Heute (Donnerstag) wird im Bundestag ab 9 Uhr über zweieinhalb Stunden diskutiert, ob die Präimplantationsdiagnostik (PID) in Deutschland künftig erlaubt, ein bißchen erlaubt oder sehr verboten werden soll (hier können Sie die Debatte live verfolgen). Wie weiland bei der Debatte um die Regelung der Patientenverfügungen sind drei Gruppenanträge eingebracht worden. So haben unter anderem 192 Abgeordnete um Birgitt Bender (Bündnis 90/Die Grünen), Volker Kauder (CDU/CSU) und Pascal Kober (FDP) einen Gesetzentwurf für ein Verbot der PID (17/5450) eingebracht. 36 Parlamentarier um René Röspel (SPD), Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen) und Patrick Meinhardt (FDP) setzen sich mit ihrem Gesetzentwurf (17/5452) hingegen für eine eng begrenzte Zulassung ein. PID soll zwar grundsätzlich untersagt sein, in Ausnahmefällen jedoch unter strengen Auflagen angewandt werden dürfen. Der dritte, von 215 Abgeordneten um Ulrike Flach (FDP), Peter Hintze (CDU/CSU) und Dr. Carola Reimann (SPD) eingebrachte Gesetzentwurf (17/5451) will die PID zwar auch nicht in allen Fällen erlauben, aber doch in erheblich weiterem Ausmaß als die anderen beiden Gruppen. Zwar stehen sich die Gruppe um Röspel und Hinz und die um Bender, Kauder und Kober nahe, dennoch dürfte es schwierig sein, eine Kompromisslösung zu finden, die sie zusammenbringt. Wesentlich für dads Ergebnis wird also sein, wie sich die knapp 200 Abgeordnetenpositionieren, die bislang keinen der drei Gruppenanträge unterstützen. Woran sich diese dritte große Gruppe in dieser heiklen Frage an der Schnittstelle von Medizin und Behindertenpolitik, von Selbstbestimmungsrecht der Eltern und Antidiskriminierungsrecht bei ihrer Meinungsbildung orientiert ist unklar, Dass es sich bei der PID um eine höchst komplizierte Technik handelt, deren wissenschaftliche Grundlagen eng mit ihren gesellschaftlichen Konsequenzen verknüpft ist, macht die Entscheidung um Bundestag, der ja kein Expertinnengremium ist, nicht leichter. Einer der kritischen Punkte an der PID ist beispielsweise, dass sie mit der in Deutschland geltenden sogenannten „Dreierregel“ bei der künstlichen Befruchtung nicht in Einklang zu bringen sein wird. Auf dieser Grundlage werden in Deutschland zumeist maximal drei inseminierte (befruchtete) Eizellen in einem Zyklus bis zum Embryonalstadium weiterkultiviert. Diese Regel soll verhindern, dass schon durch das Design des Verfahrens mehr Embryonen entstehen, als einer Frau in einem Zyklus maximal übertragen werden sollen. Nach Aussagen von durch den Deutschen Ethikrat befragten in- und ausländischen Experten wird die Durchführung einer PID unter Einhaltung der Dreierregel ganz überwiegend als kaum praktikabel eingeschätzt, da statistisch gesehen – wenn man nur drei Eizellen befruchtet – bei jedem zweiten
PID-Versuch kein transferierbarer Embryo verfügbar sein dürfte. Dies hätte eine erhebliche physische und psychische Belastung der Frau zur Folge. Kurz: die Durchführung der PID hat zur Folge, dass mehr Embryonen produziert und zerstört werden müssen.
Gravierender allerdings finde ich, dass die PID daran gekoppelt ist, Behinderung mit schwerem Leid gleichzusetzen und dass sie weiterhin Embryonen wegen deren vermuteter Behinderung nicht in den Miutterleib einsetzt. Das ist eine Diskriminierung, gegen die es viele gute Einwände gibt. Kein guter Einwand ist allerdings die Behindertenpolitik der Bundesrepublik. Schaut man sich die Lage von Familien mit behinderten Kindern an, beobachtet man das bisweilen schon verzweifelte Bemühen der Eltern darum, dass ihre Kinder nicht im Sonderschulsystem landen, sondern inklusiv in Regelschulen bechult werden, muss man sehen, wie die gegen Krankenkassen kämpfen müssen, um durchzusetzen, dass der Aufenthalt der Kinder im Hospiz bezahlt wird, erlebt man den Streit um Hilfsmittel und die Kontroversen um aufwändigere Therapien, kann man nachvollziehen, warum auch Eltern gute Gründe haben anzunehmen, dass sie das Leben mit einem behinderten Kind überfordert: Schuld ist nicht das Kind mit seiner Behinderung, sondern eine Behindertenpolitik, die nicht auf Inklusion zielt, sondern nach wie vor davon ausgeht, dass Sonderförderung der bessere Weg ist.
Man kann aber schlecht Eltern den Weg zur PID versperren, gleichzeitig aber behinderten Kindern keine Perspektive in der Gesellschaft bieten und damit auch ihre Familien an die Grenze drängen. Die Diskussion um die PID hat auch viel mit Sozial- und Gesundheitspolitikzu tun. Und mit der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention in Deutschland, ein Projekt, das durch den Antrag der Regierungsfraktionen zum Thema eher schwach befördert worden ist (interessant übrigens, wieso es in so einer Frage nicht auch einmal ein Aufweichen der Fraktionsdisziplin und Gruppenanträge gibt.)
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ich spreche mich, gerade als...
ich spreche mich, gerade als vertreter einer gruppe von menschen die vor ein paar jahrzehnten unter den begriff „unwertes Leben“ zusammengefasst wurde,gegen jede selektion und euthanasie aus. Gerade sogenannte „Gesunde“ weisen mich oft auf den Leidvollen aspekt meines Lebens hin was mich oft zu der frage provoziert ob sie denn eine alternative dazu bieten können als den Tod. Ich bin bis jetzt nicht als schwerbehinderter registriert weil ich angesichts der euthanasie – diskussionen der letzten Jahre ernsthafte bedenke habe ob mich nicht irgedwann ein amt darauf hinweist das mein leben nicht schützenswert ist und mir einen sterbehilfegutschein anbietet.
In der Forensik existieren in...
In der Forensik existieren in Hessen (2011) noch Gesetzesstrukturen, in denen Begriffe aus der Euthanasie verwendet werden.
Hallo sdkiel! Ich bin 30.Und...
Hallo sdkiel! Ich bin 30.Und habe vor einigen Monaten einen schwangerschafts-abruch gehabt,weil mein Kind hätte die Erbkrankheit meines Vaters geerbt(Muskelschwund).Seit dem ich denken kann hat mein Vater unter dieser Krankheit gelitten und ist im letzten Jahr mit 55.Jahren daran verstorben.Es ist schlimm für mich und meiner schwester gewesen zu sehen wie es ihm von zeit zu zeit schlechter ging.
Ich möchte mein Kind vor solch ein Leben bewaren.Und wenn es eine möglichkeit geben würde wie die PID solch einer Krankheit aus den wege zu gehen wäre das echt ein Traum für viele Frauen die schon viele fehlgeburten hatten.Es ist mein größter Wunsch ein Gesundes Kind zu bekommen um ihn die Welt zu zeigen.
Nur die Betroffenen koennen...
Nur die Betroffenen koennen durch einen kollektiven Konsensusprozess bestimmen, ob ihr Leben wert ist, zu leben und in der Welt zu existieren. Danach muessen die Gesetzgeber und andere Entscheidungstraeger (Eltern) richten. Wen sie das nicht tun, ist schon Unterdrueckung gegen diese Bevoelkerung.
Bei tauben und schwerhoerigen Menschen ist es bekannt, dass das Nicht(Teil)hoerenkoennen ihnen nichts ausmacht und keine Minderung der Lebensqualitaet bringt, sondern eine Bereicherung der Humanitaet darstellt. Jede wissentliche Aussortierung von mit Taubheit behaftetem Foetus darf nie erlaubt werden, was ja eine verfassungswidrige eugenische Massnahme (Stichwort: Menschenwuerde) ausmacht.
Was anderen koerperlichen Andersartigen bzw. Personen mit „Defekte“ angeht, muessen sie sich selbst zu Wort melden.
14. April 2011, 16:42...
14. April 2011, 16:42 Prometheus, deine Behauptung vom
„Und uebrigens, Gehoerlose, die sich ein gehoerloses Kind wuenschen, sind krank (nicht nur an der Ohren). Hab mal von dem entsprechenden psychologischen Syndrom gelesen, erinnere mich aber nicht an den Namen.“
ist vollkommen unwahr und frei erfunden. Es gibt gar keine psychatrische Diagnose dafuer. Warum bringen Sie denn diese Unredlichkeit hinein, wenn Sie darueber nicht sonderlich wissen und zwar nur auf Vermutung hin?!! Aber eine gegentailige Diagnose gibt es und ist aufgefuhrt im DSM IV unter dem Namen „Surdophobia“, definiert als eine phobische Krankheit gegen eine ebenbuertige Mitarbeit mit tauben Professionellen und auch eine phobische Abneigung gegen Taubheit und deren Existenzberechtigung. Deine obige Behauptung kennzeichnet Sie als jemanden, der moeglicherweise unter Surdophobia leiden mag.
Siehe dazu: https://www.deafhooddiscourses.com/2008/surdophobia.pdf
Nicht nur taube Menschen wuenschen und freuen sich auf taube Kinder. Auch manche Lilliputaner wuenschen kleinwuechsige Kinder gebaeren und suchen bewusst Ehepartner mit dominanter Erbanlage fuer Dwarfismus.
Taubheit ist keine Krankheit, sondern ein Segen fuer die Menschheit, sondern einfach eine Andersartigkeit, wie Glatzkoepfigkeit, Haut-, Augen- oder Haarfarbe. Sie darf nie bei der PID aussortiert werden, wie jetzt in U.K. gesetzlich vorgeschrieben ist.
Ich meinerseits wuerde nicht wuenschen, hoerend zu sein und wuerde jede Hoerpille in die Toilette schmeissen.
Es muss im Gesetz präzise...
Es muss im Gesetz präzise festgestellt werden, welche genetische Abweichungen von der “Normalität” zur Aussortierung kommen. Es darf dort nicht vage formuliert werden, welche dann im Ministerium von den “Fachleuten” entschieden werden, was zur Anwendung kommt und was nicht. Diese Experten sind gewöhnlich Nichtbetroffene und als solche haben entstellte Vorstellungen von was “Leid” als Ergebnis der koerperlichen Andersartigkeiten für die Betroffenen darstellt. Wenn Anhörungen veranstaltet werden, kommen stets nichtbetroffene Angehoerige und Professionelle zu Wort, nicht die Betroffenen selbst, z.B. die Hörenden, die denken, dass Taubheit für taube Menschen ein Leiden darstellt, was gar nicht stimmt. Wenn aber dort taube Personen auftreten und das Gegenteil sagen, werden sie schief angesehen und ihre Ansichten von den Nichtbetroffenen niedergetreten. Wen hört das Ministerium? Zumeistens die nichtbetroffenen Fachleuten!
@p.TiT,
Ist denn nicht das 55 Jahre lange Leben Ihres Vater lebenswert? Er hat doch etwas Gutes der Gesellschaft und Ihrer Familie beigetragen und Sie und Ihre Schwester das Leben geschenkt.
Das “Leid” einer körperlichen Andersartigkeit wird erst empfunden, wenn erworben in den Jahren nach Kindheit, nie wenn sie angeboren oder kindlich erworben ist.. Wenn spät erworben, wird das Leid oft überwunden und sie sogar als lebenswert betrachtet. Leider wird das Leid von den nichtbetroffenen Angehörigen unnötig aufgepeitscht.
Die Abtreibung Ihres Kindes, ich muss sagen, geschah pur aus Ihrem Interesse und Ihrer Ansicht von “Leid” als Nichtbetroffener. Ihr Kind wurde 50 Jahre seines Lebens gestohlen.
Es muss im Gesetz präzise...
Es muss im Gesetz präzise festgelegt werden, welche genetische Abweichungen von der “Normalität” zur Aussortierung kommen. Es darf dort nicht vage formuliert werden, welche dann im Ministerium von den “Fachleuten” entschieden werden, was zur Anwendung kommt und was nicht. Diese Experten sind gewöhnlich Nichtbetroffene und als solche haben oft entstellte Vorstellungen von was “Leid” als Ergebnis einer koerperlichen Andersartigkeit für die Betroffenen darstellt. Wenn Anhörungen veranstaltet werden, wie das Gesetz auszuführen sei, kommen stets nichtbetroffene Angehoerige und Professionelle zu Wort, nicht die Betroffenen selbst, z.B. die Hörenden, die denken, dass Taubheit für taube Menschen ein Leiden darstellt, was gar nicht stimmt. Wenn aber dort taube Personen auftreten und das Gegenteil sagen, werden sie schief angesehen und ihre Ansichten von den Nichtbetroffenen niedergetreten, wie tatsächlich geschehen in der 250-jährigen Geschichte des Taubenwesens um die Frage, ob Gebärden in der Bildung tauber Kinder zugelassen oder verhindert wird. Wen hört das Ministerium? Zumeistens die nichtbetroffenen Fachleuten! Als in U.K. ein ähnliches PID Gesetz 2009 beraten wurde, traten gegnerische taube Stimmen auf. Wen hört das Unterhaus? Die Hörenden natürlich. Audismus ist klar in Operation in den beiden Fällen. Im britischen Gesetz muss ein durch PIF gezeugtes Embryo mit einem Gen für Taubheit wegselektiert werden.
@p.TiT,
Ist denn nicht das 55 Jahre lange Leben Ihres Vater lebenswert? Er hat doch etwas Gutes der Gesellschaft und Ihrer Familie beigetragen und Sie und Ihre Schwester das Leben geschenkt.
Es gibt viele Menschen, berühmte sogar, die ähnlich Ihr Vater sind und ein sehr produktives Leben geführt haben, z.B. der Grossvater des Verteidigungsministers Karl-Theodor. zu Guttenberg, der in den 1960er und 1970er Jahren ein sehr einflussreicher Bundestag-Parlamentarier und Staatssekretär war, und Lou Gehrig, ein grosser Baseballstar in den U.S. Beide hatten A.L.S. oder anders genannt Lou-Gehrig-Krankheit.
Meines Erachtens nach, meine ich, dass Ihrem Kind sein 50 Jahre Leben gestohlen wurde. Vielleicht kann es auch berühmt werden, wie die obigen zwei Persönlichkeiten oder Stephen Hawkins.
Das “Leid” einer körperlichen Andersartigkeit wird erst empfunden, wenn erworben in den Jahren nach der Kindheit, jedoch nie wenn sie angeboren oder kindlich erworben ist.. Wenn spät erworben, wird das Leid oft überwunden und sie sogar als lebenswert betrachtet. Leider wird das Leid von den nichtbetroffenen Angehörigen unnötig aufgepeitscht oder durch Barriere verschiedener Art aufrecht gehalten..