Biopolitik

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Dieses Blog ist geschlossen. Es ist als Archiv über die biopolitische Debatte 2008 bis 2012 hier weiter einzusehen. Aktuelle Entwicklungen zum Thema

Der hohe Preis der Präimplantationsdiagnose – wer bezahlt ihn?

| 8 Lesermeinungen

Da die Präimplantationsdiagnostik nicht mehr als strafbar angesehen werden kann, stellt sich - neben vielen anderen Fragen - auch die Frage, wer die Kosten (...

Da die Präimplantationsdiagnostik nicht mehr als strafbar angesehen werden kann, stellt sich – neben vielen anderen Fragen – auch die Frage, wer die Kosten ( die zwischen 1500 und 2500 EUR betragen werden) dafür übernimmt. Schon die Finanzierung der In-vitro-Fertilisation wird von den gesetzlichen Krankenkassen – selbst bei vorliegen aller Voraussetzungen – nicht mehr voll, sondern nur noch zu 50 Prozent übernommen. Beamte und Privatversicherte haben dagegen nicht nur einen leichteren Zugang zur In-Vitro-Fertilisation (sie müssen nicht verheiratet sein), sondern können auch mit einer vollen Erstattung der aufwendigen Behandlung rechnen.

Die aktuellste Entscheidung, die sich des Themas „Kostenübernahme einer Präimplantationsdiagnose“ annimmt, stammt vom Hessischen Landessozialgericht (L 8/14 KR 314/04), das 2007 über den Kostenerstattungsanspruch einer zum Behandlungszeitpunkt 37jährigen Frau zu entscheiden hatte. Die  Klägerin hatte sich einer IVF-Behandlung in Belgien unterzogen, weil sie seit drei Jahren in fachärztlicher Behandlung wegen eines bislang unerfüllten Kinderwunschswar und es dabei sechs Mal nach eingetretenen Schwangerschaften zu Frühaborten zwischen der 3. und der 8. Schwangerschaftswoche gekommen war. Ursache hierfür war eine chromosomale Störung bei der Klägerin, die  zu einem hohen Anteil nicht lebensfähiger Eizellen und zu dem Risiko, im Schwangerschaftsfall ein körperlich und geistig schwerstbehindertes Kind zur Welt zu bringenführte. Ihre behandelnden Ärzte hatten ihr deshalb zu einer IVF-Behandlung mit vorheriger Präimplantationsdiagnose geraten. Die Klägerin gingebenso wie die Ärzte davon aus, dass diese Behandlung nur im Ausland stattfinden konnte. Sie entschied sich nach Belgien zu gehen. Die Behandlung war erfolgreich, die Klägerin gebar einen Sohn. Die Gesamtkosten ihrer Behandlung betrugen etwa. 6800 EUR.

Das Hessische Landessozialgericht entschied, dass die beklagte Krankenkasse diese Kosten nicht tragen müsste – und zwar selbst dann nicht, wenn man, entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts selbst, davon ausginge, dass die Präimplantationsdiagnose in Deuschland nicht durch das Embryonenschutzgesetz verboten wäre (diese Möglichkeit sahen die Richter immerhin schon damals):

„Die Frage, ob die PID in Deutschland ausnahmslos strafrechtlich verboten ist, ist von der Frage nach dem aus § 27a SGB V resultierenden Anspruch auf Maßnahmen der Befruchtungsmedizin zu trennen. Nach § 27a SGB V schuldet die Krankenkasse diejenigen Maßnahmen, die zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich sind, nicht aber solche Maßnahmen, die sich darüber hinaus auf die Geburt eines gesunden Kindes richten. Denn ohne jeden Zweifel enthält das Embryonenschutzgesetz vom 13. Dezember 1990 keine gesetzgeberische Entscheidung, die PID – für welche Fälle auch immer – zuzulassen. Angesichts dessen ist es aber sinnwidrig, die in unmittelbarer zeitlicher Nähe mit dem ESchG entstandene Vorschrift des § 27a SGB V dahingehend zu interpretieren, dass der Gesetzgeber damit einen Anspruch auf Leistungen der Befruchtungsmedizin in Form der Durchführung einer IVF-Behandlung auch für solche Fälle schaffen wollte, in denen der eigentliche Grund für die Wahl der IVF die dadurch ermöglichte Durchführung einer PID ist.“

An dieser sozialrechtlichen Beurteilung dürfte sich durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes nichts geändert haben. Entscheidend für eine Ablehnung der Kostenübernahme durch Krankenkasse ist zudem, dass der Gemeinsame Bundesausschuss keine entsprechenden Richtlinien erlassen hat.

Aber da wir nun ja gerade in die Debatte über die Präimplantationsdiagnose einsteigen, wird es auch zu diesem Thema einiges zu sagen geben, denn es dürfte schiwerig werden zu erläutern – wenn die Entscheidung ganz im Sinne der Bundesjustizministerin für eine Erlaubnis der Präimplantationsdiagnose unter bstimmten Bedingungen ausfallen oder durch eine Nicht-Entscheidung mit der gleichen Folge ersetzt werden sollte –  warum der Zugang zur PID für Privatversicherte leichter sein soll, als für Versicherte in der GKV.

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8 Lesermeinungen

  1. Wessinger sagt:

    was ist denn...
    was ist denn das:
    Präimplantationsdiagnostik?
    Okay ich gebe es zu, ich weiss es nicht, vermutlich wird untersucht, ob das zukünftige Kind gesund sein wird, und das in einem Reagenzglas?
    Also vor der Implantation?
    Wissen das alle, bin ich zu doof, weil schaue kein Fernsehen?
    Höre kein Radio…

  2. Elmar sagt:

    @ Wessinger: Das hat mit zu...
    @ Wessinger: Das hat mit zu doof nichts zu tun, denn Tolmein erklärt es in diesem Artikel in der Tat nicht für den uninformierten Laien. Ansonsten: Interessante Fragestellung mit der Kostenübernahme, wenngleich sicherlich nicht das, welches die Gemüter aktuell am meisten bewegt

  3. tolmein sagt:

    @wessinger: hat mit doof...
    @wessinger: hat mit doof nichts zu tun…. Präimplantationsdiagnostik erfordert eine künstliche Befruchtung. Der in vitro (also außerhalb des Mutterleibs) erzeugte Embryo kann dann vor der Einsetzung (präimplantation….) auf bestimmte genetische Eigenschaften hin (erwünschte oder unerwünschte) getestet werden. Wenn er diese hat bzw. nicht hat, wird er eingesetzt, ansonsten vernichtet. Hilft das?

  4. Ruth Priese sagt:

    Hallo, Herr Tomein, gerade...
    Hallo, Herr Tomein, gerade hatte ich mich mit Christiane Kohler-Weiß´, m. E. wichtigem Buch „Das perfekte Kind – eine Streitschrift gegen den Anforderungswahn“ beschäftigt, da bricht über uns das neue Urteil des Bundesgerichtshofes herein. Und beim Stöbern in den Stellungnahmen fiel mir Ihr Artikel in der FAZ angenehm auf. Danke!
    Ich habe 16 Jahre lang als Sozialarbeiterin Familien mit behinderten Kindern so gut ich konnte begleitet. Immer hatte ich tiefen Respekt vor ihrem Schicksal und war auch oft beeindruckt davon, w i e sie damit lebten und m. E. auch in der Mehrzahl innerlich wuchsen. Für uns war es selbstverständlich, dass diese Familie viel, viel Unterstützung brauchen. Ich erinnere gern Gerda Juns hilfreiches Buch über die Bewältigung dieses Schicksals in verschiedenen Familien mit dem schönen Titel „Kinder, die anders sind“.
    Nun können Eltern sich entscheiden – und ich kann nur hoffen, dass a l l e GynäkologInnen, bei j e d e r „positiven“ Befundübermittlung so behutsam mit den Eltern sind, dass sie in aller Ruhe mit ihnen die verschiedenen Möglichkeiten „ergebnisoffen“ erläutern oder ihnen entsprechende Beratungsstellen empfehlen, ihnen wenn möglich – vor einer Entscheidung – Kontakte zu Familien mit behinderten Kindern vermitteln.
    Was mir grosse Angst macht und mich in den vergangenen Tagen wirklich in Panik versetzt hat, ist u.a. die explodierende Werbung der offenbar Morgenluft (sprich gesteigerte Verdienste) witternden Betreiber von Reproduktionskliniken.
    Wo werden in der Debatte deren Motive und deren Lobbyisten durchleuchtet? Wird die „Not“ der Paare mit Kinderwunsch nicht in höchstem Masse instrumentalisiert?
    Die o.g. Frau Kohler-Weiss beschreibt sehr schön ihre Erfahrungen, die besagen, dass genauso viele Paare von allein schwanger werden, wenn sie sich, wie alle unsere Vorfahren auf ein geduldiges W a r t e n einlassen, wie die 30 % der Paare, die sich solcher technischen Manupulationen unterziehen. Dieses Zwingen ist so unnatürlich! – Kinder werden in das Leben hinein gezwungen —- . (Wer kümmert sich eigentlich um das Leid der 70% der Paare, bei denen die künstliche Befruchtung zu keinem Kind geführt hat?).
    Welche Überheblichkeit und Anspruchshaltung gegenüber der „Natur“ wird durch die Freigabe der PID wieder um einen gewaltigen Schritt gefördert!!!!
    Ich hoffe sehr, dass Ihr Blog mit dazu beiträgt, dass diese Debatte wirklich breit geführt wird, bevor eine Überarbeitung des Embryonenschutzgesetzes in Gang kommt, und dass die Motive der Reproduktionsmediziner Gentechniker offen hinterfragt weden. Es gibt auch gesellschaftsschädigende Forschung und die gehört öffentlich geächtet.
    innerlich beschwert –
    Ruth Priese

  5. diana sagt:

    da ich selbst betroffen bin...
    da ich selbst betroffen bin und schon drei kinder verloren habe bin ich voll für die pit und muss mit betauern sagen das wir von der kasse nicht unterstützt werden und fast 10000 euro selbst zahlen müssen und ich negativ denker verachte den die sollten selbst erstmal in diese lage kommen und erst dann urteilen ich bin froh das es jetzt erlaubt ist den wir haben keine andere chanze ausser dieser pit und es geht nicht darum zu wissen hat mein kind blaue augen schwarze oder blonde haare oder mir mein kind so zu machen zulassen wie ichs gern hätte es geht ganz allein darum ein gesundes kind zu bekommen !!!!!!!!!!!!!

  6. Steffka sagt:

    Ich bin auch selbst betroffen,...
    Ich bin auch selbst betroffen, aber nicht weil ich nicht schwanger werden kann (wobei ich das nicht weiß, da ich es noch nicht probiert habe), sondern weil ich einen Gendefekt habe, den ich meinem Kind nicht zumuten möchte. Ich leide an MEN 1 (MUltiple Endokrine Neoplasie Typ 1) was mal banal ausgedrückt ein Tumorleiden ist. Es können sich an all meine Hormonproduzierenden Organe Tumore bilden die dann früher oder später opereiert werden müssen.
    Ich gehöre leider Gottes nicht zu den oberen 10000 die sich diese Untersuchung mit anschließender künstlicher Befruchtung leisten können, von daher wäre ich dafür das das in solchen Fällen von den Kassen übernommen wird. Im endeffekt kommt es den Kassen günstiger einmal in so etwas zu investieren als die ganzen anschließenden Untersuchungen und operationen, wenn ich ein krankes Kind bekommen würde.
    Die Entscheidung ob man überhaupt seinem Kinderwunsch nachgehen soll ist schon arg schwer…

  7. julia sagt:

    ich bin auch leider selbst...
    ich bin auch leider selbst betroffen, habe schon 1 Todgeburt und 3 Fehlgeburten hinter mir, bei mir ist das einzige möglichkeit auch nur pid. Die Leute die nicht selbst betroffen sind haben einfach echt leicht reden. Psychisch kann ich noch ein Tod- oder Fehlgeburt nicht mehr verkraften, aber ich möchte auch nicht mein kinderwunsch aufgeben. Finanziell kann ich pid mir auch nicht leisten, wofür ist man krankenversichert wenn die Kassen uns in solche sehr schwierige situation uns nicht unterstützen. Die sollen sich mal in unsere lage sich versetzen, wir machen das schon seit 5-6 Jahren durch, es vergeht fast kein einzige tag ohne tränen, unser Kinderwunsch ist einfach sehr gross….

  8. Becky sagt:

    In unserer Familie wird ein...
    In unserer Familie wird ein seltener Gendeffekt vererbt – Alport Syndrom. Dass mein Bruder noch so leben kann wie er es tut ist ein Wunder. Und mit dem Wissen Kinder (bzw Söhne) zu haben, die damit leben müssen dass sie nur mit Nierentransplanation oder Dialyse „alt“ werden können, abgesehen von den anderen Begleiterscheinungen (und der nicht-vorhanden Therapie der Schulmedizin)… ist deprimierend. Unsere ganze ganze Familie leidet darunter.
    Wenn ich die Wahl hätte würde ich lieber wissen, dass meinen Kindern diese Krankheit erspart bleibt – und mir und meinem Partner der Schmerz.
    Und wie auch Steffka schon meinte… die Kosten (allein was die Diagnostik und der Gentest zum feststellen der Krankheit und nun die monatlichen Kontrollen kosten) sind mit PID günstiger als ein Leben mit der Krankheit (neue Niere, Dialyse, Hörgeräte, Augenerkrankung behandeln, Arbeitsausfälle, …)
    Klar ist „Gott spielen“ ethisch eine Grauzone, ich fand den Gedanken lange auch nicht gut. Aber ich denke mir, wenn man selbst von etwas nicht betroffen ist, sollte man vorsichtig sein leichtfertig zu urteilen.

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