Biopolitik

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Dieses Blog ist geschlossen. Es ist als Archiv über die biopolitische Debatte 2008 bis 2012 hier weiter einzusehen. Aktuelle Entwicklungen zum Thema

Babyklappen – ihre "technisch saubere Lösung"

| 2 Lesermeinungen

Lange Zeit waren Babyklappen kaum noch ein Thema für die Öffentlichkeit. Das hat sich mit der Empfehlung des Ethikrates, sie abzuschaffen geändert. Das Thema...

Lange Zeit waren Babyklappen kaum noch ein Thema für die Öffentlichkeit. Das hat sich mit der Empfehlung des Ethikrates, sie abzuschaffen geändert. Das Thema steht, auch wenn die Debatte darüber nicht so emotional aufgeladen erfolgt wie beim Thema Spätabtreibung, wieder oben auf der Agenda. Die Positionierungen erfolgen bisweilen überraschend: Während der Sozialdienst katholischer Frauen, der selbst Babyklappen betreibt, die Empfehlungen des Deutschen Ethikrates begrüßt, halten Politikerinnen wie Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) oder Andrea Nahles (SPD) die Ethikrat-Empfehlungen für „lebensfern“ und reklamieren, dass das Recht des Kindes aufs Leben über allem stehe (als wenn der Ethikrat, gegen dessen Positionierung sich sonst mancherlei einwenden lässt, das bestritten hätte). Auch die Aktion Lebensrecht für Alle e.V. schreibt in ihrem Pressedienst von einem „Schlechten Rat.“  Diese Kritik steht in einer Linie mit einem Minderheitenvotum von sechs Ethikratsmitgliedern, die feststellen, dass sie nicht wüßten, wie das Schicksal der in Klappen abgelegten Kinder sonst verlaufen wäre. Getragen wird das Sondervotum von Weihbischof Anton Losinger, dem Moraltheologen Eberhard Schockenhoff, dem Mediziner und Präsidenten des ökumenischen Kirchentages 2010 Eckard Nagel, von dem aus der Behindertenbewegung stammenden Peter Radtke, sowie vom christdemokratischen Ministerpräsident a. D. Erwin Teufel und der sozialdemokratischen Staatssekretärin a. D. Kristiane Weber-Hassemer.  Andererseits tragen andere Ethikratsmitglieder wie der Theologe Hermann Barth, die Bioethikerin Regione Kollek, die grüne Juristin Ulrike Riedel und der Psychologe Michael Wunder, die auch nicht zu den technokratischen Kräften im Ethikrat gehören die Empfehlung mit. Dazu demnächst mehr in der Printausgabe.

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Alle Fotos und Grafiken von www.babyklappe.info:
„Von der Ebene kann das Kind sanft in das
Wärmebettchen hinein gehoben werden.“

 

Babyklappen haben, wie sich dem Internet schnell entnehmen lässt, nämlich nicht nur eine heikle bioethische Dimension, sie sind auch Meisterstücke deutscher Handwerkskunst und als solche im günstigsten Fall von der Dekra geprüft, wie beispielsweise die Babyklappe Typ „Mose II“, für die deswegen noch Ende  Oktober 2008 völlig unabhängig von und ohne irgendein näheres Interesse an ethischen Beurteilungen der Befund lautete „Weiterbetrieb zulässig.“

 

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„Sämtliche Bauteile sind möglichst „vandalismussicher“ gefertigt.“

Der Produzent der Babyklappe Mose II, der vermutlich kein Freund der Empfehlung des Ethikrates sein dürfte, informiert auf seiner Webseite detailliert über die moralischen und technischen Vorbehalte, die der von ihm und dem nicht gerade katholischen Hamburger Sozialkleinkonzern „sternipark“ entwickelten Idee entgegengesetzt wurde. Von den Nr. 1 bis 8 der FAQ seien hier nur zwei zitiert:

 

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„Eine Meldung wird mit Verzögerung als „stummer Alarm“
automatisch weiter geleitet. (Dauer einstellbar)“

3. Wie war die Resonanz nach Inbetriebnahme der ersten Babyklappe?
Es gab wie gesagt keine Vorbilder oder Vorgaben. Das Ziel hingegen war klar, nachdem Kinder ausgesetzt und zum Teil sogar tot aufgefunden wurden: Hilfe für Mütter die keinen Ausweg mehr sehen, war die Prämisse und somit auch Hilfe für die Kinder. Die technische Umsetzung wurde auf uns übertragen.
4a. Welche Probleme ergaben sich bei der Planung?
Bei der Planung und auf der Suche nach Möglichkeiten zur Umsetzung sah ich mich zu Beginn heftigsten Anfeindungen ausgesetzt. Die Diskussion wurde durch uns ja erst in Gang gesetzt, davor handelte es sich um ein tabuisiertes Thema.
4b. Welche Probleme ergaben sich bei der Ausführung?
Ein funktionierendes Hebelarmverhältnis auf engem Raum zu schaffen hat uns viel Kopfzerbrechen bereitet. Ebenso wie das Abgreifen der elektronischen Meldungen.
4c. Welche Probleme ergaben sich bei dem Gebrauch?
Durch die Fertigung eines Prototypen handelte es sich auch bei der ersten Babyklappe um eine technisch saubere Lösung.“

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„Durch den „stummen Alarm“ benachrichtigtes
Fachpersonal kümmert sich um das Findelbaby.“

Babyklappen – schon angesichts dieses Begriffs erfasst mich ein gewisser Widerwillen – wohnt also schon seit ihrer Entwicklung ein Planungsgeist inne, der meint, mit technischen Konzepten ließen sich soziale Fehlentwicklungen in eine akzeptable Richtung steuern. In anderen Fällen sind solche Versuche gescheitert. Dass ausgerechnet die Babyklappe hier ein Gegenbeispiel sein sollte wäre zu beweisen. Bislang ist das nicht gelungen.  

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2 Lesermeinungen

  1. JH sagt:

    Besten Dank für den Beitrag....
    Besten Dank für den Beitrag. Der Punkt, dass wir als Menschen erkennen müssen, dass sich „die Tragik des Menschseins“ eben letztlich nicht durch Technik lösen lässt, dass es da also eine Dimension gibt, die wir nur durch wahre Menschlichkeit bewältigen können, ist eine der ganz großen Erkenntnisse (die übrigens auch bei der Aidsbekämpfung in Uganda zu immens großen Erfolgen geführt hat – siehe Harvard Researcher Edward Green).
    Im Zusammenhang mit der Babyklappe ist diese Argumentationslinie für mich jedoch der klassische Fall des Gesetzes der unbeabsichtigten Folgen: Zwar mag man Gründe finden, warum die Babyklappe nicht das ideale Mittel ist, zwar mag man auch anführen, dasss ein Kind ein „Recht hat, über seine Herkunft zu wissen“, allerdings nützt dies nichts, wenn das Ergebnis ein getötetes Kind ist – und sei es auch nur ein einziges.

  2. KPSommer sagt:

    Die Empfehlung des Ethikrates...
    Die Empfehlung des Ethikrates ist auf dem Niveau von „Sturm der Liebe“ und anderer Soaps, wo es ständig darum geht, wer nun wessen Kind ist, wer wen als „leiblichen“ Vater hat etc. Das Recht zu wissen, wer seine Eltern ist, kann nur postulieren, wer immer noch „Blut“ für dicker als alles andere hält. Es ist ein hinterwäldlerischer Rassismus, der sich hier äußert. Man weiß doch längst, wie schädlich es für viele Adoptivkinder es ist, erfahren sie, dass sie Adoptivkinder sind und lernen sie dann noch ihre leiblichen Eltern kennen.
    Der Ethikrat hat zuviel „Sturm der Liebe“ und „Alica folgen Deinen Herzen“ gesehen – und noch nicht begriffen, dass das 3. Reich am 8.5.1945 unterging.
    Mit freundlchen Grüßen, KS, Göttingen

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