Biopolitik

Organspende-Pläne im Parlament: Freiwillig schlingern, sanktionierend platzen

Auch dpa weiß nicht alles und manchmal dafür mehr als wirklich ist: „Die Verhandlungen zwischen Koalition und Opposition über eine gemeinsame Organspende-Reform sind offenbar gescheitert“ läuft über den Ticker und die Ärztezeitung setzt das online unter die dramatische Überschrift Organspende: Kauder-Steinmeier-Plan geplatzt, was ein bisschen nach Verschwörungstheorie und ein bisschen nach groß angelegten Manövern klingt. Dann auch ein idyllisierendes „Eine Sternstunde des Parlaments hätte es werden können“ und man muss schon fast schwer enttäuscht sein.

Kurz darauf aberhöre ich (nach beharrlichem Fragen) aus der SPD, aus ihrer Sicht sei nichts geplatzt, nur ein Stillstand und eine schwierige Situation in den Fachgesprächen. Im FDP geführten Bundesgesundheitsministerium, dessen politischer Vorschlag einer „fragen soll man, aber nicht auf Anwort drängen“-Regelung in der Debatte gegenwäretig hoch im Kurs steht, weiß man von nichts: wenn die Regierungsparteien, wird mir mitgeteilt, sich an uns wenden, stehen wir bereit. Aber bislang soll ein solcher Vorstoß nicht erfolgt sein. Kein Wunder, ist doch aus der CDU einerseits zu hören, dass es schon sehr grundlegende Probleme gibt, andererseits aber auch, dass Fraktionschef Volker Kauder bemüht sei, mit Frank Steinmeier doch noch kurzfristig einen Ausweg zu finden. Der zuständige Gesundheitspolitiker der CDU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn, teilt mit: „Wir setzen auf Freiwilligkeit, ein Zwang zur Entscheidung oder gar Sanktionen wird es mit uns nicht geben. Das wäre ein massiver Eingriff in Persönlichkeitsrechte und würde die Menschen auch eher abschrecken. Wenn die SPD-Fraktion sich auf Freiwilligkeit einlassen sollte, können wir gerne weiter miteinander reden.“  

Ein Streit um „Freiwilligkeit“ und „Zwang“ – so will es die SPD-Seite nicht zugespitzt sehen. „Wir wollen aber eine substanzielle Änderung erreichen und nicht, dass am Ende nur ein paar Organspendeausweise mehr mit der Post verschickt werden.“ Bei den Koalitionsparteien meint man im Verlauf des letzten Gesprächs auf Fachebene am Mittwoch eine sehr schnelle „das geht eh nicht“-Haltung ausgemacht zu haben. Datenschutzrechtliche Möglichkeiten würden gar nicht erst richtig ausgelotet.

Eine der strittigen Fragen ist das Thema „Rückmeldesystem“: soll irgendwo erfasst werden, wer sich auf die Aufforderung, sich für oder gegen eine Organspende zu entscheiden, erklärt hat oder soll das nicht geschehen. Für die SPD droht das Projekt einer Entscheidungslösung ohne eine solche Möglichkeit zur Überwachung von Entscheidungen leer zu laufen. In Kreisen der CDU wird eine solche Erfassung von Rückmeldungen dagegen als zu weitgehend angesehen, man wolle auch kein Organspender-Zentralregister –  Ziel sei, die Menschen zu einer freiwillign Entscheidung zu motivieren, nicht sie zu bedrängen. Es müsste auch die Möglichkeit geben, sich nicht zu entscheiden oder eine Entscheidung aufzuschieben.

Der Gang der Debatte ist für ein solches Projekt ohnedies ungewöhnlich: üblicherweise gibt es in bioethischen Fragen konkurrierende Vorschläge aus den Reihen des Parlaments, die dann von fraktionsübergreifenden Gruppen getragen werden. In Sachen Transplantationsgesetz sind derzeit dagegen nur SPD, CDU/CSU und FDP im Gespräch, während Bündnis 90/Die Grünen und die Linke in diese Gespräche nicht einbezogen sind. Offenbar war die Hoffnung, hier schnell eine gemeinsame Lösung zu finden, die dann schnell umgesetzt werden könnte. Offenbar passiert nun aber genau das Gegenteil: je konkreter ein Gesetzestext formuliert werden soll, desto schmaler erscheint die ursprünglich für tragfähig gehaltene gemeinsame Basis. Für die SPD ist das vermutlich deswegen besonders problematisch, weil nun aus den bi- und trilateralen Fraktionsverhandlungen kein Weg mehr in den Weg der offenen Gruppenanträge führt. Erschwerend kommt hinzu, dass es ja bereits einen Gesetzesentwurf für die Änderung des Transplantationsgesetzes im parlamentarischen Verfahren gibt, der sich allerdings im Wesentlichen mit organisatorischen Fragen befasst.

Für das Thema „Organspende“ ist das sich abzeichnende Scheitern des deutschen Sonderweges der Entscheidungspflicht allerdings kein Verlust. Statt Zwänge zu schaffen, sollte eine offene Diskussion über das Thema ermöglicht werden, die die vielfältigen organisatorischen, ethischen und gesundheitsökonomischen Fragen einbezieht.

Jetzt ist erstmal Wochenende. Pause jedenfalls für die Pressestellen.

Sie können dieses Blog gerne kommentieren. Sie müssen sich dafür nicht anmelden.

 

 

Die mobile Version verlassen