Biopolitik

Konservativismus, PID und das Autoradio Teil 1

Autofahren ist nicht umweltfreundlich, bildet dafür aber, oder regt jedenfalls gelegentlich Gedanken an, weil man dabei viel besser Radio hören kann als im Zug und man gar nicht ffn hören muss. Heute also auf der Fahrt in ein Pflegeheim, wo ich mir als Verfahrenspfleger einen Eindruck darüber verschaffen sollte, ob es dem mutmaßlichen Willen eines jungen, aber seit langem im Wachkoma liegenden Mannes entspricht, nicht mehr über eine PEG-Sonde ernährt zu werden, reflektierte Michael Stürmer im Deutschlandfunk, ob die Debatte über die Präimplantationsdiagnostik (PID) dafür taugt das konservative Profil der CDU zu schärfen. Nein, taugt es nach Stürmers Meinung, die ich sonst wohl nicht wahrgenommen hätte, nicht. Denn, so die überraschend gläubige Volte des Historikers, Gott habe der Menschhheit diese wunderbare Technik gegeben, mit der sich Leid verhindern ließe, als sollte man sie auch nutzen. Dass auch der junge CSU-Politiker Markus Blume bei PID im wesentlichen an „schwierig“ dachte und nicht so recht ein noch aus wußte, bestätigte Stürmer auf gewisse Weise. Bettina Gaus von der „taz“, gewiss keine Konservative, mochte als einzige in der Dreierrunde gewisse Gründe für ein Verbot der PID erkennen ohne sich gleichzeitig entschieden dafür auszusprechen -und auch das klärte eindeutig: nein,  bioethische Themen sind es wohl nicht, mit denen die CDU/CSU sich als konservative Partei profilieren kann.

Das hatte ich mir natürlich schon gedacht, fand es aber doch eindrucksvoll, dass gerade von Herrn Stürmer bestätigt zu bekommen. Die interessante sich daran anschließende Frage blieb allerdings weitgehend ungeklärt: Wenn mit dem Verbot der PID in Sachen „konservatives Image“ nichts zu gewinnen ist, warum hat sich die Bundeskanzlerin dann so früh und so dezidiert positioniert? Hat sie es nicht gemerkt? Unterliegt sie einer Fehleinschätzung? Geht es ihr aus anderen als aus taktischen Gründen um das Thema?

Dass jetzt mit Wolfgang Schäuble ein weiterer CDU-Politiker gegen ein PID-Verbot  Stellung bezogen hat, treibt die Diskussion dagegen auf rechtübersichtliche Weise weiter: In der Öffentlichkeit wird das als schwerer Schlag für die Befürworter eines PID-Verbots wahrgenommen, weil Schäuble, wie es in dem einen oder anderen Bericht so schön heißt, „der ranghöchste behinderte Politiker“ Deutschlands sei.Wunderbar. Hier kommt etwas von der Betroffenen-Perspektive zumTragen, was eigentlich aus den identitätspolitischen Grundsätzen der Grünen in älteren Zeiten stammt: Betroffenen wissen am besten wo es langgeht. Das ist in vielerlei Hinsicht unzutreffend. Und so erfreulich es ist, dass es auch einen hochrangigen Bundesminister mit einer Behinderung gibt, so wenig wird der dadurch zu einer besonderen Koryphäe in der Behindertenpolitik oder gar in Fragen von Antidiskriminierungspolitik. Hier sei nur an den mittlerweile verstorbenen Supermann-Darsteller Christopher Reeve erinnert , der auch, trotz oder wegen seiner Querschnittlähmung, ein engagierter Verfechter aller ethisch problematischen biomedizinischen Verfahren war, insbesondere der Forschung mit embryonalen Stammzellen.

Nun, die PID-Debatte auf dem CDU-Parteitag ist auf heute verschoben. Gut, dass ich wieder unterwegs bin. Zuerst in ein weiteres Heim, diesmal geht es um den mutmaßlichen Willen einer hochbetagten, dementen Frau – die Zahl der Anträge auf Abbruch der künstlichen Ernährung nimmt offenbar  zu. Dann noch anderthalb Stunden Fahrt  zum Sozialgericht nach Schleswig. Reichlich Zeit mehr über Verhältnis von CDU, Konservativismus und PID zu hören und nachzudenken.

 

 

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