Biopolitik

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Englischer Autor wünscht Suizid-Häuschen an den Straßenecken

| 13 Lesermeinungen

  Dort wo früher, als noch nicht jeder mindestens ein Handy hatte, Telefonzellen standen, will der britische Autor Martin Amis (60) künftig...

 

Dort wo früher, als noch nicht jeder mindestens ein Handy hatte, Telefonzellen standen, will der britische Autor Martin Amis (60) künftig Suizid-Häuschen für alte Menschen errichtet wissen. An jeder Straßenecke sollen die Alten „einen Martini und eine Medaille“ bekommen und durch ihr lässig-freiwilliges Ableben die demografische Zeitbombe entschärfen, die in den Industiegesellschaften nach Amis Auffassung tickt.

Bild zu: Englischer Autor wünscht Suizid-Häuschen an den Straßenecken

(Demnächst für den Suizid mit Martini gerührt und geschüttelt bereit? )

 

In einem Interview an diesem Sonntag mit der Sunday Times skizziert der britische Autor seine Schreckensvision einer

“Bevölkerung, die aus sehr alten, dementen Menschen besteht, die wie eine Invasion schrecklicher Immigranten aus Restaurants, Cafes und Shops herausstinken. Ich befürchte, dass wir in 10 bis 15 Jahren eine Art Bürgerkrieg zwischen  Alt und Jung haben werden.“

Deutlich plausibler klingt die Sorge des Autors um sein eigenes Schicksal, denn er befürchtet dereinst weiterleben zu müssen, ohne noch Schreiben zu können:

“Die Medizin hat sich verselbständigt und so müssen die meisten von uns weiterleben, auch wenn ihr Talent längst gestorben ist. Novellisten taugen ab etwa 70 nichts mehr und davor habe ich eine Mordsangst. Ich habe eine enorme paranoide Angst davor entickelt, dass mein Telent vor meinem Körper ablebt.“

Bild zu: Englischer Autor wünscht Suizid-Häuschen an den Straßenecken

(Suizidmöglichkeiten auch außerhalb der großen Städte? Foto: https://blog.stuttgarter-zeitung.de/wp-content/sunrise-mojave-phone-boot.jpg )

 

Sehr gelungen ist, dass das provokative, aber nicht satirisch gemeinte Interview mit Amis auch noch einen Verweis auf seinen Ende der Woche erscheinenden Roman enthält – Die schwangere Witwe –, eine Attacke gegen Feminismus und sexuelle Revolution. So erweist sich das aggressive, aber weder originelle noch besonders gehaltvolle Plädoyer für den Suizid als Mittel gegen die Überalterung der Bevölkerung, nicht als Beitrag nicht der gesellschaftlichen Debatte sondern als geschickter Marketingschachzug.

Bild zu: Englischer Autor wünscht Suizid-Häuschen an den Straßenecken

(Doppelsuizid und Suizid im Freien möglich, Foto: https://www.surveyor.in-berlin.de/berlin/zellen/index.html)

In den Niederlanden wurde eine vergleichbare Debatte über die „Selbstmordpille“ für alte Menschen, die sogenannte Drion-Pille in den 1990er Jahren und 2003 geführt. Allerdings dachten die Niederländer eher an private Lösungen zu Hause, als an den ganz großen Befreiungsschlag an jeder Straßenecke… 

PS.: Die Comic-Welt ist, wie ich Dank des Hinweises von Leser Fry (s. unten) weiß (Danke dafür), schon weiter und konkreter als die Literatur:

Für einen Quarter kann man zwischen drei Todesarten wählen: „quick and painless“, „slow and horrible“,“clumsy bludgeoning“. Ihren ersten Auftritt hat die Suizid-Zelle in „Space Pilot 3000“, wo ein Charakter (Fry) sie mit einer Telefonzelle verwechselt. 

Bild zu: Englischer Autor wünscht Suizid-Häuschen an den Straßenecken

(Suicide Booth aus „Futurama“, 20th Century Fox)

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13 Lesermeinungen

  1. Muriel sagt:

    Diese Altenschwemme-Panikmache...
    Diese Altenschwemme-Panikmache erinnert mich immer ganz drängend an die berühmte Pariser Pferdemistprognose.

  2. Fry sagt:

    Diese Telefonzellen gibt es...
    Diese Telefonzellen gibt es schon: In Futurama. (siehe Link)

  3. Amis Artikel ist sarkastisch,...
    Amis Artikel ist sarkastisch, passt aber gut zu Stimmugen, wie ich sie in letzter Zeit öfter habe. Ich werde in diesem Jahr leider 52, bin also ein alter Sack, die Jugend und ihre Unbekümmertheit ist entgültig vorbei, so gründlich vorbei, dass man den Abwärtsttrend nicht mehr verleugnen kann. Ich war gerade in den Rheinauen spazieren, wunderschöne Landschaft mit verschneiten Bäumen, doch leider musste ich an einer Horde Halbwüchsiger vorbeigehen, die sich mit Begeisterung eine Schneeballschlacht lieferten. Zum Glück verschonten sie mich, ich wäre ihnen sonst hilflos ausgeliefert gewesen auf den matschigen rutschigen Wegen. Vielleicht bin ich schon in dem Alter, in dem man sich leichter die Knochen bricht, wenn man ausrutscht – ich habe keine Lust, es auszuprobieren – was ich sagen will: spätestens in meinem Alter werden viele Menschen von trüben Gedanken an Verfall und Tod heimgesucht… wenn es so weit ist, soll der Tod als sanfter Todesengel zu mir kommen, den man bestellen kann wie einen Pizzaboten. Und nicht als fremder Eroberer, der auf seinem Ross auf mich zureitet und seine Sense schwinkt, ja solche Gedanken gehen mir nicht aus dem Sinn, so dass ich sie sogar anderen Menschen unterschiebe (habe übrigens vergeblich das Internet nach dem Schmetterlinge-Songtext abgesucht).
    Bekommen wir in D eine Regelung ähnlich wie in der Schweiz, muss natürlich gelten, was Sie in der heutigen Papierausgabe fordern: Sehr strenge Kontrolle, damit man sich nicht aus einer trüben Stimmung heraus verabschiedet.

  4. Bender sagt:

    Im Comic wird die Todeszelle...
    Im Comic wird die Todeszelle nicht nur von Fry, sondern auch vom Roboter Bender aufgesucht, der tatsächlich Selbstmord begehen will (oder will Bender nur Sex mit der Maschine?).
    So lernen sich Fry und Bender kennen, und der ganze Plot von Futurama kann beginnen…

  5. tolmein sagt:

    @Bender - ok, aufgrund ihrer...
    @Bender – ok, aufgrund ihrer Verwandtschaft mit Telefonzellen tragen auch Suizidzellen zur Intensivierung von Kommunikation bei, aber doch nur, wenn der (beabsichtigte, nicht beabsichtigte oder nur vielleicht beabsichtigte) Suizid scheitert…..

  6. <p>Das hört sich aber nicht...
    Das hört sich aber nicht gut und ich finde sowas auch absolut gegen den Menschen Würde!
    Abgesehen davon ist es sowohl gesellschaftlich als auch rectlich nicht durchsetzbar.

  7. Ahmet Hassan sagt:

    Ich frage mich ob das...
    Ich frage mich ob das verwerklicht gemacht werden kann;
    Irgendwi scheint es etwas sakastich; so ist es wahrscheinlich auch gedacht.

  8. Melanie sagt:

    Danke für diese informativen...
    Danke für diese informativen Beiträge. Schöne Grüße aus München!

  9. Rosa sagt:

    Ob das ernst gemeint ist? Ich...
    Ob das ernst gemeint ist? Ich glaibe auch nicht das soetwas sich durchsetzen kann.
    Allerdings bin ich schon dafür das ein Mensch selbst bestimmen sollte wann er z.B. die Schmerzen nicht mehr aushalten kann oder möchte und den eigenen Tod wünscht. Dies sollte ihm doch nun wirklich gestattet sein.
    Die Schweiz macht uns in vielen Dingen vor wie es geht…..

  10. Marius sagt:

    Haha geil, die Suicide Cell......
    Haha geil, die Suicide Cell… Futurama finde ich noch besser als die Simpsons 🙂

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