Biopolitik

Bitten oder Rechte einfordern? Palliativmedizin und Krankenkassen

Es gibt Meldungen, die klingen schön, aber als gute Nachrichten kann man sie nicht wirklich auffassen. Das ist so ein Satz: „Der Bundestags-Petitionsausschuss hat die Krankenkassen zum Aufbau einer flächendeckenden ambulanten Palliativversorgung aufgefordert. Diese soll die Begleitung sterbenskranker Menschen verbessern.“ Was, frage ich mich, hat der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages damit zu schaffen? Die Versicherten müssen nicht bitten und betteln. Sie haben im SGB V einen Leistungsanspruch auf spoezialisierte ambulante Palliativversorgung erhalten. Die nicht ganz so spezialisierte ambulante Palliativversorgung gehört schon länger zum Leistungsumfang. Die Krankenkassen haben im SGB V auch einen Sicherstellungsauftrag: Sie müssen dafür Sorge tragen, dass die Leistungen auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Dass sie den Sicherstellungsauftrag gerade in Hinsicht auf die palliativmedizinische Versorgung sträflich vernachlässigen stimmt. Nur: Wieso soll man deswegen ein bißchen freundlich betteln? Der Bundestag ist Gesetzgeber. Im Bundestag vertreten sind die Parteien, die die Regierung stellen. Es gibt einen Gesundheitsausschuss und einen Gesundheitsminister – das sind die richtigen Akteure, die die Kassen scharf antreiben müssen. Nicht mit guten Worten, die hier offensichtlich nicht helfen, sondern mit Drohungen und Sanktionen – Leistungen vorzuenthalten, die dringend benötigt werden und auf die es einen Anspruch gibt ist keine Bagatelle und schon gar kein Kavaliersdelikt (naja, zumindest nicht, wenn man einen positiven Kavaliersbegriff hat…).

Das musste mal gesagt werden. Es wurde auch gelegentlich schon mal gesagt. Und keineswegs nur von mir. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat dazu entschieden (und das ist auch schon wieder über ein Jahr her):

„Ein Versicherter kann nicht im Wege der einstweiligen Anordnung einer Krankenkasse auferlegen, unverzüglich einen Versorgungsvertrag nach § 132d SGB 5 zur inhaltlichen Konkretisierung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) nach § 37b Abs 1 SGB 5 mit den Leistungserbringern abzuschließen.“ (LSG Nordrhein-Westfalen L 16 B 15/09 KR ER)

Das war nicht überraschend, aber enttäuschend, denn die gegenteilige Entscheidung hätte Leben ins Gesundheitssystem gebracxht – es wäre zu interessant und unterhaltsam geworden,  den Krankenkassen dabei zuzusehen, wie sie zwangsverhandeln müssen. Immerhin hatte das LSG aber auch ein Einsehen mit den Patienten, die allerdings wenn sie schon spezialisierte Palliativversorgung benötigen, kaum noch Energeien haben werden auch noch den Rechtsweg einzuschlagen…

Die Durchsetzung seiner Ansprüche kann der Versicherte individualrechtlich nur im Rahmen des § 13 Abs 3 SGB 5 geltend machen.“

Erstattungsansprüche soll es also weiterhin geben…..

Aber das stört die Kassen leider kaum – die auch damit nicht gerade dazu beitragen, die an sich gute Idee der Sozialversicherung im Sinne der Versicherten überzeugend mit Leben zu erfüllen. Für Organisationssoziologen ein interessantes Feld: Wie koppelt sich eine Service-Instititution von ihrer Zielgruppe ab und entscheidet zusehends nur noch entlang den internen Eigeninteressen….. Warum die Politik das durchgehen lässt ist damit allerdings noch nicht geklärt. Dabei sind wir doch alle, irgendwie Patienten – allerdings nicht immer der Gesetzlichen Krankenversicherung.

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