Biopolitik

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Wann ist ein Arzt ein Arzt? Ärztetag und Ethik

| 18 Lesermeinungen

Am Anfang stand ein entschiedenes Plädoyer für die vornehm als „Priorisierung" bezeichnete Rationierung medizinischer Leistungen. Der scheidende...

Am Anfang stand ein entschiedenes Plädoyer für die vornehm als „Priorisierung“ bezeichnete Rationierung medizinischer Leistungen. Der scheidende Präsident der Bundesärztekammer Jörg Dietrich Hoppe, dessen gesundheitspolitischen und medizinrechtlichen Äußerungen sich auch in der Vergangenheit nicht durch klare Analysen und strategisches Kalkül ausgezeichnet haben, sah sich als Dirigent, der eine schwierige Symphonie durchspielen müsste: „Bei begrenzten Ressourcen und steigender Morbidität ist die Diskussion um Priorisierung als Instrument der transparenten Verteilungsgerechtigkeit unabdingbar. Übrigens haben die Schweden, die neun Prozent des BIPs für die Gesundheitsversorgung ausgeben, sich schon für die Priorisierung entschieden. Ich bin zuversichtlich, dass diese, in Deutschland schon seit Jahren auf wissenschaftlicher Ebene geführte Diskussion auch auf der politischen Ebene Platz greifen wird.“ Dass er dabei auf den grünen Ärztetag vom 14. Mai 2011 verweisen konnte, der das Thema mustergültig in den Mittelpunkt gerückt habe, macht den Vorstoß nicht gerade besser, aber, angesichts des raschen Strebens der Grünen, Volkspartei zu werden, jedenfalls zeitgemäßer. Schließlich hat sich auch der Ethikrat Anfang des Jahres auf programmatisch nüchterne Weise mit dem Thema befasst (nicht dass ich emotiomalisierte und leidenschaftliche Debattenbeiträge bevorzugen würde, aber es ist schon frappierend, mit welch gelassener Selbstverständlichkeit der gesamte Ethikrat, mit Ausnahme der Philosophin Weyma Lübbe, Rationierung als demnächst erforderliche Praxis charakterisieren, die auch gerecht umgesetzt werden könnte).

Die ersten Beschlüsse des Ärztetages befassen sich aber mit anderen Themen – sie sind dabei von bemerkenswerter ethischer Heterogenität (wenn jemand roten Faden findet: gerne mitteilen!): Wie zu erwarten, wurde dem Entwurf der Musterberufsordnung und insbesondere dem dort in § 16 enthaltenen Verbot des ärztlich begleiteten Suizids zugestimmt (ca 25 Prozent der Delegierten widersprachen dem). Dazu weiter unten noch ein paar Anmerkungen und Erläuterungen.

Weniger Bedenken als gegen ärztlich begleiteten Suizid hat die Ärzteschaft, die noch vor neun Jahren, auf dem Ärztetag 2002, gegen die Erlaubnis der Präimplantationsdiagnostik (PID) angetreten war, jetzt mit Blick auf die PID: die Delegierten sprachen sich für eine „begrenzte Zulassung“ der Selektionstechnologie aus; damit wird ein Positionspapier der Bundesärztekammer von 17. Februar 2011 unterstützt, das unter anderem vorsieht: „Eine (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der Präimplantationsdiagnostik ist von der Bundesärztekammer zu erarbeiten, insbesondere zum Indikationsspektrum der PID, zur personellen und  apparativen Ausstattung,  zur medizinischen und psychosozialen Beratung sowie zur Festlegung der danach erforderlichen Zahl durchführender Zentren. Bei den  Landesärztekammern sind behandlungsunabhängige  PIDKommissionen  einzurichten, die die  Qualitätssicherung der PID gewährleisten. Der zuständigen Kommission sind die einzelnen Behandlungsfälle in anonymisierter Form vorab zur Beurteilung vorzulegen. Die bei den einzelnen Kommissionen der Landesärztekammern erhobenen Daten zur Qualitätssicherung sind in einem zentralen Register in anonymisierter Form zusammenzuführen.“ Die Einschränkungen, die die Ärzte bei der PID geregelt sehen wollen, werden zwar als erheblich bezeichnet, sind aber tatsächlich wohl eher geringfügig. Genannt werden: Keine Geschlechtsauswahl ohne Krankheitsbezug und auch keine Risikobegrenzung bei älteren IVF-Kandidaten. Im Ergebnis favorisieren die Ärzte somit eher den sehr weit gehenden PID-Vorschlag aus dem Lager der FDP-Politikerin Flach, als den eng gefassten, der von Rene Röspel (SPD) in die Debatte gebracht wurde.

Noch niedriger setzt die Ärzteschaft ihre ethischen Bedenken im Bereich der Organspende an: Hier setzen sie sich mit ihrem aktuellen Beschluss für das „Modell einer Informations- und Selbstbestimmungslösung mit Erklärungspflicht“ ein. Glaubt man der Berichterstattung, hätten die Ärzte sich lieber für eine Widerspruchslösung ausgesprochen, die ihren transplantierenden Kollegen grundsätzlich Zugriff auf die Organe gibt, wenn die Betroffenen nicht ausdrücklich widersprochen haben. Aber auch der jetzige Beschluss zeichnet sich aus, durch ein beachtliches Desinteresse an den Argumenten gegen Erklärungspflicht und den gesellschaftlichen Druck, der hier aufgebaut wird, um die Organspende faktisch in eine (wenn auch nicht normierte) Organabgabepflicht zu transformieren.

Weitaus erfreulicher sind die Ergebnisse zu Palliativmedizin und ärztlich assistiertem Suizid. Vor allem die Forderung nach dem Ausbau einer flächendeckenden allgemeinen palliativmedizinischen Versorgung (und nicht nur der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung, die gegenwärtig in 3 37b SGB V als Leistung geregelt wird) und entsprechenden Leistungsansprüchen ist wegweisend. Auch die Forderung nach dem Ausbau des Faches Palliativmedizin an den Hochschulen und das Bestreben palliativmedizinische Kenntnisse zu verbreiten und den allgemeinen Standard der Behandlung in diesem Bereich zu heben, ist von erheblicher Bedeutung.

Dass der Bundesärztetag jetzt ein Verbot der Beteiligung am ärztlich assistierten Suizid in die Musterberufsordnung aufgenommen hat, ist grundsätzlich ebenfalls begrüßenswert: Es dient der Klarheit und macht deutlich, was im Rahmen einer ärztlichen Behandlung zu erwarten ist und was nicht. Der Abbruch einer ärztlichen Behandlung – auch mit der Konsequenz des Todes – ist grundsätzlich immer möglich, auch nur die Unterstützung bei der gezielten (Selbst-)Tötung durch Einleiten einer von der Krankheit unabhängigen Kausalität (Verabreichen von Natriumpentobarbital o.ä.) dagegen nicht.

Das Gesundheitswesen bleibt also ein Krankenversorgungswesen und wird nicht zu einer umfassenden Einrichtung, die sich um Leben und Tod gleichermaßen kümmert. In den Medien und vor allem seitens der Gegnerinnen und Gegner dieses Beharrens auf einer ethischen Selbstbeschränkungen wird nun allerlei beklagt und dramatisiert: Das Ende der Gewissensfreiheit, das Im-Stich-Lassen von verzweifelten Patienten, der umgehende Approbationsverlust etc.pp. Das ist Unsinn. Natürlich können Ärzte weiterhin Gewissensentscheidungen treffen, sie gehen damit aber ein gewisses Risiko ein: Normen sind immer so ausgelegt, dass sie nicht für jeden dramatischen Einzelfall zufriedenstellende Lösungen garantieren, deswegen gibt es rechtliche Konstruktionen wie den gesetzlichen oder übergesetzlichen Notstand.

Konkret muss die jetzt auf Bundesebene beschlossene Musterberufsordnung in den Landesärztekammern umgesetzt werden, das geschieht, wie die Vergangenheit zeigt, nicht immer schematisch. Erst die Landesberufsordnungen sind rechtlich für die dort jeweils organisierten Ärztinnen und Ärzte rechtlich verbindlich. Die Berufsordnungen selber regeln die Berufspflichten, aber keine Sanktionen für den Verstoß dagegen, das tun die diversen Heilberufsgesetze der Landeskammern, die auch die Berufsgerichtsbarkeit regeln. In manchen Gesetzen ist geregelt, dass der Kammervorstand Rügen und Ordnungsgelder bis zu 5000 EUR verhängen kann, wenn die Einschaltung eines Berufsgerichts nicht erforderlich erscheint. Die Berufsgerichte dann können einen angezeigten Verstoß gegen Berufspflichten mit den festgelegten Sanktionen ahnden (je nach Schwere des Verstoßes reicht das Sanktionsspektrum von der Verwarnung über den Verweis, Geldbuße bis hin zur Feststellung der Unwürdigkeit zur Ausübung des Berufs. Der Approbationsentzug oder die Anordnung des Ruhens der Approbation ist übrigens entgegen verbreiteter Auffassung keine Sanktion der Kammern oder Berufsgerichte, diese Maßnahmen kann nach der Bundesärzteordnung nur von den zuständigen Aufsichtsbehörden verhängt werden, die entsprechende Verfahren nur äußerst zögerlich in die Wege leiten. Dass allein die ärztliche Suizidbegleitung in einem Einzelfall, die nach wie vor strafrechtlich erlaubt ist, einen Approbationsentzug zur Folge haben könnte, ist nur schwer vorstellbar.

PS.: Den aberwitzigsten Bericht hat in diesem Zusammenhang ein Martin Rank in der „taz“ veröffentlicht, der einfach mal schlicht behauptet:

„Ärzte, die Sterbehilfe leisten, müssen in Zukunft mit scharfen Sanktionen rechnen – selbst wenn es sich um passive Sterbehilfe handelt. Dies hat die Bundesärztekammer auf ihrem 114. Ärztetag in Kiel beschlossen. Das Verbot war unter den Ärztevertretern sehr umstritten. Nach einer heftigen Debatte stimmten jedoch 166 Delegierte für den Vorstandsantrag, 56 waren dagegen und sieben enthielten sich ihrer Stimme. Eine Neuformulierung des Paragrafen 16 der Muster-Berufsordnung (MBO) soll die Grauzone bei der Sterbehilfe auflösen. Bislang war es Ärzten möglich, auf lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten, wenn das Hinausschieben eines unvermeidbaren Todes für den Patienten als unzumutbar galt. Die Neufassung würde bedeuten, dass Ärzte, die weiterhin passive Sterbehilfe praktizieren, ihre Zulassung verlieren können. Zustimmen müssen noch die Landeskammern.“

Dabei hätte er, wenn es ihm schon nicht möglich war die Pressemitteilung der Bundesärztekammer zu lesen, die zutreffend erläutert hat, dass es um assistierten Suizid ging und nicht um „passive Sterbehilfe“m nur einige Tage zuvor seine eigene Zeitung lesen müssen, die eine Themenseite zu der Kontroverse produziert hat. Schön, dass der taz-Kollege dann sofort Uwe Christian Arnold kommentierend zu Wort kommen lässt, der den BEschluss kraft seiner ärztlichen Kompetenz als verfassungswidrig qualifiziert. Leider teilt der taz-Reporter den Lesenden nicht mit, dass der Urologe Uwe Christian Arnold durchaus kein objektiver Beobachter ist, sondern längere Zeit 2. Vorsitzender von Dignitate war, dem deutschen Ableger der umstrittenen Sterbehilfeorganisation „Dignitas“. 

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18 Lesermeinungen

  1. Danke Herr Tolmein für diese...
    Danke Herr Tolmein für diese eindeutige Positionierung zum Thema ärztlich assistierter Suizid. Nachdem ich heute (u.a. auch eben noch im Deutschlandfunk) viel unsägliches („Der Arzt wird allein gelassen“/“die besondere Vertrauensbeziehung Arzt-Patient wird zerstört“) hören und lesen musste, ist Ihr Blog eine willkommene fundierte Abwechslung. Im Übrigen: „Palliativmedizin“ ist an der Uni Marburg ab nächstem Wintersemester eine curriculare Veranstaltung mit vorraussichtlich Vorlesung und Seminar. (Nicht nur) angesichts des demographischen Wandels eine, wie ich finde, richtige und wichtige Zukunftsentscheidung.

  2. Vornehmste ärztliche Pflicht...
    Vornehmste ärztliche Pflicht ist es den Schwachen zu schützen und in seiner Not zu helfen. Vor diesem Hintergrund ist dem Ansehen der deutschen Ärzteschaft durch die fast einstimmige Zustimmung des 114. Ärztetages zur „Präimplantations-Diagnostik“ schwerer Schaden zugefügt worden. Denn anstatt mutig Widerstand gegen die drohende Selektion des Menschen in der Embryonalphase zu leisten und entschlossen Maßnahmen gegen die massenhafte Tötung von schutzlosen, ungeborenen Menschen zu ergreifen, hat die deutsche Ärzteschaft sich wieder einmal dem Zeitgeist gebeugt und sich zum Erfüllungsgehilfen der Starken degradiert.

  3. Zur Vollbewirtschaftung des...
    Zur Vollbewirtschaftung des Bürgers gehört nun einmal auch die verwertende Einspeisung seines Körpers in das Gesundheitssystem.

  4. Peter Puppe sagt:

    Man stelle sich das einmal...
    Man stelle sich das einmal vor: Sterbehilfe (Hilfe zum selbstbestimmten Sterben) ist in Deutschland alltägliche Praxis (siehe Buchveröffentlichung ‚Ich sterbe mich. Aus dem Alltag deutscher Sterbehelfer 2010.‘), aber diejenigen, die ihre unbezweifelbare Kompetenz in den schwierigen Abwägungsprozess zwischen Leben und Tod einbringen sollten – die Ärzte – verweigern sich in breiter Front mit kaum nachvollziehbaren Argumenten.
    Wussten Sie übrigens, dass in den Niederlanden gesetzlich geregelt ist, dass NUR Ärzte Sterbehilfe leisten dürfen und kein ‚Laie‘? Ob diese Regelung für Deutschland erstrebenswert wäre, wage ich allerdings nach den aktuellen Beschlüssen des deutschen Ärztetages zu bezweifeln!
    Was bleibt, ist weiterhin die aktuelle Hilfe zum selbstbestimmten Sterben durch nicht-ärztliche Sterbehelfer, denn darauf hat der deutsche Ärztetag keinerlei Einflussmöglichkeit. Welchen Ärzten ist dies eigentlich bei ihrer Abstimmung bewusst gewesen?
    Peter Puppe

  5. Doktor D sagt:

    Herzlichen Dank für diesen...
    Herzlichen Dank für diesen Überblick. Auch Herr Burchardt vom Deutschlandfunk wird übrigens hysterisch. Nachzulesen hier: https://www.dradio.de/dlf/sendungen/kommentar/1473210/
    WIkrlich peinlich und lächerlich.

  6. tolmein sagt:

    @Doktor D.: In der Tat, Herr...
    @Doktor D.: In der Tat, Herr Buchardt vom Deutschlandfunk geraten Kriterien und Perspektiven völlig durcheinander. Insbesondere interpretiert er das Bundsgerichtshof-URteil vom letzten Jahr völlig falsch, weil er – wie viele andere Kritiker der neuen Musterberufsordnung – einen entscheidenden Unterschied nicht sieht: Den zwischen dem Behandlungsauftrag des Arztes, der ihm erlaubt und ihn sogar dazu verpflichtet, Behandlungen zu unterlassen oder auch (ggf. sogar aktiv) abzubrechen (das ist Sterbebegleitung oder Sterbehilfe) und dem freien Wunsch eines Menschen, der auch Patient ist, Suizid zu begehen: Das hat mit der ärztlichen Behandlung und dem Behandlungsvertrag nichts zu tun. Folglich hat der Arzt hier auch keine Verpflichtungen und läßt niemanden im Stich. Etwas anderes ist es, wenn der Patient Schmerzen leidet, die er nicht erträgt: Da hat der Arzt natürlich die Verpflichtung diese Schmerzen nach allen Regeln der Kunst zu bekämpfen und zwar sogar dann, so der BGH schon 1996 (und die Entscheidung wurde von der Ärzteschaft begrüßt), wenn als nicht gewünchte, aber unvermeidliche Nebenwirkung der Tod des Patienten eintritt (aufgrund der erforderlichen hohen Schmerzmitteldosis): Es gibt allerdings namhafte Palliativmediziner, die bezweifeln, dass diese sogenannte indirekte Sterbehilfe, tatsächliuch existiert, weil lege artis gegebene Schmerzmittel ihrer Auffassung nach das Leben nicht verkürzen. Im schlimmsten Fall kann der Arzt zu einer so genannte terminalen palliativen Sedierung verpflichtet sein – wenn die Schmerzen anders nicht bekämpft werden können und der Patient das will. Aber mit Suizid hat das alles nichts zun tun. Herr Burchardt also schreibt: „Es wird interessant sein, zu sehen, wie sehr diese Verfügung tatsächlich mit der gültigen Rechtsprechung in Einklang steht. Denn immerhin hatte der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vor Jahresfrist das Urteil gegen einen Arzt mit der Begründung aufgehoben, das Abschalten eines Beatmungsgerätes oder das Durchschneiden einer Magensonde sei ein zulässiger Behandlungsabbruch. Mit Töten auf Verlangen oder Totschlag habe dies nichts zu tun. Voraussetzung sei allerdings, dass dies vom Patienten oder von der Patientin zuvor eindeutig so geäußert wurde. „
    Das ist eben ganz und gar mißverstanden, weil sich diese Entscheidung ausschließlich und ausdrücklich auf Behandlungen und deren Abbruch bezieht. Dieses Handeln wird von der Musterberufsordnung nicht verboten und in den Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung der BÄK auch ausdrücklich und ausführlich erlaubt und erläutert, wie dabei vorzugehen ist.

  7. ThorHa sagt:

    Ich verstehe zwei Ihrer im...
    Ich verstehe zwei Ihrer im Blogeintrag geäusserten Vorbehalte nicht wirklich.
    Der erste richtet sich gegen die Rationierung medizinischer Leistungen, wie sie in Grossbritannien offiziell, bei uns über den Umweg der Budgetierung auf dem Rücken der Ärzte längst Praxis ist. Sie sind offenbar ein strikter Gegner. Dann allerdings wäre es an Ihnen, darzulegen, wie man mit den ständig steigenden medizinischen Kosten dauerhaft (!) umgehen kann. Dass sie stärker steigen, als z.B. das Bruttosozialprodukt, scheint mir unstreitig zu sein – im wesentlichen verursacht durch sündhaft teure Behandlungen im medizinischen Grenzbereich (typisch dafür – Chemotherapien gegen Krebs, die das Leben häufig um wenige Monate verlängern).
    Den zweiten Einwand, den ich nicht verstehe, ist der gegen eine Widerspruchslösung zur Organspende. Um es ganz einfach zu machen – warum ist das Recht eines Toten an seinen nach dem Tod verwesenden Organen höher zu bewerten, als das Recht von Lebenden auf eine Verlängerung ihres Lebens bzw. eine enorme Verbesserung ihrer Lebensqualität? Mir scheint diese Position weder durch humanistische noch durch religiöse ethische Axiome gedeckt zu sein?
    Gruss,
    Thorsten Haupts

  8. Mitleser sagt:

    Wie schon bei Singer: Alles...
    Wie schon bei Singer: Alles nur künstliche Aufregung. Die Berufsordnungen (Ordnungen, weil sie nur auf Länderebene Gesetzeskraft haben) müssen zukünftigen Prüfungen durch die Gerichte standhalten. Diese Berufsordungen sind politisch bterachtet nachrangiges Recht.
    Man merkt doch klar, wie sichoffensichtlich die hoch bzehalten Funktionäre dieser Zunft gesellschaftlich immer mehr in die Ecke gedrängt fühlen und so reagieren, wie man das von gejagtem Wild erwartet.
    @ Ritter
    Das war das vorgezogene Wort zum Sonntag gepaart mit Sozialfolklore.

  9. Lutz Barth sagt:

    Verehrter Herr Tolmein.

    Wie...
    Verehrter Herr Tolmein.
    Wie Sie sehen, ist Ihnen der Dank der Blogger gewiss. Ob allerdings die von den Befürwortern der ärztlichen Suizidbeihilfe vorgetragenen Argumente „Unsinn“ seien, wie in Ihrem Beitrag anklingt, wird allerdings die Zeit zeigen. Es ist in der Tat so, dass nunmehr die ethischen Überzeugungstäter einen „Erfolg“ verbuchen können, der allerdings mehr als zweifelhaft ist und jedenfalls nicht dazu beiträgt, dass die BÄK tatsächlich als „moralische Autorität“ anerkannt zu werden.
    Zu fragen allerdings ist, ob Sie sich der Tragweite Ihrer eigenen Ausführungen zur verfassungsrechtlichen Problematik bewusst sind, denn in ihnen spiegeln sich „Wertungen“ und „Annahmen“ wider, die jedenfalls nicht von einem liberalen Verfassungsverständnis geprägt sind, abgesehen von der höchst interessanten Frage, ob hier ggf. die BÄK ihre Normsetzungskompetenz nicht überschritten hat.
    Fakt jedenfalls ist, dass hier ein ethischer „Grundkonsens“ angenommen wird, der letztlich „nur“ durch ein moralisches Zwangsdiktat in Gestalt einer verschärften berufsrechtlichen Regelung abgesichert werden kann, weil andererseits wohl die berechtigte Befürchtung besteht, dass einzelne Ärztinnen und Ärzte sich sehr wohl eine Suizidbegleitung vorstellen und dies gar mit ihrem Arztethos vereinbaren können. Ein vorgeblich „hoch stehender Berufsstand“, der seine berufsspezifische Ethik über das Berufsrecht absichern muss, scheint mir ein gefährlicher zu sein, schwingen sich doch die Funktionäre zu den von mir gescholtenen Oberethikern auf, die sich im Kern als wahre Überzeugungstäter erweisen.
    Der neue Präsident der BÄK mit seinem „moralischen Anspruch“ steht in besonderer Weise für einen restriktiven neopaternalistischen Kurs, ohne dass er auch nur im Ansatz über das entsprechende Reflexionsvermögen verfügt, dass in besondere Weise an der Schnittstelle zwischen Recht und Ethik gefordert ist.
    „Dünnbrettbohrer“ haben es verstanden, die zentralen Verfassungsrechtsfragen zu verwässern und – mit Verlaub – auch Sie, verehrter Herr Tolmein, gehören leider zu den Kollegen, die gelegentlich einen Blick in die „ethische Glaskugel“ statt in das Grundgesetz vorziehen. Die dogmatische Behandlung des Themas ist keinesfalls abgeschlossen und dann werden wir sehen, wer welchen „Unsinn“ gebetsmühlenartig verbreitet hat, wonach selbstverständlich die Gewissens- und Berufsfreiheit als auch das Selbstbestimmungsrecht erkennbar ohne Not „zu Grabe getragen“ wurde. Das „Arztethos“ ist zu einem Wert überhöht worden, der einem kirchenspezifischen Dogma nicht nur gleichkommt, sondern diese gelegentlich auch übertrifft.
    Es besteht nach diesseitiger Auffassung also kein Anlass für Frohlockungen oder gar „Dankesreden“, sondern allenfalls eine gewisse Ohnmacht über soviel Arroganz und Intoleranz gegenüber den eigenen Berufskollegen und aufgrund der Drittwirkung der berufsrechtlichen Regelung auch gegenüber den schwersterkrankten und sterbewilligen Patienten.
    Anders ausgedrückt: Die Delegierten und die Ärztefunktionäre sollten sich schlicht schämen, zumal der Hinweis auf die Palliativmedizin eben nicht verfängt!

  10. Ein typischer...
    Ein typischer Microsoft-Windows User: Lieblings Anwendung: PatienTen legen!

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