Angesichts der gegenwärtigen Begeisterung für Volksentscheide in der Bundesrepublik lohnt gelegentlich ein Blick in die Schweiz – zumal wenn es auch noch um das Thema „Beihilfe zum ´Suizid“ geht, muss man doch in der Bundesrepublik bei kaum einem Thema eine so starke Diskrepanz zwischen Tätigkeiten des Gesetzgebers und Ergebnissen von Meinungsumfragen feststellen, wie beim Thema „Sterbehilfe“ (auch wenn der Unterschied zwischen den Ergebnissen von Meinungsumfragen und tatsächlichen Abstimmungsergebnissen sicher nicht zu vernachlässigen ist).
In der Schweiz ist gerade ein Versuch von Sterbehilfebefürwortern vor dem Bundesgericht gescheitert, den Volksentscheid „Nein zum Sterbetourismus im Kanton Zürich!“ zu verhindern. Die umstrittene Initiative hat den knappen Wortlaut:
„Der Kanton Zürich erlässt rechtliche Bestimmungen, welche jegliche Beihilfe zum Selbstmord an Personen ohne mindestens einjährigen Wohnsitz im Kanton Zürich (Sterbetourismus) nicht gestatten und unter Strafe stellen.“
Kritisiert wird, dass eine entsprechende kantonale Regelung- wenn sie denn von den Stimmberechtigten beschlossen werden würde (was allerdings nicht ausgeschlossen scheint) – gegen schweizerisches Bundesrecht verstoßen würde, das in Paragraph 115 Strafgesetzbuch das Thema „Suizidbeihilfe“ abschließend regele.
Die Details der schweizer bundesgerichtlichen Entscheidung und die rechtlichen Probleme des 2009 in die Wege geleiteten Volksentscheids sind juristisch kompliziert und überwiegend verfahrensrechtlicher Natur, die hier im Blog nicht aufgearbeitet werden können uns müssen. Bemerkenswert ist immerhin, dass die Direktion der Justiz und des Inneren des Kantons davon ausgeht, dass die Volksinitiative trotz der Entscheidung des Bundesgerichts inhaltlich unzulässig sei und eine Abstimmung verhindert werden könnte. Das wird sich zeigen.
In diesem Zusammenhang könnte von Bedeutung sein, wie eine Initiative der Schweizer Bundesregierung, das Recht der Suizidbeihilfe überhaupt zu ändern (= zu verschärfen) , weiter geführt wird: An der Initiative, für die im Frühjahr das Anhörungsverfahren (mit dem schönen Titel „Vernehmlassung“) zu Ende gegangen ist, hatte es viel Kritik, aber auch einige Zustimmung gegeben. Seitdem hat sich auf der politischen Ebene hier nichts Neues entwickelt. Da das schweizer Bundesgericht aber vor kurzem auch eine Vereinbarung zwischen der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und der Sterbehilfeorganisation „Exit“ für unzulässig erklärt hat, die die Details der Suizidbehilfe regelte, besteht offensichtlicher Handlungsbedarf. Für die deutsche Diskussion ist daran auf jeden Fall interessant, dass die Schweizer Regelung offensichtlich gerade kein einfach konsensfähiges Modell für Suizidbeihilfe gefunden hat, auch wenn sich die in diesem Zusammenhang entwickelte Praxis vor allem derSterbehilfeorganisation „Dignitas“ in einschlägigen Kreisen von Sterbehilfebefürwortern außerhalb der Schweiz großer Zustimmung erfreut.
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Ein kleiner Schritt in die...
Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, dem organisierten Sterbetourismus Einhalt zu gebieten. Denn schon seit längerer Zeit sind in der Schweiz Bestrebungen im Gange, die Sterbehilfe als zweifelhaften Exportschlager zu stoppen.
Es könnte in 20, 30 Jahren...
Es könnte in 20, 30 Jahren ein Drama werden. Der Staat stellt die Bürger vor die Entscheidung: Die Alten, also wir, werden mit 75 Jahren „freiwillig““eingeschläfert“ und bekommen ein „schönes“ Begräbnis und die Hinterbliebenen ein „Abschiedsgeld“ oder wer lieber nicht gekillt werden will, darf zwar leben, kommt in ein Massengrab und die Hinterbliebenen bekommen die vernichtende Rechnung für Pflege, Arztkosten und Versorgung und für die Kosten die Jahre die länger gelebt wurden wie die Renten-Statistiker es ausgerechnet haben. Ich fürchte mich, dass das Sterben mit dem Tiereinschläfrungsmittel oder ähnlichem dann Pflicht wird und nicht erlösende Option bei grauvollster Agonie. Wie heißt es so schön:“ Ich will an der Hand eines Menschen sterben und nicht durch die Hand eines Menschen,“Von wem das Zitat ist , weiß ich nicht. Unsere Gesellschaft tötet ja die Kinder im Mutterleib, das werdende Leben wird gemordet, warum sollte diese Gesellschaft vor dem vergehenden Leben mehr Respekt haben?
@SGS: Ob dies ein kleiner...
@SGS: Ob dies ein kleiner Schritt in die richtige Richtung sei, kann insofern nicht beurteilt werden, weil selbstverständlich die Schweizer die Frage nach der Zulässigkeit des Sterbetourismus für sich zu entscheiden haben.
Weitaus interessanter freilich ist, wie wir hierzulande darauf zu reagieren gedenken, wenn und soweit den Sterbewilligen die Möglichkeit genommen wird, ggf. die Suizidbeihilfe in der Schweiz in Anspruch nehmen zu können und zwar insbesondere mit Blick auf die Schwersterkrankten? Nun – ich meine, die ärztliche Suizidbeihilfe käme als echte Alternative in Betracht, mal ganz davon abgesehen, dass es doch wohl inhuman sein dürfte, Schwersterkrankte noch auf eine „letzte Reise ohne Wiederkehr“ schicken zu wollen.
Die aktuelle Debatte zeigt denn auch, dass hier sich scheinbar etwas bewegt, mögen auch in erster Linie Ethiker moralische Bedenken gegen eine Legalisierung der ärztlichen Suizidbeihilfe hegen. Diese Bedenken sind allerdings nicht durchgreifend, wie ein unverkrampfter Blick in das Verfassungsrecht zeigen wird. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, dass nicht zur Fremdbestimmung etwa über die Ärzteschaft führt, ist nicht mit „moralischen Pflichten“ zu belegen, wie manche Ethiker und Mediziner glauben, uns im öffentlichen Diskurs vorhalten zu müssen. Dem ist mitnichten so und sofern die aktuelle Umfrage unter den Ärzten belegt, dass mehr als 1/3 der Ärzteschaft sich eine Liberalisierung wünscht, hat sich gleichsam der „Sterbetourismus“ dergestalt in Wohlgefallen aufgelöst, dass hierzulande auch human gestorben werden darf!
@Ute Lehmann: Verehrte Frau...
@Ute Lehmann: Verehrte Frau Lehmann, Ihre Ängste sind unbegründet, da unsere Verfassung gegenüber einer solchen befürchteten Entwicklung verfassungsfest ist.
Sitzen Sie bitte nicht den ideologischen Botschaften mancher Ethiker und Theologen auf, die da ganz bewusst Ängste mit den „Dammbruch-Argumenten“ schüren, die allerdings bei näherer Analyse nicht erhärten lassen.
Größte Aufmerksamkeit hingegen sollten wir gegenüber den Paternalisten walten lassen, die da glauben, uns mit „moralischen Pflichten“ überziehen zu können, die ihresgleichen suchen. Diese Bestrebungen sind durchaus real, wie sich an aktuellen Beiträgen einiger Diskutanten ablesen lässt und allein dies muss uns Sorge bereiten, nicht hingegen der freiwillige Suizid eines Schwersterkrankten.