzulösen sind.