Der auch in diesem Blog behandelte Fall „Deutsche Stiftung Organspende“ (DSO) entwickelt sich spannend – er wirft auch immer mehr Fragen auf. Hatte in den ersten Tagen nach Versendung eines Schreibens „anonymer Mitarbeiter“ kaum jemand darüber berichtet, mehrten sich dann Mitte der Woche Artikel mit Überschriften wie „Schwere Vorwürfe gegen die Stiftung Organtransplantation.“ Die DSO selbst tat die Kritik nach außen hin anfangs entschieden ab. Im Inneren ging es dagegen offenbar heiß her. Der Stiftungsrat , in dem auch der Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer und Vertreter der Krankenkassen sitzen, hat sich in einer Sitzung am Donnerstag mit dem Thema befasst und am Freitag eine Pressemeldung veröffentlicht, die nicht gerade durch Stringenz glänzt: Zuersteinmal lobt man sich, für die besonders erfolgreiche Arbeit im vergangenen Jahr, kommt nicht umhin, den Rückgang der Spenderzahlen zu erwähnen und endet dann bei einem modifizierten „weiter so!“: „Wenn die Organspenderate nun auf das Niveau der Vorjahre zurückgegangen ist, so zeigt dies nur, dass weitere gemeinsame Anstrengungen auf diesem Gebiet notwendig sind.“
Ob der Rückgang der Zahlen „nur“ oder gar überhaupt das zeigt, ist ja nun gerade umstritten, wie der Stiftungsrat dann selbst feststellen muss. Die Kritik an den Strukturen und Vorgehensweisen der DSO wird sodann aber auf den am einfachsten überprüfbaren Faktor runtergeredet, das angebliche wirtschaftliche Fehlverhalten (Kritik aus dem anonymen Schreiben: „goldene Füller“) – folglich wird auch ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer eingeschaltet, der nun tätig werden soll:
„Der Stiftungsrat (nimmt) die anonymen Klagen ernst. Obgleich regelmäßige externe Wirtschaftsprüfungen erfolgen, auch im Hinblick auf Beschaffungs-, Dienstreise- und andere Regelungen des Vorstands, hat der Stiftungsrat beschlossen, eine Überprüfung der Vorwürfe gegenüber dem Vorstand durch einen weiteren externen unabhängigen Wirtschaftsprüfer zu veranlassen. In mehrstündigen, intensiven Gesprächen mit mehreren Mitarbeitern der Hauptverwaltung der DSO ohne Anwesenheit des Vorstands hat sich der Stiftungsrat darüber hinaus detailliert über die Führungskultur in dem sensiblen Bereich der Organspende informiert. Zur Verbesserung der innerbetrieblichen Kommunikation, sowohl im Bereich der Hauptverwaltung als auch zwischen Hauptverwaltung und den Regionen der DSO strebt der Vorstand einen extern moderierten Prozess an, der baldmöglichst alle Beteiligten zueinander führen soll.“
Die „taz“, die offenbar Kontakt zu den Verfassern des Schreibens verfügt, hat das, was in den letzten Tagen in der DSO offenbar abgelaufen ist, in einer Überschrift etwas anders interpretiert:
„Nach Kritik an Organspende-Stiftung – Mitarbeiter massiv unter Druck gesetzt“
In dem Text heißt es, unter Berufung auf „Ehemalige und aktuelle DSO-Mitarbeiter“:
„Insbesondere die Mitarbeiter in der Frankfurter DSO-Zentrale würden seit Bekanntwerden des Briefes massiv unter Druck gesetzt, sich von dem Schreiben zu distanzieren.“
Während die Reaktionen des Stiftungsrates vermuten lassen, dass in der DSO intern durchaus einiges im Argen liegt, versucht sich die politische Ebene aus dem Thema heraus zu halten: Bundesgesundheitsminister Bahr selbst hat nur die direkte Aufsichtsbehörde der Stiftung und den Stiftungsrat um eine Aufklärung gebeten. Dass sich das Ministerium nicht in die inneren Angelegenheiten der Stiftung einmischen mag, ist einerseits nachvollziehbar, angesichts der erheblichen Bedeutung, die die Stiftung für das Transplantationswesen in der Bundesrepublik hat, überzeugt die Zurückhaltung aber nicht wirklich. Dabei geht es mir weniger um das jährliche Budget der DSO von 33 Millionen Euro, das zwar beachtlich, aber angesichts der etwa 264 Milliarden Euro Gesundheitsausgaben pro Jahr eine doch nicht so bedeutsame Größe darstellt. Entscheidender ist, dass durch die Art und Weise wie die DSO arbeitet die Situation von Organempfängern und Menschen, denen Organe entnommen werden können oder sollen erheblich beeinflußt wird.
Drei Punkte finde ich noch erwähnenswert:
Wohl um die anonymen Briefeschreiber zu widerlegen, die die Politik des DSO-Vorstandes für den Rückgang an Organspendern verantwortlich machen, hat sich der Medizinische Vorstand der DSO Professor Günter Kriste gegenüber „Focus“ zum Zusammenhang von Patientenverfügung und Bereitschaft zur Organentnahme geäußert – ein Thema, das mir ja auch besonders wichtig erscheint, das aber ansonsten in der Debatte weitgehend ignoriert wird. Prof. Kriste macht die Patientenverfügungen dafür verantwortlich, dass die Zahl der Organspender zurückgeht:
„Ärzte erzählen mir, dass sie, sobald sie eine Patientenverfügung sehen, die Angehörigen gar nicht mehr um die Erlaubnis zur Organentnahme fragen“
Das ist einerseits bemerkenswert, weil es bestätigt, dass Patientenverfügungen und Organspendeausweise in der Regel nicht kompatibel zueinander sind – und deswegen hier hoher unabhängiger Beratungsbedarf besteht. Es ist andererseits, statistisch gesehen, wenig plausibel, weil es voraussetzen würde, dass die Zahlen der Patientenverfügungen 2011 gegenüber 2010 signifikant gestiegen wären, was bislang jedenfalls nirgendwo belegt wird.
Weiterhin: Der bioethik-kritische Informationsdienst „Bioskop“ sieht sich durch die gegenwärtige Debatte in seiner kritischen Haltung zur DSO bestätigt. Ein Blick auf die Seiten von „Bioskop“ zeigt jedenfalls, dass es dort einiges an interessanten kritischen Informationen zum Thema Transplantationsmedizin zu lesen gibt.
Und dann noch: Ich habe ja Sympathien für „Whistleblower“ und kann nachvollziehen, dass es in bestimmten Arbeitsverhältnissen näher liegt sich anonym als mit Namen an die Öffentlichkeit zu wenden. Was ich nicht verstehe, ist, warum die Anonymusse , die wohl aus der DSO kommen, sich nicht nur nicht direkt an die Medien gewandt haben, sondern ausdrücklich nur an Politiker – die nun nicht gerade als verschwiegene Berufsgruppe gelten, weswegen meines Erachtens klar sein musste, dass die Informationen in den Medien landen, wo sie ja auch hingehören. Wieso dann aber nicht direkt, sondern eher scheinheilig über die Bande? Das stimmt (mich zumindest) auch mißtrauisch….
Übrigens: die Links, die teilweise recht lang wäre, sind allesamt über bit.ly gekürzt. Ich hoffe, das stört niemanden.
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Abteilungsleiter DSO zu...
Abteilungsleiter DSO zu Müller, empört: „Hören Sie mal, finden Sie nicht auch, diese anonymen Klagen sind eine echte Schweinerei?“ Müller, vorsichtig (wer hatte nach mehreren Tagen als Mitverfasser doch zweifel, ob die anonymen Klage nicht hier und da etwas zu hart …): „Na ja, Herr Abteilungsleiter, sicher, schön war das für Sie nicht …“ Abteilungsleiter, entschlossen: „Sehen Sie, Müller, Sie waren ja schon immer einer meiner zuverlässigsten Leute. Können Sie nicht dieses Schreiben“ – schiebt Kopie über den Tisch – „mit unterzeichnen? Mit dem wollen wir klarstellen, dass hier alles in Ordnung ist. Meier und Schulze haben auch schon zugesagt!“
…
Müller am Abend beim Treffen mit dem dpa-Korrespondenten, den ganzen Tag mit leichten Gewissensbissen wegen seines erneuten Ausweichens: Also, als da der Abteilungsleiter mich so erwartungsvoll ansah … Ich stand ganz schön unter Druck, kann ich Ihnen sagen!“. dpa-Korrespondent an Redaktion: „DSO-Mitarbeiter unter erheblichem Druck der Führung.“
…
Gruss,
Thorsten Haupts,
kein grosser Freund von Anonymität
Anonym hat auch immer ein...
Anonym hat auch immer ein Geschmäckle. Anderseits wird wohl auch ein Körnchen Wahrheit in diesem Schreiben liegen.
Den einzigen Fakt den wir aus diesem Schreiben haben: Die Organspendezahlen sind deutlich zurückgegangen.
Zweiter Fakt (nicht aus dem Schreiben, aber bekannt): Nur die DSO ist in Deutschland nach dem TPG für die postmortale Organentnahme (in den Krankenhäusern) zuständig.
Dritter Fakt: Es wandert ein erkleckliches Sümmchen in die DSO.
Vierter Fakt: Die DSO ist in einem sehr sensiblen medizinischen Bereich tätig ohne Patientenkontakt zu haben. Das scheint mir ein ganz wesentlicher Punkt bei der Unzufriedenheit der Mitarbeiter zu sein.
Fakt eins führt aber zu einem Verifikationsdruck für den der dafür als Monopolist zuständig ist (jetzt mal provozierend formuliert). Wo geht der Druck dann hin:
an die Mitarbeiter im „Außendienst“ – in der Zentrale fallen keine Organe an :-). Die fühlen sich für die Situation alleine aber nicht verantwortlich. Und irgendwann bekommt das dann eine EIgendynamik und die Mitarbeiter schreiben einen Brief – mit etwas Wahrheit aber auch eigenen Wahrnehmungen.
Und die Situation haben wir nun. Ich kann – als Wartender – alle Beteilgiten nur auffordern im Sinne der wartenden Patienten und der Bevölkerung Transparenz in dieses so wichtige Thema zu bringen. Die Zurückhaltung des Ministeriums kann ich nicht nachvollziehen. Rechtlich mögen Sie zur Zurückhaltung gezwungen seine (keine Fachaufsicht). Das bringt dann aber eine andere Frage auf: Darf ein so sensibler Bereich vom Staat losgelöst sein?
Oliver Tolmein schreibt in...
Oliver Tolmein schreibt in seinem Blog: „Das ist einerseits bemerkenswert, weil es bestätigt, dass Patientenverfügungen und Organspendeausweise in der Regel nicht kompatibel zueinander sind.“
Dies greift ein wichtiges Thema auf, nämlich die Bürgerinnen und Bürger zu sensibilisieren, dass der Ausschluss jeder Art von Intensivmedizin mit der Organspende inkompatibel ist. Auf der anderen Seite ist es abwegig, dass jede Patientenverfügung ein Problem für die Organspende darstellt. Denn mündige Bürger können ihre Verfügungen sehr wohl so abfassen, dass die Willenserklärungen zusammen passen.
Im übrigen schlage ich zur Vermeidung von unbeabsichtigten Widersprüchen Folgendes vor: Im Organspendeausweis sollte künftig abgefragt werden, ob im Zweifelsfall die Patientenverfügung oder der Organspende-Wunsch vorgehen soll.
Michael Kauch MdB (FDP)
@Michael Kauch: Sie haben...
@Michael Kauch: Sie haben recht: Der mündige und vor allem der gut informierte Bürger kann Organspendeverfügung und Patientenverfügung in Einklang miteinander verfassen. Aber da das Problem in der Öffentlichkeit zumeist übergangen wird, sind die meisten Menschen nicht gut informiert. Insofern begrüße ich Ihren Vorschlag außerordentlich, eine Frage zum Verhältnis von Organspende-Verfügung und evt. Patientenverfügung in den Organspendeausweis aufzunehmen. Dadurch wird immerhin deutlich, dass hier ein Problem liegen könnte (das in den Informationsmaterialien dann auch vertieft werden könnte). Im Übrigen sollte natürlich auch bei Patientenverfügungen ggf. erläutert werden, wie man es denn mit der Organspende halten möchte bzw. dass man dazu bewusst nichts äußern möchte.
Ab 2012 werden alle Bürger...
Ab 2012 werden alle Bürger des Landes zu potentiellen Organspendern,wenn sie nicht ausdrücklich eine Widerspruchslösung in schriftlicher Form erstellt haben.Mit diesem Umkehrschluß rechnet man mit der Unwissenheit,Trägheit,Vergeßlichkeit oder Gleichgültigkeit der breiten Masse,um an die begehrten Organe zu kommen.Damit man dabei auch rechtlich auf der sicheren Seite steht,gibt es eigens auf die Transplantation paßgenau zugeschnittene Paragraphen.Die kollidieren zwar mit dem Grundgesetz,aber der Zweck heiligt die Mittel.
§ 34 StGB (mit meinen Kommentaren versehen) lautet so:
„Der rechtfertigende Notstand(des Empfängers) verlangt vom Einzelnen(dir und mir),daß er einen Eingriff in die eigene Interessenssphäre (kein Organspender zu sein)duldet,wenn nur auf diese Weise das weit gewichtigere Interesse eines Mitmenschen zu retten ist.Der gerechtfertigte Täter (Krankenhaus und Ärzte)bleibt im Ergebnis straflos,obwohl er einen Straftatbestand verwirklicht hat(unsere Widerspruchslösung wurde soeben geschreddert)“.
Da wir aber in dieser Gesellschaft nicht alle Gleiche unter Gleichen sind,gibt es noch den von Fall zu Fall – Paragraphen – „die situationsabhängige Zumutbarkeit“.Damit sind alle mit Macht,Geld,Bildung,Ansehen und Beziehungen auf der sicheren Seite.
Übrigens haben von 400 000 Ärzten nur 5% einen Organspenderausweis denn sie wissen was sie tun!!!