Biopolitik

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Deutsche Stiftung Organtransplantation – Prüfungsbericht nicht ans Parlament?

| 3 Lesermeinungen

Organentnahme ist dieser Tage ein sehr großes Thema – mit Blick auf die potenziellen Organspender. Organentnahme ist ein sehr kleines Thema – ...

Organentnahme ist dieser Tage ein sehr großes Thema – mit Blick auf die potenziellen Organspender. Organentnahme ist ein sehr kleines Thema –  wenn es um die geht, die die Organentnahmen organisieren und die Organverteilung koordinieren. Während der Bundestag am Donnerstag in erster Lesung einen Gruppenantrag zur Erhöhung der Spendenbereitschaft in der Bevölkerung diskutieren wird, gegen den sich trotz seiner biopolitischen Brisanz kaum ein einziger Abgeordneter ausspricht, befasst sich der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages eher halbherzig mit den Zuständen in der Deutschen Stiftungs Organtransplantation (DSO). Die überaus einflußreiche DSO ist eine der größten nationalen Organspendeorganisationen weltweit – sie ist die nach dem Transplantationsgesetz beauftragte Koordinierungsstelle für die Organspende in Deutschland. Anfang des Jahres ist sie ins Gerede gekommen, weil Whistleblower aus der Organisation die inneren Verhältnisse scharf kritisiert und auch den Rückgang der Organspendebereitschaft von 2010 auf 2011 darauf zurückgeführt hatten.

Das daraufhin erstellte Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft liegt dem Bundesgesundheitsministerium vor, das allerdings keine direkte Aufsicht über die DSO führt, die als gemeinnützige Stiftung der Aufsicht des Landes Hessen unterliegt.

Allerdings hat der Stiftungsrat der DSO, in dem die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Bundesärztekammer, der GKV-Spitzenverband, aber beispielsweise auch der renommierte Rechtsanwalt Ulsenheimer vertreten sind, offenbar festgelegt, dass das Gutachten nicht an Dritte herausgegeben werden dar, auch nicht an den Bundestag oder Bundesrat. Es soll auch nicht daraus zitiert werden dürfen.  Diese Angaben hat die DSO auf meine Anfrage nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert: Der Stiftungsratsvorsitzende, der sich dazu äußern könnte, sei erst Montag wieder zu erreichen. Allerdings sieht die DSO die Vorwürfe aus den anonymen Schreiben aus den Reihen der Mitarbeiter durch den Prüfungsbericht auch niht bestätigt (was ja, meine ich, einen offensiven Umgang mit dem Prüfungsbericht ermöglichen würde…..)

Die interessante Frage ist ja nun, ob sich der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages bzw. das Parlament als Ganzes das gefallen lassen bzw. welche Konsequenzen sie daraus ziehen. Formaljuristisch ist der Stiftungsrat einer privaten gemeinnützigen Stiftung natürlich berechtigt Gutachten faktisch unter Verschluss zu halten. Bedenklich erscheint das aber, weil eine Organisation, die in diesem heiklen Bereich tätig ist und zu deren Aufgabe erklärtermaßen das Schaffen von Transparenz gehört, hier in deutlich erhöhtem Maße gefordert ist. Oder andersherum: Gerade wenn die Überprüfung so weitgehender interner Kritik nicht öffentlich möglich ist, stellt sich die Frage, ob eine private Organisation für die im Transplantationgesetz (in § 11 TPGzugewiesene Aufgabe wirklich geeignet ist: Die PatientenschutzorganisationDeutsche Hospizstiftung beispielsweise hat das mehrfach kritisiert.

Der Gesundheits-Ausschuss will jetzt nach Informationen dieses Blogs in seiner nächsten Sitzung am 28. März den Stiftungsrat, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Vertreter der Aufsichtsbehörde der Stiftung einladen um sich zu informieren. Wie das von statt gehen soll und mit welchem Ziel, war nicht zu klären. 

In der Öffentlichkeit spielt dieser, für die Praxis der Organentnahme nicht gerade unbedeutende Aspekt, der Kontrolle und der Verteilung, unverständlicherweise eine untergeordnete Rolle. Es wäre erfreulich, wenn sich in der parlamentarischen Debatte der eine oder andere damit befassen würde. Außerdem bin ich natürlich sehr gespannt, ob Ilja Seifert von der Linken, der einzige Abgeordnete aus dem Umfeld der Behindertenbewegung, der sich zudem öffentlich sehr klar gegen die Praxis der Organentnahme ausgesprochen hat, morgen in der Bundestagsdebatte zu Wort kommen wird.   

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3 Lesermeinungen

  1. sil sagt:

    Es ist schon schwer...
    Es ist schon schwer verständlich, wieso schon wenige Stunden nach der Sitzung des Dt. Ethikrates, auf der der mittlerweile hirntod-kritische amerikanische Neurologe Alan Shewmon spricht, die erste Lesung des Transplantationsgesetzes stattfindet. Der Dt. Ethikrat ist doch d a s Beratergremium für die Politik in bioethischen Fragen. Spielen denn die Ergebnisse dieser Tagung für die Bundestagsabgeordneten überhaupt keine Rolle? So schnell ist es doch garnicht möglich, die Argumente zu würdigen und zum Gegenstand der Diskussion im Bundestag zu machen.
    Und warum klammert die Politik das heikle Thema Hirntod völlig aus? Hat sie Angst vor einer Kontroverse?
    Äußerst seltsam finde ich es auch, dass – wie oben geschildert -der Prüfungsbericht über die DSO geheimgehalten wird. Immerhin spielt sie die zentrale Rolle in der Logistik der Organtransplantation, inclusive der Organsisation der Hirntoddiagnostik und der Organentnahmen. Da wäre eine rechtsstaatliche Kontrolle aus meiner Sicht dringend notwendig. Soweit ich mich erinnere, hat kürzlich eine DSO-Mitarbeiterin Strafanzeige wegen einer nicht lege artis durchgeführten Hirntoduntersuchung gestellt. So zumindest war es der Presse zu entnehmen. Da würde man schon erwarten, dass die Öffentlichkeit über den Verlauf der Angelegenheit aufgeklärt wird. Die Heimlichtuerei macht stutzig.

  2. Organ Spende und Bank bekommt...
    Organ Spende und Bank bekommt eine ganz neue Bedeutung.
    Alle sind sich da Einig im BT.
    Regelmässig fragt die Bank demnächst nach, ob Sie evtl. Geld benötigen.
    Um den Bürokratischen Aufwand zu minimieren, freuen wir uns darüber das dank Modernster Technik solch Abfragen in Notsituationen automatisiert durchgeführt werden kann. Dank einer Externen Automation werden Ethische Fragen an einer Datenbank abgegeben. Eingeweide..ähm Eingeweihte werden Still und Schweigen.
    Logistik – Organe – Reklame

  3. S a m i r a sagt:

    Mit dem neuen...
    Mit dem neuen Transplantationsgesetz hat sich mir erst erschlossen, wohin das Schiff gesteuert werden soll. In einem Drei – Stufenprogramm befinden wir uns jetzt in Stufe II. Mit der voraussichtlich angestrebten Notstandslösung wäre dann das Endziel, die Stufe III erreicht.
    Leider, oder Gott sei Dank, das liegt im Auge des Betrachters, tun sich die Deutschen sperrig mit dieser schwerverdaulichen Materie. Darum hat man auch erst einmal „vorgekautes“ Gedankengut in unsere Köpfe infiltriert. Und die, die wahrscheinlich nie Spender sein werden, verunglimpfen diejenigen unter uns, die aus den unterschiedlichsten Gründen auch keine Organspender sein möchten. Stufe III bedeutet glänzende Geschäfte mit Rohmaterial zum Nulltarif und löst sofort das Problem mit den leidigen Behandlungs – und Pflegekosten. Ich sehe darin eine große Gefahr. Ein mächtiger Interessenverbund setzt auf Faktor Zeit und entsprechende Erfüllungsgehilfen.
    I m Ü b e r b l i c k
    StufeI : Organspende unterlag der Freiwilligkeit und wurde durch einen Spender – Ausweis dokumentiert (war gültig bis 31.12.2011).
    Stufe II :Entscheidungslösung; jeder ist Organspender, wenn er nicht durch eine schriftliche Dokumentation der Explantation widersprochen hat (Widerspruchslösung – gültig seit 01.01.2012).
    Stufe III : Notstandslösung
    Jeder ist ohne Widerspruchsmöglichkeit zur Organspende verpflichtet (z.Z. schon in Bulgarien praktiziert – gewissermaßen die Null – Serie für Europa).
    So peu a peu werden wir zum unmündigen Bürger gemacht.
    P. S. Im StGB gibt es aber noch eine Zumutbar – Klausel – für wen die wohl sein mag?

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