Biopolitik

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Leihmutter zur Abtreibung genötigt

| 5 Lesermeinungen

Ein wesentliches Argument für die Freigabe der Präimplantationsdiagnose ist, dass man dagegen eh nichts machen könnte, weil Deutschland mit seinen strengen...

Ein wesentliches Argument für die Freigabe der Präimplantationsdiagnose ist, dass man dagegen eh nichts machen könnte, weil Deutschland mit seinen strengen rechtlichen Regelungen alleine da stünde.Ein weiteres Argument ist: Die Präimplantationsdiagnose ermuntere Paare dazu Kinder zu bekommen, „PID heißt Ja zum Kind“. Das klingt alles hübsch, hat mit der Wirklichkeit der Reporduktionsmedizin allerdings wenig zu tun, wie sich am Beispiel der Leihmutterschaft zeigen läßt,auf die beide Argumente so gut oder so schlecht zutreffen, wie auf die PID.Auch für Paare, die Leihmutterschaften in Auftrag geben ist das oft die einzigeMöglichkeit ein Kind zu bekommen und auch in dieser Frage gibt es viele Staaten mit freizügigeren Gesetzen als Deutschland, das die Leihmutterschaft (noch) verbietet.

In Kanada beispielsweise ist die Leihmutterschaft so erlaubt, dass es hier professionelle Vermittlungsagenturen gibt und – wie immer wenn etwas erlaubt ist – auch Rechtsstreitigkeiten, die allerdings oft nicht zu Gericht gehen. Der Fall, der im Oktober die Öffentlichkeit von British Columbia bewegte beispielsweise wurde ohne Richter entschieden: gegen Leihmutter und Kind, sozusagen im Sinne der genetischen Familienplanung. 

Ein Paar, das sich entschieden hatte ein Kind mithilfe einer Leihmutter zu bekommen, erfuhr, dass das Kind voraussichtlich mit Down-Syndrom, also eine Behinderung, geboren werden würde. Das Paar forderte die Leihmutter auf, die Schwangerschaft abzubrechen. Als sich die Frau, selbst Mutter zweier eigener Kinder weigerte, setzte das Paar sie mithilfe der Anwälte unter Druck und kündigte an,für das Kind nach seiner Geburt keinerlei Unterstützung zu leisten, geschweige denn es anzunehmen. Die Leihmutter ging davon aus, dass diese Position durchsetzbar sein würde – und entschied sich die Schwangerschaft gegen ihren eigenen Willen abzubrechen, weil sie sich außerstande sah selbst für das kind zu sorgen.

Der Fall, der auf einer Tagung von Reproduktionsmedizinern öffentlich gemacht wurde, führte zu einer rechtlich und ethisch äußerst kontroversen Diskussion, die aber deutlich machte, dass solche Fälle, die mit Zunahme der Leihmutterschaften auch mehr werden, gegenwärtig rechtlich nicht befriedigend zu lösen sind: Gibt man dem Selbstbestimmungs- und Selbstverwirklichungsrecht der Paare einen so hohen Rang, dass man Leihmutterschaften zuläßt, ist schwer zu begründen,warum die Auftraggeber nicht auch einfluß auf die Qualität des Kindes haben sollen. Aus Sicht der Leihmutter wird damit aber der Auftrag, den sie erhält erweitert, denn sie muss nicht nur bereit sein,eine Schwangerschaft auszutragen, sondern dies auf Aufforderung auch zu unterlassen und einen Abbruch hinzunehmen, der einen erheblichen Eingriff in ihre Integrität darstellt.

Eine restriktive Gesetzgebung kann da,weil sie auch dem Entstehen solcher ethischen Dilemmata vorbeugt, ihre Vorzüge haben.

 

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5 Lesermeinungen

  1. ThorHa sagt:

    "Eine restriktive Gesetzgebung...
    „Eine restriktive Gesetzgebung kann da,weil sie auch dem Entstehen solcher ethischen Dilemmata vorbeugt, ihre Vorzüge haben.“ Für einen so intelligenten Menschen wie Sie ist das eine ziemlich denkfaule Position: Eine restriktive nationale Gesetzgebebung verschiebt moralische Dilemmata in Nachbarländer und erspart die eigene (politische und rechtliche) Auseinandersetzung damit, nicht mehr. Denn das Dilemma entsteht natürlich auch (sofern im Zielland gesetzlich erlaubt), wenn ein deutsches Paar eine z.B. Kanadierin zur Leihmutter macht und dann in Kanada auf Avbtreibung klagt. In gewisser Weise ist Ihr Schlussatz trotzdem bezeichnend – für die Scheu westlichen Bürgertums, sich überhaupt noch in ethische Grauzonen zu begeben. Statt dessen Vogel Strauss Politik – wenn ich die Augen zumache, verschwidnet das Problem. Das ist nach meinem Dafürhalten aber die ethisch unhaltbarste von allen denkbaren Positionen.

  2. Frank sagt:

    PID heißt ja zum Kind, und...
    PID heißt ja zum Kind, und kann mit der Wirklichkeit der Reproduktionsmedizin sehr viel zu tun haben.
    So wäre es richtiger.
    Im Fernsehen gab es vor ein eingen Tagen einen Bericht über ein junges Paar, welches ein Kind mit Trisomie 18 auf die Welt brachte. Es ist schwerst behindert.
    Das lag an der Frauenärztin, die hatte dem Paar gesagt, es sei alles in Ordung.
    Die Ärztin wird jetzt verklagt, auf 1 Mill. Schadenersatz. Die Eltern hätten es bei Kenntnis der Lage abgetrieben und der Gesetzgeber hat dies auch erlaubt.
    Und dann gibt das Ehepaar, daß keine Kinder bekommt und sich deshalb mittels künstlicher Befruchtung behandeln läßt. Den Ärzten in diesem Lande ist es verboten vor dem Transfer zu schauen, ob alles in Ordnung ist.Wenn es schlecht läuft, geht die Natur ihren Gang und es kommt zu keiner Schwangerschaft. Kommt es jedoch zu einer Schwangerschaft mit z.B. Trisomie 18, dann müssen die Eltern eine Entscheidung treffen, und das ist richtig hart, so oder so.
    Im Ausland findet kein Transfer statt, wenn die Embryonen nicht lebensfähig sind.
    Die restriktive Gesetzgebung dieses Landes hat keine Vorzüge, denn sie hat bereits tausendfaches Leben verhindert, Leid bei den betroffenen Frauen verursacht und treibt Paare ins Ausland.
    Die nicht restriktive Gesetzgebung hat bereits zu unzähligen Leben geführt.
    Möchte jemand auf diese Kinder verzichten, um einem Dilemmata aus dem Weg zu gehen?

  3. Mitleser sagt:

    Vielleicht muß hier einmal...
    Vielleicht muß hier einmal darauf hingewiesen werden, dass natürlich die Ärzteschaft die oben gemeinten Dilemmata hervorgerufen haben. Deren Forschung ist offenbar frei von ethischen Bedenken. Die Ärzteschaft konfrontiert ohne politische, rechtliche und gesellschaftliche Kontrolle seit Jahren die Öffentlichkeit mit Fragen, die sie im Vorfeld ihrer Erfindungen und Forschung hätte mit sich selbst abklären müssen. Niemand hat die Medizin gezwungen immer feinere Messverfahren zu erfinden, Menschen künstlich am Leben zu halten, außerhalb des Mutterleibs den Anfang des Lebens zu züchten.
    Hier stelle ich bereits einen unkritischen Umgang mit dem Leben fest.
    M.E. muß sich die Gesellschaft fragen, wie sie sich vorstellt, die Deutungshoheit über das Leben weiterhin allein der Medizinerzunft zu überlassen. Das philosophische Herumgestochere in den Weiten der Philosophie, „Medizinethik“ genannt, hat jedenfalls zu wenigen praktischen Lösungen geführt.
    Zu fragen wäre auch, wie demokraisch die verfasste Medizin in Europe und insbesondere in Deutschland ist bzw gewesen ist und ob hier nicht institutionell neue und der Postmoderne angemessene Organisations- und Kontrollmechanismen eingeführt werden müssen.

  4. Lutz Barth sagt:

    "Aus Sicht der Leihmutter wird...
    „Aus Sicht der Leihmutter wird damit aber der Auftrag, den sie erhält erweitert, denn sie muss nicht nur bereit sein,eine Schwangerschaft auszutragen, sondern dies auf Aufforderung auch zu unterlassen und einen Abbruch hinzunehmen, der einen erheblichen Eingriff in ihre Integrität darstellt“, so O. Tolmein. Nun – dann wäre es doch sicherlich auch eine Option, den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag um entsprechende Vertragsmodalitäten zu erweitern oder liegt dies in der Gänze außerhalb jeglicher Betrachtung?
    In diesem Sinne würde ich für die Aufnahme bestimmter Indikationslösungen in dem Vertrag plädieren, wenngleich hierzulande sicherlich schnell Oberethiker auf die „Sittenwidrigkeit“ des Vertrages insgesamt erkennen würden.

  5. Bettina sagt:

    das ist ein Beitrag der...
    das ist ein Beitrag der wirklcih zum Denken anregt. MIr fehlen die Worte wenn ich so etwas lese und wenn es irgendwann einmal in Deutschland erlaubt sein sollte, ein Kind durch eine Leihmutter zu bekommen, so sollte so etwas unbedingt vorab geregelt werden. das ist schrecklich.

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