Während sich der deutsche Bundestag für die erste Lesung der drei Gesetzentwürfe rüstet, die über das Schicksal der Präimplantationsdiagnostik (PID) in Deutschland entscheiden, geht vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg ein Verfahren dem Ende zu, dass sich mit der Frage befasst, ob Embryonen patentierbar sind. Dieses Verfahren könnte auch Folgen für die deutsche PID-Debatte haben. Der Embryo, in welchem Stadium auch immer, ist eben ein begehrtes Gut – wobei das aktuelle Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof nichts über die Legitimität und Legalität der Forschung mit Embryonen aussagt, sondern nur die Chance der ökonomischen Verwertung solcher Experimente betrifft. Die allerdings dürfte deutlich kleiner werden, wenn der EuGH dem Schlußantrag des Generalanwalts Yve Bot folgt (der EuGH folgt in seinen Entscheidungen fast immer dem Schlußantrag des Generalanwalts), der eine Patentierbarkeit menschlicher Embryonen ablehnt.
Dem Verfahren zugrunde liegt ein Antrag des deutschen Stammzellforschers Oliver Brüstle, der in den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts Aufsehen erregte, weil er den neurodegenerativen Erkankungen scheinbar erfolgreich den Kampf angesagt hatte.
Brüstle, der an der Uni Boinn forscht und lehrt, meldete 1997 ein Patent an, das isolierte und gereinigte neurale (unreife Zellen, die die Fähigkeit haben, reife Zellen des Nervensystems zu bilden, beispielsweise Neurone) Vorläuferzellen (unreife Körperzellen zu, die sich noch vermehren können; Vorläuferzellen haben die Fähigkeit, sich zu bestimmten ausgereiften Körperzellen weiter zu entwickeln und auszudifferenzieren) betrifft, die aus menschlichen embryonalen Stammzellen hergestellt und zur Behandlung neurologischer Erkrankungen verwendet werden. Greenpeace hat das „Patent auf Leben“ angegriffen und erreicht, dass das Bundespatentgericht das Patent insoweit für nichtig erklärte, als es sich auf Verfahren bezieht, die es ermöglichen, Vorläuferzellen aus Stammzellen menschlicher Embryonen zu gewinnen. Der Bundesgerichtshof, bei dem Herr Brüstle Berufung eingelegt hat, setzte das Verfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, wie der Begriff „menschlicher Embryo“ auszulegen sei, der in der Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.07.1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen – ABl. L 231, 13) verwendet, aber nicht definiert wird. Es geht um die Frage, ob der Ausschluss von der Patentierbarkeit des menschlichen Embryos alle Stadien des Lebens von der Befruchtung der Eizelle an umfasst oder ob zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, z.B., dass ein bestimmtes Entwicklungsstadium erreicht ist.
Generalanwalt Yves Bot weist in seinem Schlussanatrag zunächst darauf hin, dass der EuGH erstmals aufgerufen ist, sich mit dem Begriff „Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken“ im Sinne der Richtlinie 98/44 zu befassen. Nach der Bekundung, dass er sich der extremen Sensibilität dieser Frage und der hohen Bedeutung ihrer philosophischen, moralischen, menschlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Aspekte bewusst ist, beginnt er seine rechtliche Würdigung mit der Feststellung, dass dem Begriff des Embryo eine dem Unionsrecht eigene autonome Definition zu geben ist, da die Richtlinie eine Harmonisierung anstrebt, um für einen wirksamen und harmonisierten Schutz biotechnologischer Erfindungen zu sorgen.
Der Generalanwalt entwickelt seine Position, die fürdie Stammzellforscher wenig erfreulich ist: Er ist nämlich de rauffassung, dass die totipotenten Zellen, die mit der Verschmelzung der Keimzellen entstanden sind und die in dieser Form nur in den ersten Tagen der Entwicklung fortbestehen, das Wesensmerkmal haben, dass jede von ihnen die Fähigkeit in sich trägt, sich zu einem vollständigen Menschen zu entwickeln. Da diese Zellen somit das erste Stadium des menschlichen Körpers darstellen, zu dem sie werden, sind sie seiner Meinung nach rechtlich als Embryonen zu bewerten, deren Patentierung ausgeschlossen werden muss. Unter diese Definition fielen unbefruchtete Eizellen, in die ein Zellkern aus einer ausgereiften Zelle transplantiert worden ist, und unbefruchtete Eizellen, die durch Parthenogenese zur Teilung angeregt worden sind, soweit totipotente Zellen auf diesem Weg gewonnen worden sein sollten. Als Embryo anzuerkennen ist auch die Blastozyste – ein späteres Stadium der embryonalen Entwicklung zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich ungefähr fünf Tage nach der Befruchtung, da, die Menschenwürde, auf die die Richtlinie Bezug nehme, nicht nur für den existierenden Menschen, das geborene Kind, gelte, sondern auch für den menschlichen Körper vom ersten Stadium seiner Entwicklung an, d.h. dem der Befruchtung. Zwar seien die einzelnen Zellen der Blastozyste nur noch pluripotent, könnten also für sich nicht mehr einen vollständigen Menschen entwickeln, weswegen ihre Patientierbarkeit nicht grundsätzlich ausgeschlossen sei. Nach Auffassung des Generalanwalts muss aber die Herkunft dieser Zellen berücksichtigt werden. Es können daher Erfindungen, die sich auf pluripotente Stammzellen beziehen, nur patentierbar sein, wenn sie nicht zulasten eines Embryos gewonnen werden, sei es durch dessen Zerstörung oder durch dessen Schädigung. Das hält er im vorliegenden Fall aber nicht für gegeben, weswegen er hier eine Patientierbarkeit nicht für möglich hält. Eine Erfindung, die embryonale Stammzellen verwendet, industriell anzuwenden, hieße, menschliche Embryonen als banales Ausgangsmaterial zu benutzen, was gegen die Ethik und die öffentliche Ordnung verstoßen würde.
Die Auffassung des Generalanwalts über das Stadium in dem Embryonen Menschenwürde zukommt, betrifft auch die Debatte um die Präimplantationsdiagnostik, da die Frage ob der Blastozyste (in diesem Stadium wird die PID durchgeführt) Menschenwürde zukommt ein wesentlicher Streitpunkt (allerdings nicht der einzige Streitpunkt ist), der die Befürworter eines Verbots der PID (die das bejahen), von den Befürwortern einer Zulässigkeit der PID (die das eher ablehnen) trennt.
Damit stellt sich die interessante Frage, ob möglicherweise auch europäisches Recht gegen eine Zulässigkeit der PID sprechen könnte.
Sie können dieses Blog gerne kommentieren. Sie müssen sich dafür nicht anmelden.