Vor kurzem war es noch eine etwas absurd anmutende Idee, jetzt ist es ein politischer Beschluss: Wer in Niedersachsen künftig einen Personalausweis oder Reisepaß beantragt, wird von den Behörden mit Werbematerial für Organspende versorgt und so mit der Aufforderung konfrontiert, gleichzeitig noch einen Organspendeausweis auszufüllen. Besonders große Hoffnung setzen die niedersächsischen Behörden auf den neuen Personalausweis, der ab dem 1.November eingeführt werden wird. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) kündigte in Hannover an: „Wir wollen die Einführung des neuen Personalausweises zum 1. November zur gezielten Werbung für Organspenden nutzen.“
Damit könnten die Niedersachsen eine Stimmung in der Bevölkerung treffen. 2006 jedenfalls waren die Deutschen, glaubt man dem „Spiegel,“ mehrheitlich für eine verpflichtende Erklärung „Organspende ja/nein“ im Personalausweis. Die Pflicht sich zu erklären stößt auf viel Zustimmung-in einer Zeit, in der sich das Recht auf Nichtwissen allmählich etabliert und immer mehr Unterstützer findet eine erstaunliche Entwicklung. Die große Anzahl von Befürwortern einer Erklärungspflicht ist auch deswegen erstaunlich, weil sie auch nicht annähernd mit der Zahl derer korrespondiert, die dann tatsächlich einen Organspende-Ausweis ausfüllen.
Wenn nun die Behörden Druck auf die Bürger ausüben und suggerieren, dass der Organspendeausweis ein offiziöses sei, könnten sich die Zahlen der spendebereiten Deutschen vielleicht tatsächlich nach oben entwickeln. Der Preis dafür ist allerdings hoch. Ausgerechnet bei einer recht komplexen und zudem bioethisch äußerst umstrittenen Frage wie der Organspende forciert der Staat mit diesem Vorgehen eine bestimmte ethische Haltung und mischt sich damit weit und konkret in die Intimsphäre und das Privatleben seiner Bürgerinnen und Bürger ein, indem er Ihnen Entscheidungen abnötigt und dafür sogar Vorgaben macht, was richtig und was falsch sei.
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Der Preis ist hoch?...
Der Preis ist hoch? Einmischung in die Intimsphäre? Weil man den Bürgern eine Entscheidung abverlangt, ob sie ihre Organe gerne verrotten lassen möchte oder damit Leben retten?
Herr Tolmein, ich formuliere mal bewusst ein bisschen pointierter als es vielleicht sachlich geboten wäre: Ihr ethisches Koordinatensysten scheint mir hier ein bisschen verrutscht.
Ich weiß nicht mal, wie man es überhaupt rechtfertigen will, dass einem Toten seine Organe nur dann entnommen werden dürfen, um andere Menschen zu retten, die sie dringend brauchen, wenn er dem ausdrücklich zugestimmt hat. Eine Entscheidung zu erzwingen, damit es wenigstens nicht mehr an schierer Nachlässigkeit scheitert, ist da in meinen Augen das Mindeste, was der Staat tun kann.
Am besten man überträgt...
Am besten man überträgt diese Aufgabe dem „Hospizverband“ und seinen angeschlossenen Kirchen, Gutmenschen und Moralerziehern. So wie die Gebühreneinzugszentrale für das staatliche TV und Radioprogramm ziehen die wie die Zeugen Jehovas von Haus zu Haus und zwängen den Deutschen Formulare auf, die das Auswaiden nach dem Tod erlaubt. Und jemand, der im Hospiz mit Schmerzmitteln vollgespritzt wurde, dem bleibt die Verunstaltung seiner Leiche erspart, denn er/sie hat dem Verein schon genug Knete gebracht. Da konvertiere ich lieber zum Islam, denn nach dessen Ritus muß die Leiche sofort unter die Erde gebracht werden, das rettet mich dann vor der Auswaidung. Es ist erschreckend was diesen Konservativen so einfällt.
infofreak
Das Problem besteht...
infofreak
Das Problem besteht doch nicht darin, dass „nach dem Tod“ Organe entnommen werden. „Nach dem Tod“ sind sie, vielleicht bis auf die Nieren, nicht mehr brauchbar. Nein, die Transplantationmedizin benötigt den sog. Hirntod. Und dieser ist erneut unter Medizinern sehr infrage gestellt worden. Man sollte sich mal informieren, was da mit einer „lebenden Leiche“ passiert. Die Formulierung im Organspendeausweis „nach meinen Tod“ ist eine ausgesprochene Irreführung, im Klartext eine Lüge.