Biopolitik

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Patientenverfügungs-Gesetz 18. Juni doch im Bundestag – und ein PS

| 8 Lesermeinungen

Überraschende Nachrichten aus ungewöhnlichen, aber gut unterrichteten Kreisen im Deutschen Bundestag. Die Gesetzentwürfe für ein Patientenverfügungsgesetz...

Überraschende Nachrichten aus ungewöhnlichen, aber gut unterrichteten Kreisen im Deutschen Bundestag. Die Gesetzentwürfe für ein Patientenverfügungsgesetz sollen nun doch noch am Ende dieser Legislaturperiode, kurz vor dem damit verbundenen Ende der Großen Koalition abschließend diskutiert und abgestimmt werden. Ins Auge gefasst worden sein soll dem Vernehmen nach der 18. Juni. Möglich geworden ist das, weil sich der Kreis um Justizministerin Zypries in der Frage der Abstimmungsreihenfolge in der Runde der Parlamentarischen Geschäftsführer aus ungeklärten Gründen durchsetzen konnte. Gestern erst war die schon seit längerem für Donnerstag geplante Beratung der Gesetzentwürfe wegen der scharfen Differenzen über die Abstimmungsreihenfolge abgesetzt worden.

Abgestimmt werden sollen nach dem jetzt beschlossenen Vorgehen zuerst die stärker von Abgeordneten aus dem Unionslager, aber auch von Grünen und manchen Sozialdemokraten getragenenen Entwürfe von Wolfgang Zöller und von Wolfgang Bosbach, dann der vehement von der Justizministerin Zypries unterstützte Entwurf Joachim Stünkers und abschließend der gegen jede gesetzliche Regelung votierende neue Entwurf von Hubert Hüppe (CDU). Diese Reihenfolge wird nach Auffassung von Beobachtern die Chancen des Stünker-Entwurfes  angenommen zu werden erhöhen. Ob es bei dieser Planung bleiben wird ist allerdings nicht sicher, da es dagegen vor allem in den Reihen der Unterstützer der Entwürfe von Bosbach und Zöller vehemente Kritik gibt.

Auch ansonsten blüht der Streit, denn das Bundesjustizministerium, in dieser Angelegenheit nicht gerade unparteiisch, hat auf seiner Webseite eine Synopse der kontrovers diskutierten Gesetzentwürfe aus dem Jahr 2007 (!) eingestellt, nicht aber die gesetzentwürfe in ihrer aktuellen Fassung – was die Frage aufwirft, ob man im Ministerium den Gang der Diskussion nicht wahrhaben will oder ob das Ministerium dieses nach Aussagen der Ministerin doch hoch gehandelte Thema in Wirklichkeit für so unbedeutend hält, dass man die Seiten nur alle paar Jahre aktualisieren mag (wozu Anlaß bestanden hätte, denn das Ministerium soll schon letztes Jahr darauf hingewiesen worden sein sollen, dass doch eine Synopse der aktuell eingebrachten Gesetzentwürfe das informationsbedürfnis der Öffentlichkeit besser befriedigen könnte – ein Rechtsreferendar wäre auch wohl innerhalb von ein, zwei Tagen in der Lage eine solche Synopse zu erstellen bzw. die vorhandene zu aktualisieren). 

Postscriptum am 29. Mai: Nach neuesten Informationen sollen sich die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen doch nur auf den neuen Abstimmungstermin für die Patientenverfügungs-Gesetzentwürfe geeinigt haben, aber doch noch nicht auf eine Abstimmungsreihenfolge. Die Geschäftsordnungsfüchse bleiben am Werk. Zur Not, hieß es aus den Reihen der SPD, müsse halt der Bundestag über die Abstimmungsreihenfolge abstimmen. Aber wer stimmt ab, ob der Bundestag abstimmen soll?

 


8 Lesermeinungen

  1. Lutz Barth sagt:

    Nun - ein Rechtsreferendar...
    Nun – ein Rechtsreferendar wäre sicherlich auch in der Lage, ein stückweit zur Absicherung der Rechtskultur beitragen zu können, dergestalt, in dem er zeitnah aus dem Studium heraus einige verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeiten bei manchen Ageordneten in Erinnerung ruft, die diese augenscheinlich auf ihrer „Mission“ ausgeblendet haben.
    Von daher plädiere ich hier nachhaltig für eine „gesetzliche“ Fortbildungsverpflichtung der Abgeordneten, sich zumindestens regelmäßig über bedeutsame Verfassungsfragen sachkundig zu machen. Ggf. ließe sich hier über eine Qualifizierungsoffensive nachdenken, die anschließend zu evaluieren wäre.
    Es ist ein wahres Trauerspiel, wenn dauerhaft ein ethischer Paternalismus die ansonsten freie Gewissensentscheidung der Abgeordneten beeinträchtigt und so dazu beiträgt, dass selbstverständliche Grundrechte, aber eben auch selbsverständliche grundrechtliche Schutzverpflichtungen und Verfassungsprinzipien zu „Grabe“ getragen werden.
    Wir dürfen also weiterhin gespannt sein und vielleicht darauf hoffen, dass der Bundespräsident hier einige Worte im „stillen Kämmerlein“ finden wird. Im Übrigen wäre es auch für namhafte Vertreter des BVerfG eine Gelegenheit, im „freien Interview“ hierzu ein paar gewichtige Sätze in einem säkularen Verfassungsstaat zu „verlieren“, ohne die Würde des Menschen bemühen zu bemüssen.
    Na denn…warten wir mal ab!

  2. <p>Die zentrale Frage wird zur...
    Die zentrale Frage wird zur Kampagne: Jeder der eingebrachten Gesetzentwürfe bedeutet eine deutliche Verbesserung gegenüber dem heutigen Tag. Wir sollten uns an unsere Abgeordneten im Bundestag wenden und ihnen die Gretchenfrage stellen: „Nehmen Sie Autonomie und Fürsorge am Lebensende ernst? Wenn ja, dann ist es Ihre Pflicht, sich dafür einzusetzen, dass noch in dieser Legislaturperiode über ein Patientenverfügungsgesetz abgestimmt wird. Verhindern Sie, dass diese wichtige Entscheidung weiter auf die lange Bank geschoben wird!“ Wann, wenn nicht jetzt, ist die Zeit, wirkungsvoll Druck auszuüben? Die Bundestagswahl steht unmittelbar bevor, die Abgeordneten müssen sich den Menschen stellen. Das sollten genutzt werden. Schreiben Sie Ihrem Abgeordneten einen Brief, ein Fax, eine E-Mail oder rufen Sie ihn an. Die Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung ruft hierzu auf und hält auf ihren Seiten weitere Infos und Kontakte parat.

  3. Frau Diehl, Sie glauben doch...
    Frau Diehl, Sie glauben doch wohl nicht, dass Ihr Geschäftsmodell „Hospiz“ durch ein solches Gesetz erfolgreicher wird. Sie haben offensichtlich weder das damalige Urteil gelesen, noch kennen Sie die Umfrageergebnisse. Seien Sie gewiss, dass die Mehrheit der Deutschen die Geschäftemacherei mit dem Tod namens „Hospiz“ ablehnt. Jemanden ruhig zu spritzen und in einer Sondereinrichtung zu halten, das hat nichts mit Humanität zu tun, sondern im Gegenteil gehört zu den mir bekannten widerlichsten Vorstellungen über den Umgang mit Tod und Krankheit in unserer Gesellschaft.

  4. Joachim Koch sagt:

    Die Weigerung des...
    Die Weigerung des CSU-Abgeordneten Zöller sich auf einen Kompromiß mit dem SPD-Abgeordneten Stünker einzulassen, kann nur dahin interpretiert werden, dass er die Chancen des Entwurfs der Gruppe um den CDU-Abgeordneten Bosbach nicht mindern will, obwohl dieser Entwurf seinen eigenen Vorstellungen widerspricht und wegen der Reichweitenbegrenzung verfassungswidrig ist. Sollte es zu keiner Entscheidung kommen und die unklare Rechtslage weiter fortbestehen, wäre das ein Skandal, für den die blockierenden Abgeordneten verantwortlich sind. Man sollte ihnen androhen, dass ihre Haltung bei der Entscheidung über ihre Wiederwahl eine vorrangige Rolle spielen wird.

  5. Hans Meyer sagt:

    Frau Slessko, ich denke, hier...
    Frau Slessko, ich denke, hier irren SIE. Keineswegs ist es so, dass die Mehrheit der Deutschen Hospize ablehnt, sondern vielmehr Hospize in Umfragen als „Alternative“ zu Sterbehilfe befürwortet. Offensichtlich haben Sie den Hospizgedanken nicht richtig verstanden und haben eine etwas andere Vorstellung von dem, was dort passiert. Das wird ihnen jeder bestätigen der/die dort arbeitet. Und was heißt hier „Geschäftemacherei“? Wenn Hospize, die ein Sterben in Würde ermöglichen für Sie „Geschäftemacherei“ ist, was ist dann das „Geschäftsmodell“ des Herrn Kusch, der die „Suizidbeihilfe“ für 8000,- Euro angeboten und durchgeführt hat oder die Geschäfte von Dignitas, die Sterbewillige für teueres Geld auf Parkplätzen mit Plastiksäckchen und Helium ins Jenseits befördert haben? So sehen sicher keine Alternativen aus.

  6. Es ist bedauerlich, dass ein...
    Es ist bedauerlich, dass ein so wichtiges Thema wie die Patientenverfügung zu einem Spielball von Geschäftsordnungstricksereien wird. Bevor nun in aller Eile noch eine Regelung beschlossen wird, sollte man lieber die nächste Legislaturperiode abwarten und den neugewählten Abgeordneten die Möglichkeit geben, dieses Thema erneut anzugehen und es eventuell besser als ihre Vorgänger zu gestalten.
    Den Angriff von Frau Slessko auf die Hospizbewegung kann ich nicht verstehen, denn dort sehe ich nicht die Geschäftemacherei mit dem Tod (diesen Begriff möchte ich für die kommerziellen Sterbehilfeorganisationen reserviert halten) sondern ein gutes Modell, Menschen ein würdiges Sterben zu ermöglichen.
    Wäre die Palliativmedizin in Deutschland besser ausgebaut, würden sich viele Ängst der Menschen vor einem schmerzvollen Tod erübrigen, dies hätte sicherlich auch einen Einfluß auf die Debatte um die Patientenverfügung.
    Die Christdemokraten für das Leben (https://www.cdl-rlp.de) unterstützen daher den Antrag des Abgeordneten Hüppe, zunächst auf eine Regelung der Patientenverfügung zu verzichten.

  7. Was ein sogenannter...
    Was ein sogenannter Palliativmediziner macht, das kann jeder bessere Anästhesist nebst Pfleger. Die Gesellschaft wünscht keine Geschäftsmodelle mit dem Tod, die Spezialräume für Sterbende will undd damit den Tod immer weiter aus der Gesellschaft hinausträgt. Die „Sozialverbände“, die anfänglich im Zusammenwirken mit besonders gierigen Ärzten, die Palliativmedizin zu einem neuen Berufsberich ihrer Proefssion machen wollten, sahen hier besonders hohe zusätzliche Einnahmequellen. Doch weit gefehlt, es bleiben Investitionsruinen. Hier haben die Sozialvereine an der tatsächlichen Kundennachfrage vorbeiinvestiert. Die Ängste der Bevölkerung besteht vor Ärzten, die seit langem schon keine Hochachtung mehr vor ihren Kunden haben undd iese Ängetse werden natürlich mit Hospizen bedient. Das Sterben in der Familie oder Krankenhaus, das soll nach Möglichkeit erhindert werden, denn da verdient niemand. Die Gruppe der Ärzte sind ein wenig im Verein mit Sozialverbänden so wie Marxisten: Marx von der Wiege bis zu Bahre. Würde ein verfassungsgemäßes Gesetz pro Patientenverfügung verabschiedet werden, dann werden den Geschäftsmachern mit dem Tod die Kunden endgültig abhanden kommen. Und nur darum geht es den Interessenvertretern. Und Herr Meyer, nur kein Neid wegen der angeblich 8000 Euro. Die hätten Sie sich auch gerne eingesteckt so wie ich, nur wir beide finden gemeinsam dieses weitere Geschäftsmodell nicht so toll, gell?

  8. Dass Sie Herr Dr. Tolmein...
    Dass Sie Herr Dr. Tolmein diesen Beitrag veröffentlicht haben, rechne ich Ihnen hoch an, denn er ist eigentlich sehr „hassvoll“ geschrieben worden von mir. Eigentlich geht es mir um zwei Dinge:
    1. Die Macht und den Einflus der Ärzteschaft auf das Leben zu verringern
    und
    2. Sichergestellt zu sehen, dass jeder Mensch das Recht hat, mit Wissen über sein eigenes Leben zu entscheiden.
    Ich meine, dass das Verfassungsgericht dies auch so sieht.
    Ich bin eigentlich nicht gegen Hospize. Aber ich bin dagegen, Menschen, mit dem Argument, dass es Hospize gibt, das Recht auf die freie Verfügbarkeit über ihr Leben bei schwerer Krankheit zu nehmen oder abzusprechen.
    Ich glaube, dass z.B. Herr Professor Borasio und die verfasste Ärzteschaft den Menschen dieses Recht aus ideologischen Gründen abspricht. Keiensfalls wollte ich die Abeit der Hospize diskriditieren.

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