Biopolitik

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Allparteien-Eckpunkte für PID-Verbot und ein Gesetzentwurf

| 3 Lesermeinungen

Bundeskanzlerin Merkel hatte angekündigt, dass eine Regelung der Präimplantationsdiagnostik (PID) noch in diesem Jahr erfolgen sollte. Nun neigt sich das Jahr...

Bundeskanzlerin Merkel hatte angekündigt, dass eine Regelung der Präimplantationsdiagnostik (PID) noch in diesem Jahr erfolgen sollte. Nun neigt sich das Jahr seinem Ende zu, geregelt worden ist noch nichts. Allerdings sind das „Eckpunktepapier“ einer schwarz-grün geprägten Allparteiengruppe und der Gesetzentwurf des rot-grünen Duos Renee Röspel (SPD) und Priska Hinz (Grüne) auf die politische Tagesordnung gesetzt worden. Die politische Auseinandersetzung um die PID wird damit ein gutes Stück vorangetrieben.

Die beiden Positionen sind deswegen so interessant, weil sie beide von bioethik-kritischen Politikerinnen und Politikern formuliert wurden: Der Biologe Rene Röspel war in der 15.Legislaturperiode Vorsitzender der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“, die die PID mehrheitlich ablehnte. Kurz nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes, die Auslöser der gegenwärtigen Debatte ist, positionierte sich Röspel für ein Moratorium in Sachen PID.  In dem mit der Sprecherin für Biotechnologie der Grünen-Bundestagsfraktion formulierten Gesetzentwurf, spricht sich Röspel nunmehr für ein grundsätzliches Verbot der PID aus, von dem es aber Ausnahmen geben soll.

Das „Eckpunktepapier“, dem ein Gesetzentwurf folgen soll, spricht sich dagegen für ein eindeutiges und konsequentes Verbot der PID aus und ist initiiert worden von 10 Abgeordneten der CDU/CSU (auffallend viele vergleichsweise junge Abgeordnete, darunter die Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dorothee Bär und der Rechtspolitiker Patrick Sensburg), 4 Abgeordneten der Grünen (darunter der behindertenpolitische Sprecher Markus Kurth und der gesundheitspolitischen Sprecherin Biggi Bender), 2 Abgeordneten der SPD (Ulla Schmidt und Andrea Nahles), der Linken-Abgeordneten Kathrin Vogler und dem FDP-Abgeordneten und Theologen Pascal Kober.  

Bemerkenswert an dem Vorhaben von Röspel und Hinz ist, dass sie versuchen, eine möglichst eng gefasste Ausnahmeregelung für die PID in einen Gesetzestext zu fassen. Dazu schaffen Sie einen Paragraphen 3a Embryonenschutzgesetz, dessen zweiter Absatz die Ausnahme vom Verbot des Absatzes 1 regelt. Er lautet:

„(2) Abweichend von Absatz 1 ist eine solche Untersuchung nach verpflichtender Beratung und positivem Votum einer Ethikkommission für den Fall nicht rechtswidrig, wenn für einen Embryo auf Grund einer humangenetisch diagnostizierten Disposition der Eltern oder eines Elternteiles eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, eine nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft nicht behandelbare, schwerwiegende Erkrankung infolge eines genetischen oder chromosomalen Defekts zu tragen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit während der Schwangerschaft oder im ersten Lebensjahr zum Tod des Embryos, Fötus oder Kindes führen wird. Der Arzt handelt nicht rechtswidrig, der nach dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft in diesen Fällen eine genetische Untersuchung vornimmt, um den Embryo vor der Implantation auf das Vorhandensein dieser Krankheiten zu untersuchen.“

Die Regelung von Details soll einer Rechtsverordnung vorbehalten sein, die vom Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Justiz und nach öffentlicher Anhörung der medizinischen Fachverbände sowie der Gendiagnostik-Kommission nach § 23 des Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen erlassen werden soll.

Das komplizierte Verfahren, das durch eine weitere Rechtsverordnung der Bundesregierung zusätzlich „näher bestimmt“ werden soll, macht schon deutlich, dass diese Regelung wenig aussichtsreich ist und selbst im Fall einer Verabschiedung keine große Zukunft vor sich hätte. Schon die Voraussetzungen für die PID bleiben durch die verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe unklar: Ab wann besteht eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ (dieser Wahrscheinlichkeitsgrad findet gleich zweimal Erwähnung)? Unklar bleibt auch, wieso in den beschriebenen Fällen, in denen ja feststehen soll, dass der Fötus die Schwangerschaft bzw. das entbundene Kind das erste Lebensjahr nicht überleben soll, das „positive Vorum einer Ethikkommission“ erforderlich sein soll? Und nach welchen Maßgaben soll die Ethikkommission entscheiden? Ist sie frei? Soll sie nur überprüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen wirklich erfüllt sind? Wäre dafür nicht ein mit Neonatologen und Humangenetikern besetztes Konsil von Experten geeigneter? Und auch wenn die von dem Vorschlag umfasste Gruppe von Fällen offensichtlich und ausdrücklich gezielt klein gehalten ist, bleibt die Frage: Warum wird die Grenze gerade da gezogen, wo sie gezogen wird? Wieso soll die voraussichtliche Lebenserwartung von einem Jahr die Anwendung einer Methode legitimieren,die voraussichtliche Lebenserwartung von drei Jahren aber nicht? Und wieso soll es reichen, dass eine -was auch immer das heißen soll, hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen muss, nicht aber zum Beispiel eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (oder auch nur eine einfache Wahrscheinlichkeit)?

Der Röspel/Hinz-Entwurf ist ein gutes Beispiel dafür, dass es kaum zu leisten ist, in einem solchen Bereich eindeutige, rechtssichere Ausnahmeregelungen zu schaffen – stattdessen ist es wohl besser, hier, wenn man restriktiv sein will, die Ausnahmen auf die allgemeinen Ausnahmen des Strafrechts zu begrenzen (denkbar wäre hier allenfalls der rechtfertigende oder entschuldigende Notstand). Alles weitere führt zu letztenendes schwer interpretierbaren Regeln, die die gewünschte Rechtssicherheit nicht schaffen – und damit der weiteren Deregulierung freie Bahn schaffen.

Das Eckpunktepapier ist hier deutlicher und weitaus klarer. Der Argumentationsbogen für ein Verbot der PID wird weit gespannt: es wird auf den grundlegenden Teilhabeanspruch von Menschen mit Behinderung verwiesen, gleichzeitig aber auch mit statistischem Material belegt, dass die Behauptung nicht zutrifft, dass die vor der Einsetzung des Émbryos erfolgte PID eine spätere Pränataldiagnose (mit dem eventuellen Ergebnis eines Abbruchs) verhindert:

Nach einer Erhebung in den Ländern, in denen die PID angewandt wird, fand in 42 Prozent der überprüften Fälle zur Absicherung der PID nachträglich eine invasive pränatale Diagnostik statt. Eine Umfrage in Großbritannien ergab, dass die Hälfte der Paare mit PID-Erfahrung die PID als belastender empfand als die PND.

Auch andere Erfahrungen mit der PID-Praxis in anderen Staaten fließen in die Ablehnung der PID ein:

In den meisten Staaten, die PID anwenden, ist eine deutliche Ausweitung der PID (z.B. Testung auf das sogenannte Brustkrebsgen BRCA) sowie der generelle Einsatz des Präimplantationsscreenings (PGS) im Rahmen der künstlichen Befruchtung zu beobachten. Dieses PGS dient dem Auffinden von spontan auftretenden Chromosomenstörungen (sog. Aneuploidien). Darunter fallen beispielsweise Trisomien, von denen einige zu einer frühen Fehlgeburt, andere lediglich zu einer vergleichsweise leichten Behinderung führen können. Im Ausland ist die PGS im Vergleich zur „klassischen“ PID die Regel (über 60 Prozent der Fälle) und wird angewandt, um die Erfolgsraten der künstlichen Befruchtung zu steigern.
 

Sowohl der Gesetzentwurf, als auch das Eckpunktepapier zeigen, dass auch auf der bioethik-kritischen Seite der Debatte keineswegs alles klar und festgezurrt ist. Auffallend ist auch, dass gerade auf Seiten der CDU/CSU-Politikerinnen und Politiker, die hier auftreten die Namen, die in vergangenen bioethischen Debatten und auch in der Debatte um das „C“ im Vordergrund standen, nicht in der ersten Reihe auftreten. Sie werden hier erfahren, wie sich die weiteren Gruppierungsprozesse im Parlament vollziehen.

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3 Lesermeinungen

  1. user0815 sagt:

    <p>In diesem Artikel gibt es...
    In diesem Artikel gibt es schon in den ersten Absätzen derart viele stilistische Schnitzer („spricht sich dagegen für“, „Bemerkenswert an dem Gesetzentwurf von Röspel und Hinz ist, dass sie versuchen“) und Rechtschreibfehler („darunter dem behindertenpolitischen Sprecher Markus Kurth“) und Tippfehler („Gesetzentwurft“), dass mir die Lust völlig vergangen ist, den Text zu Ende zu lesen. Jeder macht Fehler. Einige machen einige mehr. Das ist in Ordnung. Wer aber mehr Fehler als lesbaren Text produziert, kann seine Vertextungen gegenlesen lassen, bevor er andere mit Veröffentlichungen quält. Mann, ehrlich.

  2. user0815 sagt:

    Habe mich überwunden und...
    Habe mich überwunden und weitergelesen. Der Text beinhaltet kluge Analysen. Das macht die Fehler wett.

  3. tolmein sagt:

    @user0815: Danke für die...
    @user0815: Danke für die Lesegeduld…… (habe nachgebessert, „dagegen für“ kann allerdings meiner Meinung nach gelegentlich durchaus angebracht sein).

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