Plüschteddybären eine Uniform anzuziehen ist nicht grob anstößig, ja nicht einmal anstößig im einfachen Sinne. Dagegen ist Vermittlungsbereitschaft für strafbare Abtreibungen als solche bereits grob anstößig. Und auch die Verherrlichung von Schwangerschaftsabbrüchen wird von der Rechtsordnung als „grob anstößiges“ Verhalten geahndet. Auch das Anbringen einer aufdringlichen Werbung für ein Erotik-Portal auf einem Kleinlastwagen gilt als grob anstößig und ruft deswegen schnell einmal die Polizei auf den Plan. So viel hat ein kurzer nächtlicher Streifzug durch juris und die Kommentierung von Strafgesetzbuch und Ordnungswidrigkeitengesetz erbracht, eine Tagrecherche wäre vermutlich nicht viel ergiebiger.
Anlaß dafür nachzulesen, was die deutsche Justiz so alles für „grob anstößig“ oder eben doch noch hinnehmbar hält, bietet ein kurzer Gesetzentwurf des sozialdemokatisch geführten rheinland-pfälzischen Justizministeriums, der in einem neu geschaffenen Paragraphen 217 Strafgesetzbuch „Werbung für Suizidbeihilfe“ mit Strafen bis zu zwei Jahren belegt (bzw. wenn die Werbung erfolg reich war mit einer Strafe bis zu drei Jahren). Voraussetzung: Die Werbung erfolgt eines Vermögensvorteils wegen oder grob anstößig. Vorbild der Vorschrift sind offensichtlich Paragraph 119 Ordnungswidrigkeitengesetz, der „grob anstößige und belästigende Handlungen“ ahndet, wenn sie irgendwie öffentlich, praktisch oder optisch mit Sex zu tun haben bzw. Paragraph 219a Strafgesetzbuch, der die Werbung für den Schwangerschaftsabbruch verhindern will. Beide Vorschriften sind in der Praxis nicht gerade als Erfolgsmodelle bekannt, das hängt ganz wesentlich damit zusammen, dass in den gegenwärtigen Zeiten, deren öffentliches Klima von Castingshow-Heuelereien, Big Brother-Containern und der allgemeinen Begeisterung für Tabubrüche geprägt ist, reichlich unklar erscheint, was eigentlich „grob anstößig“ sein soll (oder auch, warum das, was den an sich hochgelobten Querdenkern als Ehrentitel gilt, gleichzeitig die Polizei auf den Plan rufen soll). Aber immerhin – die etwas ältlichen, übrig geblieben wirkenden Vorschriften dokumentieren, dass es eigentlich irgendwo Grenzen geben sollte.
Dass man nun allerdings neues Recht auf dieser etwas altbackenen Grundlage schaffen will, erscheint allerdings eher als Ausdruck von Hilflosigkeit der Gesetzesautoren, die es zwar gut meinen, die an das Thema aber auch nicht richtig ran wollen und sich deswegen ins Arsenal des, zu Recht aus der Mode gekommenen, „öffentlichen Friedens“ begeben. Schlau erscheint das aber nicht; man stelle sich nur den Prozess vor, in dem die Verteidigung eines Suizidwerbers sich (vielleicht gar nicht so erfolglos), am Nachweis versucht, dass die allermeisten Menschen die angeklagte Werbung gar nicht als „grob anstößig“ wahrnehmen.
Eigentlich erledigt Rheinland-Pfalz mit seinem Gesetzentwurf aber sowieso ein Geschäft, das sich die schwarz-gelbe Koalition in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen hat, das aber im Hause Leutheusser-Schnarrenberger offenbar wenig engagiert vorangetrieben wird: Die kommerzielle Suizidbeihilfe unter Strafe zu stellen… wir warten also weiter auf einen modern konzipierten, treffsicheren Entwurf, der sich gegen „geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid“ richtet.
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Grobe Anstößigkeit ist in...
Grobe Anstößigkeit ist in der Tat ein völlig ungeeigneter Maßstab für eine Strafvorschrift. Den meisten Leuten -ich schließe mich selbst nicht aus- tut es ganz gut, wenn sie ab und zu mal grob angestoßen werden.
Nachdem sich nicht nur die...
Nachdem sich nicht nur die RLP-CDU intern zerlegt hat, sondern auch die SPD unter Herrn Beck stark angeschlagen wirkt (Nürburgring/ Wohnbau Mainz …) bin ich mir sicher, dass viele Leute in RLP die attraktive, modern-dynamisch wirkende u. zudem Berlin-erfahrene Julia Klöckner wählen werden. Hinzu kommt der Bonus: Jung u. Frau.
Viele wissen das sicher nicht: biopolitisch vertritt sie ganz klar eine sehr wertkonservative und katholisch fundierte Position, schon fast wie die CDL ( Lebensschützer-Gruppe der CDU).
Die wird DAS dann schon durchziehen – natürlich „plüschfrei“.
„Für mich als Christin...
„Für mich als Christin kommt eine entscheidende Komponente hinzu: Das christliche Menschenbild. Es hilft mir bei der Beantwortung vieler Fragen …“ und da verwundert es nicht, das Frau Klöckner u.a. in ihrer Vita zum Punkt Ethik ausführt: „als studierte Theologin beschäftige ich mich intensiv mit Fragestellungen, die ins Grundsätzliche gehen, die den Ursprung und das Ende unseres Lebens betreffen und wo es um gesetzliche Regelungen und Grenzziehungen geht – wie bei der Transplantationsmedizin, der Embryonenforschung, der Präimplantationsdiagnostik, der Spätabtreibung oder der Patientenverfügung. Die Unantastbarkeit und der Schutz der Würde müssen in allen Lebensphasen geachtet werden. Deshalb lehne ich z.B. aktive Sterbehilfe ab und unterstütze die Palliativmedizin und Hospizarbeit.“ (Quelle: https://www.julia-kloeckner.de/mein_berlin/schwerpunkte.php ).
Nun bleibt zu hoffen, dass auch Frau Klöckner um die Bedeutung des Art. 38 GG und dem Neutralitätsgebot des Staates in „Glaubenssachen“ weiß, wenngleich doch auffällig ist, dass gerade jüngere Abgeordnete, die das „C“ in ihrem Parteinamen tragen, eine gewisse Neigung zur Revitalisierung höchst konservativer Werte entwickelt haben.
Ob allerdings Frau Klöckner auch eine ärztliche Suizidbeihilfe auf Dauer für unethisch halten würde, ist eine noch offene Frage, da diese nicht auf Ihren Seiten expressis verbis beantwortet wird. Freilich möchte ich mich hier nicht in Spekulationen versteifen, die – wie wir alle wissen – durchaus zu unangenehmen Folgen führen kann, wie uns die causa Kusch vs. Rössler lehrt 🙂