Biopolitik

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Twittern um sterben zu dürfen…. Locked-In Patient klagt gegen Tötungsverbot

| 25 Lesermeinungen

„Tony twittert für seinen Tod“ klingt spannend und eine Geschichte, in der Glanz und Elend der Moderne so eng ineinander verwoben sind, wie in der...

„Tony twittert für seinen Tod“ klingt spannend und eine Geschichte, in der Glanz und Elend der Moderne so eng ineinander verwoben sind, wie in der von Tony Nicklinson, der am Locked-In-Syndrom leidet, aber nicht stirbt, der aber mit Hilfe eines modernen Computersystems twittern kann und so die Welt für seinen Todeswunsch mobilisiert, wird man schwerlich noch einmal finden.

Auch medizinethisch und rechtlich wirft das Schicksal von Nicklinson Fragen auf:  der heute 57jährige Vater zweier erwachsener Töchter hatte vor sieben Jahren einen Schlaganfall und ist seitdem nahezu vollständig gelähmt. Er kann nicht gehen, seine Hände und Arme nicht bewegen, er kann nicht alleine schlucken, kann seine Zunge nicht kontrollieren, die Augenbrauen nicht hochziehen –die Andeutung einer Drehung des Kopfes und das Auf- und zuklappen seiner Augenlider ermöglichen ihm, sich überhaupt verständlich zu machen und sogar zu Twittern.

Bild zu: Twittern um sterben zu dürfen.... Locked-In Patient  klagt gegen Tötungsverbot

(Ein Foto von Tony Nicklinson aus dem Januar 2012. Foto:Tony and Jane Nicklinson/AP/dapd)

Tony Nicklinson dürfte einer der ganz wenigen Menschen sein, der tatsächlich physisch auf keinen Fall in der Lage ist, sich selbst zu töten: weder kann er sich irgendwo herunterstürzen, noch kann  er tödliche wirkende Medikamente selber einnehmen, ja er kann sie nicht einmal ohne fremde Hilfe schlucken  In einem Verfahren, das gegenwärtig die britische Öffentlichkeit bewegt, verlangt Nicklinson deswegen, dass das Gericht einem Arzt, der ihm hilft sein Leben zu beenden, Straffreiheit zusichert, weil er in rechtfertigendem Notstand handeln wird.  Während es in vergleichbaren Fällen, wie dem von Dianne Pretty beispielsweise, aber darum ging, dass der Kläger Straffreiheit für jemanden begehrte, der ihr beim Suizid helfen sollte, geht es Tony Nicklinson um etwas anderes: Der Arzt wird ihn selbst aktiv töten müssen. Sein Fall wirft also die Frage nach der Zulässigkeit von „Tötung auf Verlangen“ auf.

Aus der Perspektive des Rechts der Gleichbehandlung könnte man sagen: Für Nicklinson ist das in England und vielen anderen Staaten geltende Verbot der Tötung auf Verlangen eine mittelbare Benachteiligung: Es gilt zwar für alle Menschen gleichermaßen. Während aber Menschen ohne oder mit leichtere n Behinderungen sich selbst töten können, wenn sie ihr Leben nicht (mehr) ertragen, steht einem Menschen mit Locked-In-Syndrom diese Möglichkeit nicht zur Verfügung. Allenfalls könnte er die Nahrungsaufnahme verweigern – und so langsam verhungern.

Allerdings sind auch mittelbare Benachteiligungen nicht grundsätzlich verboten – sie müssen sich rechtfertigen lassen. Tötung auf Verlangen zu legalisieren – und sei es auch nur für ganz bestimmte Konstellationen – könnte eine Gefährdung für viele schwerkranke und auch gerade Menschen mit Behinderungen bedeuten. Rechtlich verlangt Nicklinson nicht, dass das Verbot der Tötung auf Verlangen aufgehoben wird (das könnte wohl nur der Gesetzgeber), sondern, dass dem Arzt, der ihn auf sein Verlangen hin töten würde vorab ein „Handeln im Notstand“ zugebilligt wird. Notstand setzt voraus, dass ein Rechtsgut verletzt wurde um die Verletzung eines höherwertigen Rechtsguts zu verhindern: Wer also einen Menschen verletzt, um dessen Leben zu retten, handelt in der Regel im Notstand. In einem Fall wie dem von Nicklinson wäre die Abwägung wohl zu treffen, zwischen dem Töten eines Menschen, der nicht mehr leben will, und der Verletzung von dessen Selbstbestimmungsrecht, das darauf gerichtet ist, ohne Qual zu leben. Ob es sich dabei um eine Notstandssituation handelt ist sehr umstritten. Vor allem aber ist die Frage, ob ein solcher Fall hypothetisch vorab zu klären ist: in anderen Fällen, beispielsweise dem Fall Dianne Pretty, in dem die Klägerin wollte, dass ihr Mann vorab das Recht erhält sie beim Suizid zu unterstützen (was in England anders als in Deutschland grundsätzlich verboten ist), haben die Gerichte erklärt, dass so eine Vorabgenehmigung eines potenziell strafbaren Verhaltens nicht möglich ist, weil dessen genaue Umstände erst nach der Tat ermittelt werden können.  

Bild zu: Twittern um sterben zu dürfen.... Locked-In Patient  klagt gegen Tötungsverbot

(Tony Nicklinsons Tochter Beth und seine Frau Jane, als sie das Gerichtsgebäude des High Court in London nach der Anhörung verlassen. Die Familie unterstützt Nicklinson in seinem Kampf darum, sich ggf. auf Verlangen töten zu lassen. Foto: AFP)

Das Drängen auf die Erlaubnis der „Tötung auf Verlangen“ im Ausnahmefall und die Bewertung des Lebens in einem bestimmten  behinderungsbedingten Zustand, sind aber eng miteinander verknüpft: das zeigt gerade der Fall von Tony Nicklinson, der sein Leben selbst als „stumpfsinnig, elend, erniedrigend, würdelos und unerträglich“ bezeichnet. Wie ein Mensch seine Lebensqualität subjektiv bewertet, lässt sich nicht sinnvoll diskutieren. Problematisch wird es dagegen, wenn ein Konsens gesucht werden soll, der sogar rechtliche Konsequenzen nach sich zieht: eine gesellschaftiche Verständigung darüber, dass das Leben mit Locked-In-Syndrom so ist, wie es Tony Nicklinson für sich empfindet, als nicht lebenswert, darf es nicht geben – zumal die Selbstwahrnehmung vieler Betroffener eine deutlich positivere ist, als die von Nicklinson. Und auch Nicklinson hat gegenüber dem High Court, das seinen Fall mündlich diese Woche verhandelt hat, deutlich gemacht, dass er zwar das Recht einfordert, Tötung auf Verlangen in Anspruch nehmen zu können, dies aber gar nicht unmittelbar umsetzen möchte. Sein Anwalt Paul Bowen erklärte vor Gericht, dass sein Mandant die Gewissheit suche, sich frei für Leben oder Tod entscheiden zu können. „Tony möchte nicht sofort sterben. Er möchte beispielsweise noch seine Memoiren fertigstellen.“

Die Chancen, dass Nicklinson sein rechtliches Ziel erreicht sind eher gering. Bowens letzter Streit für ein Sterbehilfeanliegen war zwar erfolgreich, in dem Fall von Debbie Purdy  ging es aber nur darum, dass die englische Anklagebehörde ihre internen Kriterien veröffentlicht, nach denen sie entscheidet, ob jemand wegen Beihilfe zum Suizid angeklagt wird oder nicht. Die Veröffentlichung der Kriterien hatte allerdings zur Folge, dass seitdem so gut wie keine Strafverfahren mehr in diesem Zusammenhang eröffnet werden.  

Das Verfahren von Tony Nicklinson werde ich in diesem Blog weiter verfolgen.

 PS.: Angesichts der Diskussion in diesem Blog habe ich nachgeschaut, ob es einen vergleichbaren deutschen Fall gegeben hat, der von einem Strafgericht entschieden worden ist und bin dabei auf einen Fall aus dem Jahr 2005 vor dem Amtsgerichts Berlin-Tiergarten gestoßen. Die Leitsätze des Urteils lauten: „Eine Mutter, die ihren nach einem Motorradunfall schwerst hirngeschädigten, bewegungsunfähigen und künstlich ernährten, bei verbliebenem Sprachverständnis aber noch zu nonverbalen Äußerungen (Augenzwinkern) fähigen Sohn nach zehnjähriger aufopfernder Betreuung und Pflege auf dessen nonverbal geäußerten Wunsch zu sterben mit einem Medikamentencocktail tötet, nachdem sie in einer als ausweglos empfundenen Situation der beiderseitigen Verzweiflung beschlossen hatte, sich und ihren Sohn zu vergiften, begeht eine vorsätzliche und schuldhafte Tötung auf Verlangen. Die Unbeachtlichkeit der Einwilligung des Opfers gilt auch über § 216 StGB hinaus für die gesamte Rechtsordnung. Eine aktive Verkürzung des Lebens ist danach bei Moribunden auch in den Fällen durch bloße Schmerztherapie nicht mehr zu lindernder Qualen unzulässig; allerdings wird man hier einen übergesetzlichen Notstand annehmen oder aber jedenfalls von Strafe absehen können. Überlebt die Mutter nach der Tötung des Sohns den Versuch, sich ihrerseits mit dem Medikamentencocktail zu vergiften, so ist angesichts der tragischen und psychisch äußerst belastenden Folgen ihrer Tat die Anwendung des § 60 StGB angezeigt und von einer Strafe abzusehen.“ (AG Berlin-Tiergarten, vom 13.09.2005, Az.: (237) 1 Kap Js 2655/04 Ls (19/05))

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25 Lesermeinungen

  1. Jule sagt:

    wow, ein spannender und...
    wow, ein spannender und anrührender fall, und eine „richtige“ meinung dazu wird es nicht geben. und genau darum geht es, und dieses missverständnis findet sich auch in dem ansonsten sehr spannenden beitrag: die verknüpfung der subjektiv empfundenen lebensqualität mit den objektiven umständen und die beurteilung des werts dieser verknüpfung muss sich ja nur er gefallen lassen, das ist der diskriminierende part daran.
    bei menschen, die sich zum beispiel aus tiefen depressionen heraus das leben nehmen, spielt es keine rolle, ob hinterher einer sagt „pfff, warum hat der sich denn umgebracht, der hatte doch alles, dem ging es doch gut“, weil es eben hinterher ist und diese einschätzung die person nicht gegen seinen willen vom suizid abhalten kann. wenn dieser mensch sich umbringt, spielt es keine rolle, ob seine gründe, sich umzubringen, eine „objektive“ grundlage haben oder nicht. er kann es trotzdem tun, ob den leuten um ihn herum die einschätzung seiner lebenslage passt oder nicht.
    hier verlangt jemand genau dieses recht: sterben zu dürfen wenn er will, ohne dass es die anderen etwas angeht, ob die einschätzung seiner lebenslage richtig ist oder nicht. und genau das muss auch entscheidungsgrundlage sein – aus der diskussion ist unbedingt die diskussion um die beurteilung seiner lebensqualität – und damit des „werts“ seines lebens – rausgehalten werden.
    insofern, dürfte ich bestimmerin sein, dann wäre das so: tötung auf verlangen ist in ausnahmefällen gestattet. um jeglichen missbrauch dieser ausnahmefälle zu verhindern, ist in einem superduperkomplizierten verfahren, das sich dann bitte auch die fachleute für superduperkomplizierte verfahren ausdenken sollen und nicht ich, nachzuweisen, dass es sich hier um einen freien und dauerhaften willen handelt. nicht festzustellen wäre in so einem verfahren ein „objektiv“ nicht lebenswertes leben.
    bei suizid dreht es sich immer nur um die subjektiv empfundene lebensqualität, ob behindert oder nicht behindert. ob ein leben lebenswert ist oder nicht, entscheidet jeder mensch für sich, denn nur er oder sie ist darin kompetent und einziger maßstab.

  2. mobbischer sagt:

    "(1) Die Würde des Menschen...
    „(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Art. 1 GG
    Jemandem das Recht einzuräumen sich umbringen zu lassen, ist gegen die Würde des Selbsttötungswilligen. Jemandes Leben als „unwertes“ Leben zu deklarieren, egal ob subjektiv oder objektiv, führt zur Euthanasie. Es gibt kein unwertes Leben.
    .
    Die Frage nach der „Selbstherabwürdigung“ oder wie man es nennen mag, kann man auch mit Selbstprostitution vergleichen. Aus freien Stücken sich „ent-würdigen“ ist eine ethisch nicht zu rechtfertigende Haltung.
    .
    Das ist die wichtigste Grundaussage des GG!

  3. Jule sagt:

    @mobbischer ...dann befinden...
    @mobbischer …dann befinden wir uns aber auf einmal auf der ebene, über den akt der selbsttötung grundsätzlich zu urteilen. dann geht es hier nicht darum, darüber zu reden, ob menschen, die durch behinderung manches nicht tun können, diesen körperlichen mangel qua gesetz ausgeglichen bekommen. dann geht es nur noch darum, suizid zu verurteilen. dahinter steckt dann die haltung „selbstmord sollte man verbieten – hilft nur leider nichts, die delinquenten sind ja tot.
    das GG spricht über die würde, nicht über das leben. das kannst du doch nicht übersehen haben. und wie mag würde denn definiert werden, wenn nicht in der eigenen beurteilung? andere über das urteilen zu lassen, was ich für mich als würdevoll erachte, ist… herabwürdigend. und einen suizid auf diese art mit euthanasie (!!) gleich zu setzen, ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar.

  4. Jule sagt:

    ...ich möchte gar nicht...
    …ich möchte gar nicht spammen 😉 , aber das thema beschäftigt mich. ich habe mir vor einiger zeit diesen film https://is.gd/MkhNFM angesehen – ich finde ihn auch für diese diskussion hilfreich. mir ist bei weiterem grübeln deutlicher geworden: die diskussionslinie verläuft – s.o. – nicht bei der beurteilung des wertes des lebens. die „wahre“ frage, die dahintersteckt, ist die, ob es legitim ist, jemandem beim sterben zu helfen, der für sich beschließt, nicht mehr leben zu wollen. wenn man das grundsätzlich bejaht, dann ist das verbot der tötung auf verlangen für schwerstbehinderte, deren behinderung jede möglichkeit der selbsttötung unmöglich macht, tatsächlich diskriminierend. niemanden zu diskriminieren bedeutet auch, allen die selbe möglichkeit zu geben, sich gegebenenfalls falsch zu entscheiden.
    das erinnert um die diskussion um frauen in der bundeswehr – da stand der anspruch „auch frauen sollen die möglichkeit haben, scheiß entscheidungen zu treffen“ gegen den anspruch „ich finde bundeswehr scheiße, also bin ich auch nicht für frauen in der bundeswehr“. da steht ein selbstbestimmter weg einem paternalistischen, entmündigenden gegenüber.

  5. mobbischers Maxime "Es gibt...
    mobbischers Maxime „Es gibt kein unwertes Leben“ erinnert mich an die Nazi-Maxime „Die deutsche Frau raucht nicht“. Eine deutsche Frau, die trotzdem raucht, setzt ja nicht nur ihre eigene Würde herab, sondern die aller deutscher Frauen! Ein Angriff auf Ansehen und Würde der deutschen Frau überhaupt – ein kränkender Angriff auf den Rassendünkel der Nazis! Und der Schwerkranke,der sich selbst tötet, also menschliches Leben als lebensunwert behandelt, kränkt die Rasse homo sapiens, also auch mobbischer – noblesse oblige – es handelt sich um Eitelkeit, die auch von Darwin gekränkt wurde, als er die Verwandtschaft der „Krone der Schöpfung“ mit den Tieren nachwies. Deshalb spricht man Tony Nicklinson auch seine selbstbestimmung ab.

  6. Behinderter sagt:

    Ich kann mich noch sehr gut...
    Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass ich in der Schule mal gelernt habe, dass Selbstbestimmung dort endet, wo in die Rechte anderer eingegriffen wird.
    Wer bitteschön erleidet hier einen Schaden, wenn auch diesem Mann die Selbstbestimmung eingeräumt wird, nach der die gesamte Behindertenwelt ständig schreit?
    Offensichtlich endet die Selbstbestimmung doch eher dort, wo sie mit der eigenen Meinung nicht übereinstimmt – und je schwerer jemand behindert ist, desto mehr wird er von denjenigen fremdbestimmt, die am lautesten nach Selbstbestimmung schreien!

  7. mobbischer sagt:

    "dann befinden wir uns aber...
    „dann befinden wir uns aber auf einmal auf der ebene, über den akt der selbsttötung grundsätzlich zu urteilen. dann geht es hier nicht darum, darüber zu reden, ob menschen, die durch behinderung manches nicht tun können, diesen körperlichen mangel qua gesetz ausgeglichen bekommen. dann geht es nur noch darum, suizid zu verurteilen.“
    .
    da muss ich widersprechen:
    wir befinden uns nicht auf der ebene über selbsttötung (im allgemeinen) zu urteilen. es geht hier um einen würde-begriff. sie sagen mir, dass es a) ein recht auf selbststötung gibt (gar mit menschenrechtsstatus) und b) dieses vermeintliche menschenrecht über der menschenwürde steht.
    a) leiten sie aus dem recht auf selbstbestimmung heraus ab. dabei entspringt das recht auf selbstbestimmung aus dem würde-begriff. ohne menschenwürde können sie doch keine selbstbestimmung einfordern. generell leiten sich alle menschenrechte aus der menschenwürde ab. und damit steht die menschenwürde über ihnen.
    .
    und qua gesetz bekommen behinderter gar nichts ausgeglichen. es werden lediglich die rahmenbedingungen abgesteckt, die zu einem menschenwürdigen umgang mit behinderten gemäß ihrer möglichkeit dazu befähigen. das ist etwas ganz anderes.
    .
    ist der würde begriff objektiv oder subjektiv? wenn es so etwas wie „menschlichkeit“ gibt, dann gibt es als objektivität. menschlichkeit bezeichnet dann auch das, was das mensch-sein ausmacht. und dieser teil enthält eben die würde des menschen. damit erachte ich die menschenwürde als etwas objektives. hat ein kind würde und wenn ja, wie sollte diese subjektiv sein? das geht nicht. und warum sollte sich die würde von objektiver würde zu subjektiver ändern?
    .
    zur diskriminierung: sie gebrauchen den begriff scheinbar so, dass alles, was gegen meinen willen geschieht, mich diskriminiert. diskriminierung kann nicht reflexiv angewandt werden.
    .
    @hr. wengel:
    ihre nazi-maxime liegt auf einer völligen ebene. sie verwechseln ein normatives leitbild (was zeit, ideologie und kontextuelle gültigkeit oder nicht hat) mit einem ontologischen grundbegriff, der immer gültig ist). der würdebegriff greift ja nicht auf einem rein körperlichen gebilde, sondern auf der einheit von leib und seele. die auswirkungen von rauchen auf die seele mit der wirkung von suizid zu vergleichen ist geradezu absurd. hat doch suizid eine existenzielle bedeutung, rauchen nicht!
    .
    und darwin ist nicht das problem. eine biologische ähnlichkeit mit anderen lebewesen zeigt nur die vielfalt von welt. die sonderstellung des menschen geht ja hervor aus einer grundsätzlichen andersartigkeit gegenüber pflanzen und vor allem tieren. das ist eine existenzielle frage: hat denn ein tier ontisch betrachtet existenz? der mensch ist von seiner existenz her grundsätzlich bestimmt von vergangenheit und zukunft. sein wesen ist ja geradezu durch seine bisherigen taten und deren reflexion bestimmt. und das hat auswirkungen auf die zukünftigen taten. ein tier vollzieht diesen schritt nicht. seine existenz ist nicht bestimmt von vergangenheit und zukunft (auf körperlicher ebene natürlich, aber auf keiner bewusstseins/charakter/wie man es nennen mag – ebene). damit hat das tier eigentlich keine mit dem menschen vergleichbare existenz. und da liegt gerade der große unterschied zum menschsein.
    .
    wie gesagt, der freiheitsbegriff greift hier nicht, da dieser aus dem würdebegriff hervorgeht. er steht vor (oder über) allen rechten.
    wer den schaden bei ihrer ansicht hat: die würde des menschen als ganzes. denn nach ihnen wird die würde durch die selbstbestimmung und die freiheit des menschen determiniert. damit ist die würde subjektiviert und relativiert. damit ihre selbstbestimmung greift, müsste also das subjekt die eigene würde absprechen. und allein damit verliert das subjekt seine rechte und seine rechtsfähigkeit. er hat auch keinen anspruch auf nix.

  8. tolmein sagt:

    @Behinderter: Ich weiß ja...
    @Behinderter: Ich weiß ja nicht, was Sie mit „der ganzen Behindertenwelt“ meinen, aber Selbstbestimmungsrecht findet in unserer Rechtsordnung ihre Grenzen nicht nur dort, wo sie anderen direkt schadet, sondern auch dort, wo etwas als Verstoß gegen die „guten Sitten“ gilt: der Begriff ist antiquiert, das Konzept hat aber doch seine Berechtigung. Denken Sie an den Kasseler Kannibalismus-Fall: dass ein Mann sich freiwillig seinen Penis von einem anderen hat abschneiden lassen, der ihn verspeist hat, mag dem Selbstbestimmungsrecht der beiden entsprochen haben – hinzunehmen war diese sehr spezielle Form der Tötung auf Verlangen nicht. Im Übrigen schadet, wie ich versucht habe zu zeigen, „Tötung auf Verlangen“ mittelbar auch oder vielleicht gerade wenn die Gründe sie zu wünschen nachvollziehbar sein mögen, auch anderen, weil sie ein Signal aussendet: Für eine bestimmte Qualität von Leben gilt ein niedrigeres Schutzniveau. Zu diskutieren ist allenfalls, ob dieser Schaden so groß erscheint, dass er den Wunsch des Betroffenen, den er anders nicht realisieren kann, überwiegt….

  9. Martina sagt:

    schwieriges thema...und im...
    schwieriges thema…und im einzelfall sicher „einfacher“ zu werten, als im allgemeinen…wünsche ihm und seiner familie alles gute.
    habe übrigens eben noch einen artikel im tagesspiegel gelesen, ebenfalls über einen locked-in patienten. der jedoch sieht sein leben ganz anders. wen es interessiert kann es hier nachlesen.
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/behandlungsfehler-im-krankenhaus-der-ich-gefangene/6777546.html

  10. Behinderter sagt:

    @ Oliver Tolmein:
    Es ist...

    @ Oliver Tolmein:
    Es ist schon haarsträubend, wenn man unter der Überschrift „gute Sitten“ den Fall des Tony Nicklinson mit einem Mann vergleicht, der seinen Penis von einem anderen abschneiden lässt, der den dann isst.
    Wer sich unbedingt seinen Penis abschneiden will, kann das ja ohne fremde Hilfe selbst erledigen und darf das von keinem anderen verlangen. Im vorliegenden Fall geht es aber um das Töten auf Verlangen bei eigener Hilflosigkeit.
    Genau darin liegt nämlich der feine Unterschied, denn Tony Nicklinson ist zu überhaupt nichts mehr in der Lage – wie es ja auch im Beitrag beschrieben ist:
    „Während aber Menschen ohne oder mit leichteren Behinderungen sich selbst töten können, wenn sie ihr Leben nicht (mehr) ertragen, steht einem Menschen mit Locked-In-Syndrom diese Möglichkeit nicht zur Verfügung.“
    Meiner Meinung nach schadet eher das Verweigern der Selbstbestimmung für Tony Nicklinson auch anderen, weil diese Verweigerung das Signal aussendet: „Falls sich meine Hilflosigkeit voraussehen lässt, setze ich meinem Leben lieber rechtzeitig selbst ein Ende, bevor es zu spät ist und ich wegen angeblicher ‚guter Sitten‘ zum Weiterquälen gezwungen werde!“

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