Biopolitik

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Dieses Blog ist geschlossen. Es ist als Archiv über die biopolitische Debatte 2008 bis 2012 hier weiter einzusehen. Aktuelle Entwicklungen zum Thema

Ahoi, Organe ! Piraten steuern (wenn überhaupt etwas) keinen Kurs gegen den mainstream

| 5 Lesermeinungen

Was sich heute morgen im Bundestag zum „All-Fraktionsvorsitzenden-Gesetzentwuf“ zum Thema „Transplantationsmedizin“ zusammenbraut,...

Was sich heute morgen im Bundestag zum „All-Fraktionsvorsitzenden-Gesetzentwuf“ zum Thema „Transplantationsmedizin“ zusammenbraut, hätte schon eine starke, nicht nur außerparlamentarische Opposition verdient (dazu mehr  im Feuilleton der Print-Ausgabe und in früheren Blogs hier). Gibt es aber, jenseits einzelner Abgeordneter vor allem aus Bündnis 90/Die Grünen und Linken nicht. Also richtet dieses Blog den Blick mal wieder gen Piraten, die ja angetreten sind Transparenz, Opposition, Basisdemokratie auch dahin zurück zu bringen, wo sie nie zu Hause waren. Wäre die gegenwärtige Debatte also anders verlaufen, wenn die Piraten schon im Bundestag säßen? Nun sind die Piraten ja nie angetreten, Biopolitik zu betreiben. Aber: Gerade die beiden gegenwärtigen Gesetzesvorhaben zur Änderung des Transplantationsgesetzes haben eine starke datenschutzrechtliche Schlagseite bzw. suspendieren den Datenschutz an einigen Punkten nachdrücklich (elektronische Gesundheitskarte, Forschungsklausel) – die Piraten hätten also einigen Grund, hier genau hinzuschauen und oppositionellen Positionen zu vertreten.

Tun sie aber nicht. Transplantationsmedizin ist für die Piraten ein Thema, das unter ferner liefen rangiert. Die aktuelle datenschutzpolitische Dimension haben sie – ausweislich der Texte auf ihren Seiten zum Thema – gar nicht richtig mitbekommen (was ich bedenklich finde, nicht weil Politiker zu allem eine Position haben müssten, aber weil sie zumindest merken sollten, wenn ein Thema ihnen politisch nahekommt). Es gibt zwar bei den Piraten eine  „AG Blut und Organspenden“, die befasst sich ausweislich ihrer Wiki-Seite aber vor allem mit der Frage, warum Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle vom Spenden ausgeschlossen sind: eine interessante Frage und Debatte über Diskriminierung in diesem Bereich, aber angesichts der aktuellen Entwicklungen eine Randfrage (Randfragen können zentrale Bedeutung erlangen). Im Liquid Feedback ist eine Debatte über Organspende abgesoffen, die 2011 angezettelt wurde, um die Widerspruchslösung voranzutreiben (2009 gabs auch schon mal eine solche Debatte): die meisten Teilnehmer konnten sich mit der Position nicht anfreunden. Am Ende wurde mit 313 Nein gegen 147 Ja-Stimmen das Thema abgebügelt. Eine Alternativposition hat sich aus der Debatte aber auch nicht entwickelt. Ein Ansatz, das Thema bei einem elektronischen Stammtisch zu debattieren scheiterte:

·         Themenvorschlag von:mir Kristin

·         groß diskutiert: Organspende, werde ich zukünftig einen Ausweis bei mir tragen müssen, der beinhaltet, dass ich nicht „ausgeschlachtet“ werden möchte im Falle eines tragischen Unfalls?Werden bei mit weniger Bemühungen zur lebensrettenden Maßnahmen unternommen, sollte ich Organspender sein?Organspenderausweis; Heil oder Segen?

–>> Wird vertagt, da Teilnehmer nicht anwesend, der das Thema vorgeschlagen hat und erläutern könnte.“

 

 Stellungnahmen von funktionstragenden Piraten zum Thema habe ich nicht gefunden. Vermutlich hat sie niemand gefragt, sie haben sich aber auch nicht zu Wort gemeldet. In der gegenwärtigen Debatte, die durch Stromlinieförmigkeit der etablierten Parteien geprät ist, hätten die Piraten vermutlich auch als Bundestagspartei nichts durcheinander gewirbelt. Immerhin: die elektronische Gesundheitskarte ist den Piraten nicht lieb, das lässt sich zwar nicht auf ihrer neuen, wohl aber auf ihrer alten Homepage nachlesen – dass und was dieeGesundheitskarte mit dem Thema Transplantationsmedizin zu tun hat, erfährt man aber auch da nicht…

 

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5 Lesermeinungen

  1. Giannozzo sagt:

    Nun ja: Da die "Politik" der...
    Nun ja: Da die „Politik“ der Piratenpartei im Wesentlichen um die eigene Bedürfnisbefriedigung kreist (Knete für alle, Unterhaltung für lau), ist es eigentlich nicht verwunderlich, wenn ihnen zu so einem esoterischen Thema nix einfällt. – Ich habe vor kurzer Zeit eine ähnliche Erfahrung gemacht, als ich aus gegebenem Anlass nachschauen wollte, was die PP so über Facebook denkt. Eigentlich auch ein Thema, das eine Bürgerrechts- und Onlinepartei brennend interessieren sollte. Was ich dazu schließlich gefunden habe, war, neben ein paar abgebrochenen Diskussionen und nicht funktionierenden Links, folgende Kernaussage (wörtlich zitiert!):
    .
    „Piraten-Aktivität: Die Piratenpartei nutzt effektiv Kommunikationsmöglichkeiten wie Facebook, um Transparenz und Informationelle Selbstbestimmung, auch in der eigenen Partei bewußt zu partizipieren.“
    .
    Transparenz bewußt partizipieren … Noch Fragen? Na dann.

  2. Diese Arroganz die an den Tag...
    Diese Arroganz die an den Tag gelegt wird, nur weil sich die Piraten nicht dirket auf jedes Thema stürzen, ist athemberaubend. Knapp 20 Jahre hat die Presse und der „Pöbel“ akzeptiert, dass es eine Monothematische Partei gibt, die Grünen.
    Jetzt wird in einer Situation wo die Piraten 100x breiter aufgestellt sind, als die Grünen Mitte der 90er, von allen Seiten auf sie draufgehauen. Respekt

  3. Sehr geehrter Herr...
    Sehr geehrter Herr Tolmein,
    danke für den Beitrag.
    Ja wir Piraten müssen und werden auch auf die Herausforderungen der Biopolitik, des Transplantationsmedizin, der Technologiekritik, der Biotechnologie, der Nanotechnologie, der digitalen Selbstausbeutungssysteme und Social-Media-Unternehmen wie Facebook, Google, Apple, Amazon & Co. usw. eingehen und eigene Positionen erarbeiten
    Ich gebe ich ihnen aber zu bedenken:
    wir Piraten arbeiten alles ausschließlich ehrenamtlich bis auf unsere ersten Mandatsträger und ihre Mitarbeiter in Berlin, im Saarland, Schleswig-Holstein und NRW.
    Die meisten aktiven Piraten arbeiten jetzt schon über einen langen Zeitraum am Limit.
    Weder mangelnd es uns an Interesse noch unterschätzen wir diese Themen. Es ist schlicht eine Frage der Ressourcen und der Zeit. Die Piraten werden sich Schritt für Schritt, Prozess für Prozess, Thema für Thema weiter entwickeln.
    Und dieses gemeinsam mit immer mehr Bürgern, die mitmachen.
    Denn dieses ist entscheidend für die Piraten als Mitmachpartei.
    Auch wenn eine erste Iniative im Liquid Feedback noch nicht genug Unterstützung fand, bitte ich sie, sich weiter auch innerhalb der Piraten mit diesem Thema zu engagieren. Viele Iniativen und Anträge brauchen mehrere Anläufe.
    Wenn sie wollen, unterstütze ich sie bei der Ausarbeitung eines Programmantrags „Transplantationsmedizin“ und/oder eines Positionspapiers für den Bundes-Programm-Parteitag am 24./25.11.2012 in Bochum.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ihr Pirat Parzival
    erreichbar unter: @PParzival (Twitter) oder pirat.parzival@googlemail.com

  4. An Pirat Parzifal:

    1. Warum...
    An Pirat Parzifal:
    1. Warum schreiben Sie in diesem Blog eigentlich nicht mir Ihrem richtigen Namen? Es ist doch sehr komisch, dass gerade die Partei, die sich Transparenz auf die Fahnen geschrieben hat, im Netz nur inkognito erscheint.
    2. Auch bei den etablierten Parteien gibt es viele „Gutmenschen“, die ehrenamtlich in Dörfern, Städten, Kommunen oder auf Landes- und Bundesebene Politik machen!! Wer so eine „dicke Welle“ lostritt, wie die Piraten, muss auch Sorge dafür tragen, dass sie die mit den Konsequenzen zurecht kommt. Das ist politische Verantwortung!
    Mit freundlichen Grüßen,
    Tessa Laubmann
    Nürnberg

  5. Hier die Meinung eines 0, 8,...
    Hier die Meinung eines 0, 8, 15 – Bürgers
    Das Leben ist schön!
    Könnte es zumindest sein, doch dann verspürten die Jungpolitiker der FDP nach vielen Pleiten, Pech und Pannen den unbändigen Drang,sich profilieren zu müssen und bedienten mit dem neuen Transplantationsgesetz (TPG) wieder einmal ihre Klientel.
    Es reicht nicht, daß uns mehr und mehr vorgegeben wird, wie wir zu leben haben, sondern mit dem neuen TPG nun auch wann,wo und wie gestorben wird.
    Über die Russen sprechen wir abfällig von „Gelenkter Demokratie“ und was ist das, was nun hierzulande passiert? Hinter verschlossenen Türen ausgehandelt und gebetsmühlenartig der Öffentlichkeit eigebleut, wurde das Gesetz nun am 25. Mai 2012 im Bundestag durchgewinkt.
    Dieses sehr spezielle Problem, das für mich wichtiger ist als ein Computer – Absturz, da es in unser aller Leben eingreift, ist nun diskussionslos für die nächste Zeit vom Tisch. Aber es gibt noch Spannbreiten, noch sind nicht alle Möglichkeiten ausgereizt bei dem Geschäft mit den Organen.
    NOTSTANDSLÖSUNG und TEILHIRNTOD – KONZEPT davon träumt die Transplantationsindustrie. Regierungsbeamte, Massenmedien, oberste Kirchenführer, Justizbeamte und natürlich das Gesundheitswesen mit allen dazugehörenden Gewinnern zogen am selben Strick. Sie haben den Weg für das neue TPG geebnet und vorsichtig an der „Breiten Masse“ vorbeilanciert.
    Gefahren, Kosten, Risiken,Ungereimtheiten, Ungerechtikeiten und andere offene Fragen blieben außen vor.Was versteht schon die „underclass“ von Bioethik und Fachtermini!
    Arroganz muß bestraft werden und darum ein klares NEIN zur Organspende, bis man uns wie mündige Bürger behandelt.

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