Biopolitische Themen werden in der 17. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages nicht ganz oben auf der Agenda stehen. Die absehbaren gesundheits- und sozialpolitischen Initiativen der künftigen schwarz-gelben Koalition wirken andererseits in diesen Bereich mit einiger Macht hinein. Zudem könnte sich hier – an der Schnittstelle von Wertefragen und ökonomischer Interessenpolitik – ein koalitionsinternes Spannungsfeld auftun: In zentralen biopolitischen Fragen wie Patientenverfügungs-Gesetz, Stammzellforschung oder Spätabbrüchen von Schwangerschaften standen- auch wenn keine Fraktionsdisziplin gefordert war – Abgeordnete der CDU/CSU und Politiker der FDP regelmäßig und wie selbstverständlich in unterschiedlichen Lagern.
Insofern lohnt ein kurzer Blick auf die (eher kleine) Szene biopolitisch profilierter Politikerinnen und Politiker, die es in den 17. Deutschen Bundestag geschafft haben – oder auch nicht mehr. Dabei mag man sich sogar ein wenig fragen, was herauskommen würde, wenn heute die Debatte über das Patientenverfügungsgesetz neu geführt werden würde: Der Namensgeber für den zum Gesetz gewordenen Entwurf, der ehemalige Richter und sozialdemokratische Abgeordnete Joachim Stünker jedenfalls hat seinen Direktwahlkreis verloren und auch über die neidersächsische Landesliste den Sprung in den neuen Bundestag nicht geschafft. Das Patientenverfügungsgesetz ist so unfreiwillig sein politisches Vermächtnis geworden. Auch die mit Stünker in dieser Frage eng zusammenwirkende Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk, die auch in Fragen des Spätabbruchs der Schwangerschaft gegen jede Form von Wertkonservatismus angetreten ist, hat es nicht geschafft in den 17. Deutschen Bundestag einzuziehen. Ihr liberaler Mitstreiter Michael Kauch dagegen sitzt wieder im Parlament und wird hier sein Engagement für eine weitreichende Deregulierung gerade auch in biopolitische Fragen intensivieren können. Angesichts der absehbaren Auseinandersetzungen in der Gesundheitspolitik und den sozialen Sicherungssystemen wird sich hier ein beachtliches Feld auftun.
Auch maßgebliche Verfechter des zweiten Patientenverfügungs-Gesetzentwurfes, dersich vor allem gegen die so genannte Reichweitenbegrenzung und gegen wirksame Unterscheidungen von echten Patientenverfügungen und nur einem gemutmaßten Willen ausgesprochen hat, werden im aktuellen Bundestag nicht mehr vertreten sein: Der Mitautor der Gesetzentwurfes, der CDU-Politiker und Mediziner Hans-Georg Faust verlässt nach über zehn Jahren das Parlament. Auch die Sozialdemokratin und ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, die eine der profiliertesten biopolitisch aktiven Bundespolitikerinnen war, sitzt nicht mehr im neuen Bundestag. Als dritte in diesem Bunde wird auch die biopolitisch sehr aktive, wenngleich in ihrer Fraktion nie fest verankerte Monika Knoche, die erst Abgeordnete der Grünen war, dann Abgeordnete der Linken nicht mehr ins Parlament einziehen. Nur der CSU-Abgeordnete Wolfgang Zöller, der diesen Zöller/Faust-Entwurf Entwurf maßgeblich mitgeprägt hat, der aber in anderen Fragen eher deutlicher als wertkonservativer Biopolitiker aktiv ist, wird auch weiterhin im Bundestag aktiv sein.
Die Autoren des von vielen Abgeordneten der CDU/CSU und der Grünen unterstützten, fast als schwarz-grünes Projekt (mit allerdings sozialdemokratisch rotem Solidaritätseinschlag) zu sehende Patientenverfügungs-Gesetzentwurfes von Wolfgang Bosbach, Rene Röspel und Katrin Göring-Eckardt, sowie Harald Terpe sind dagegen allesamt wieder im Bundestag vertreten. Es wird interessant sein zu verfolgen, ob sich dieses, in dieser Frage erfolglose Team, in künftigen biopolitischen Auseinandersetzungen als auf Solidarität, behindertenpolitisches Engagement, Wertkonservatismus und christliche Überzeugung setzendes schwarz-grün-rotes Team gegen anstehende technokratisch geprägte, auf Deregulierung bzw. ungebrochenen Fortschrittsglauben setzende schwarz-gelb-rote Projekte wird erfolgreicher behaupten können.
Dabei wird auch interessant sein zu beobachten, welche Rolle der als Gentechnikkritiker profilierte Parlaments-Neuzugang, der langjährige Greenpeace-Mitarbeiter Jan van Aken, der für die Linke in den Bundestag einzieht, einnehmen wird, der in dieser Fraktion mit dem Behindertenpolitiker Ilja Seifert den biopolitisch kritischen Flügel verstärken könnte.
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Verehrter Herr Tolmein.
Sie...
Verehrter Herr Tolmein.
Sie haben einen Punkt aufgegriffen, der in der Tat Anlass zu höchster Besorgnis geben sollte.
Die „Sonntagsredner“, geprägt durch die wertkonservative Schule und insbesondere dem „C“ in ihrem Parteinamen verpflichtet, werden wohl künftig wieder mehr in die moralische Glaskugel denn in die Verfassung schauen.
Bleibt nur zu hoffen, dass hier die FDP in den biopolitischen Debatten ein entsprechendes Gegengewicht aufbauen kann, damit nicht unversehens die Errungenschaften mit Blick auf das Selbstbestimmungsrecht wieder zu Grabe getragen werden.
Offensichtlich steht nun nichts mehr im Wege, ein großes „ethisches Kartell“ zu schmieden, in denen neben den Kirchen wohl auch der BÄK eine besondere Rolle zukommt; immerhin hat BÄK-Präsident Hoppe zum großen Wahlerfolg bereits seine Glückwünsche übermittelt.
Also – zurück in vergangene Jahrhunderte … (?)