Angesichts des vehementen Interesses der deutschen Öffentlichkeit an der körperlichen Unversehrtheit von Menschen, die Eingriffen selber nicht zustimmen können, ist erstaunli ch, wie wenig Beachtung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes gefunden hat, die viele Tausende vor einer Zwangsbehandlung bewahrt. Die Bundesrichter haben mit ihrer aktuellen Entscheidung ihre bisherige Rechtsprechung aufgegeben (die erstaunlicherweise genau das für rechtens hielt) und festgestellt, dass das Betreuungsrecht keine ausreichende Rechtsgrundlage für eine Zwangsbehandlung enthält.
Zur Entscheidung stand der Fall einer Frau, der die Psychiater eine Psychose und eine Borderline Persönlichkeitsstörung bescheinigt hatten. Die frisch bestellte Betreuerin beantragte die Unterbringung der Frau auf einer geschlossenen psychiatrischen Station, weil sie erheblich an Gewicht verloren hatte und sie annahm, die Betreute esse nicht mehr. Da die Betreute daraufhin aggressiv reagierte und auch auf der Station mit Mitpatienten aneinander geriet, wollte die Betreuerin weiterhin erreichen, dass die Betreute dort zwangsweise mit Medikamenten behandelt werden sollte. Der Gutachter unterstützte diesen Antrag. Das Betreuungsgericht Ludwigsburg lehnte ihn unter Verweis auf die 2011 getroffene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsbehandlung von Straftätern im Maßregelvollzug ab: Die hohen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an eine Zwangsbehandlung würden durch den einschlägigen § 1906 BGB Betreuungsrecht nicht erfüllt. Die Betreuerin ging gegen diese Entscheidung vor – und scheiterte jetzt schließlich vor dem Bundesgerichtshof, der dafür seine bisherige Rechtsprechung zur Zwangsbehandlung aufgeben musste:
„Weder § 1906 BGB noch die übrigen betreuungsrechtlichen verhalten sich zur Frage der Zwangsbehandlung. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass die notwendige Bestimmtheit nicht schon deshalb fehle, weil eine Norm auslegungsbedürftig sei. Demgemäß hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB (zwangsweise Unterbringung in einer Heilanstalt zum Zweck der Behandlung, Anm OT) darauf abgestellt, dass die Norm im Wesentlichen sinnlos wäre, wenn die von ihr vorausgesetzte Heilbehandlung nicht durchsetzbar wäre. Das ändert indes nichts daran, dass für die aktuell bzw. potentiell betroffenen Untergebrachten die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung aus dem Gesetz selbst nicht erkennbar sind.“
Die Dimensionen dieser Entscheidung werden deutlich, wenn man sich die vor kurzem veröffentlichte Statistik des Bundesjustizamtes zum Betreuungsrecht anschaut. Bislang sind die Zahlen der zwangsweisen Unterbringung und Behandlung stetig gestiegen – von knapp 40.000 im Jahr 2002 (ca. 1900 Anträge abgelehnt), auf 57.116 im Jahr 2011 (1995 Anträge abgelehnt). Nicht alle, aber sehr viele dieser Fälle betreffen Zwangsbehandlungen. Sie alle sind mit der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nunmehr unzulässig geworden.
Dass nun ausgerechnet die rot-grüne Regierung des Landes Baden-Württemberg am vehementesten die schnelle Verabschiedung eines Gesetzes verlangt, das medikamentöse Zwangsbehandlungen ermöglichen soll, ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert. Die Argumentation des baden-württembergischen Justizministers Stickelberger ist dabei pikant:
„Die Betreuungsgerichte können derzeit nur noch eine Verwahrung genehmigen, aber keine zwangsweise medikamentöse Therapie. Diese Gesetzeslücke muss die Bundesjustizministerin schnell schließen“
Immerhin könnte man ja auch daran denken, dass dann eben auch keine „Verwahrung“ mehr genehmigt werden dürfte. Zudem ließe sich erwägen, ob nicht eine Alternative zur Schaffung einer gesetzlichen Regelung für die Zwangsbehandlung sein könnte, nunmehr verstärkt auf andere, auch freiwillige Behandlungen in einem anderen Setting zu setzen. Denn die stetig steigende Zahl der Zwangsbehandlungen im Betreuungsrecht dürfte kaum darauf zurückzuführen sein, dass es sich dabei um ein besonders erfolgreiches und deswegen gerne umgesetztes Konzept handelt. Die bayrische Amtskollegin von Minister Stickelberger setzt ebenfalls auf ein schnelles Zwangsbehandlungsgesetz und hat auch ein Beispiel dafür parat, in welchen Fällen Zwangsbehandlung wichtig sein kann:
„So zum Beispiel, wenn ein an Demenz erkrankter Diabetiker die erforderliche Insulinzufuhr verweigert, weil er seine Erkrankung nicht erkennen kann.»
Nun sind das zumindest nicht die Konstellationen mit denen sich die veröffentlichte Rechtsprechung befasst und es spricht Bände, wenn die Versorgung eines solchen Patienten so ist, dass ihm niemand die Notwendigkeit der Insulinzufuhr vermitteln kann, so dass Zwang unnötig ist.
Es wird spannend sein, wie die Justizminister die Anforderungen der Rechtsprechung an ein verfassungsrechtlich akzeptables Zwangsbehandlungsgesetz umsetzen wollen. Im Bereich des Maßregelvollzugs, wo die entsprechenden Bemühungen bereits über ein Jahr dauern, ist es noch nicht gelungen einen tragfähigen Entwurf vorzustellen.
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PS.: Nachdem mich mehrere Menschen in mails und psotings auf die Überschrift angesprochen haben: Ja, es geht um das (in dieser Form natürlich nie ausdrücklich postulierte) „Recht“ des Staates bzw. der Ärzte bzw. der Betreuer Menschen unter Betreuung zwangsbehandlung zu lassen… (was sonst? Ein Recht der Betroffenen auf Zwangsbehandlung kann es nicht geben, denn dann wäre es keine Zwangsbehandlung mehr).
Es wurde aber auch Zeit, dass...
Es wurde aber auch Zeit, dass Betreute nicht schlechter als Straftäter gestellt wurden… Hintergrund von allem ist, dass der Europarat, Anti Folter Komittee (COE/CPT) sich vehement gegen Zwangsbehandlungen einsetzt, siehe Richtlinien. … Fast siebzig Jahre nach der NS Nazi Euthanasie findet Deutschland nun ein wenig Anschluss… Wie lange trägt ein grosser Medizinverlag und eine Buchhandelskette der Sozialmedizin noch den Namen eines NS Experten ? … Wie lange werden die Sozialmedizinischen Dienste der Krankenkassen noch in der Tradition der KZ-Ärzte -Schindlers Liste lässt grüssen- urteilen ? .. Klaus Dieter Deumaland, Kläger im Gleichnahmigen Verfahrne, verglich die Vorgehensweise der Sozialgerichte mit dem Volksgerichtshof… Es ist leider so, dass die Bedingungen in Deutschen Krankenhäusern schon mal der Anti Folter Konvention zuwiderlaufen.. Da gibt es eine Menge Hintergrundaktivitäten… Leider darf ich darüber nicht sprechen, da man mir mit Gefängnis droht, man beherrscht dort das „wulfen“
GANZ wichtiger Rat an alle...
GANZ wichtiger Rat an alle Leser. Bauen Sie vor und wählen Sie einen oder zwei potentielle Betreuer aus. Mindestens anwaltlich beglaubigen! Besonders wichtig ist dies für kleine Unternehmer, Landwirte, Freiberufler. Bei Handlungsunfähigkeit nach Unfall oder Krankheit bestellt das Gericht nämlich nicht Frau oder Tochter, sondern FREMDE zum Betreuer.
Betreuer loswerden? Schwierig.
Die so genannte gedeihliche...
Die so genannte gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Betreuungsgerichten und semiprofessionellen Betreuern ist insbesondere im „ländlichen Raum“ mit einer Justiz von geringer Visibilität mitunter lebensgefährlich.
Kann mich nur „melursus“ anschließen. Besonders im Umfeld von nenneswerten Familienvermögen geht die Entscheidung über den Betreuten gerne in die Nähe des „sozialverträglichen Ablebens“. Schließlich müssen auch Arbeitsplätze erhalten werden.
„Erst kommt das Fressen und dann die Moral“ (B.Brecht)
Sine ira et studio: Es wird...
Sine ira et studio: Es wird Tote geben; Kranke, die keine notwendige Behandlung mehr nach §1906 BGB bekommen können und bei denen kein PsychKK nach Landesrecht greift, und sicher auch einige Unglückliche, die zur falschen Zeit am falschen Ort sein werden. Persönliche Beobachtungen der letzten Jahre, in denen in einigen Bundesländern bereits sehr restriktiv Unterbringungen und Zwangsbehandlungen gehandhabt wurden, lassen leider keinen anderen Schluß zu.
Tragisch finde ich, dass hier letzlich abstrakte Rechts- und Freiheitsbegriffe auf dem Rücken der Schwächsten, nämlich psychiatrisch Erkrankten, durchdekliniert werden, obwohl diese in solchen Situationen auf konkrete Hilfe angewiesen sind. Aber als Richter am BGH oder Journalist rechtsphilosophiert es sich bequemer ohne Kenntnis der Wirklichkeit, auch wenn die Gesetze zugegeben schwammig formuliert sind, und man dem Urteil dahingehend schon folgen kann. Der gerechtfertigte Schutz vor einer unzulässigen Zwangsbehandlung kann aber leider nicht so aussehen, dass man Realität und Notwendigkeiten komplett negiert. So denkt und lenkt nur der Taliban. Das Beispiel des demenzkranken Diabetikers führt hier übrigens in die Irre, auch wenn ich dem Autor des obigen Artikels wünsche, er würde einmal sich auch nur um einen solch einfachen Patienten kümmern müssen. Danach hätte er sicher für einige Bände mehr Lebenserfahrung.
So sehr das oben referierte...
So sehr das oben referierte Urteil des BGH als juristische Ableitung aus den Rechtsprinzipien der Gesetze verständlich ist (eine direkte „Regelungsnorm“ in einem Paragraphen gibt es ja gerade nicht, genau das mahnt der grün-rote Herr Landesminister an, wir bewegen uns im „Richter-Recht“!), so sehr wirft es praktische Probleme auf. Ich habe sowohl als Sohn (mit Vorsorgevollmacht) als auch als Arzt therapeutisch und gutachterlich in diesem Zusammenhang so einiges erlebt. So etwa den Soldaten, der Waffe und Dienstfahrzeug entwendete um den vorgeblichen Liebhaber seiner Ehefrau am Heimatort zu „erledigen“. Dies gelang ihm zwar nicht, aber noch bei seiner Verbringung zu einer Stabsärztin die ihm die Notwendigkeit einer stationären Behandlung klar machen wollte wurde er gegen die Frau Kollegin gewalttätig, was nur mit Glück ohne schwere Konsequenzen für diese blieb. Diagnose schwere akute Psychose.
Natürlich wurde durch richterliche Anordnung die stationäre Einweisung in eine Psychiatrie verfügt. Damals durfte – konkludent – noch sowohl psychotherapeutisch als auch medikamentös behandelt werden. Darunter kam es dann schnell sowohl zur Beruhigung als auch zur Distanzierung von den überwertigen und Gewaltideen. Jetzt dürfte man ihn also nur noch aufbewahren.
Das ist auch therapeutisch, vom Wohl des Patienten gedacht, sehr unbefriedigend. Der Verweis auf andere, weniger eingreifende Behandlungsformen, weiter oben vorgebracht, hilft hier übrigens nicht weiter. Er offenbart nur Unkunde der Rechtslage. Die Rechtsprechung betrachtet auch eine Psychotherapie, etwa eine analytische, als Eingriff in die körperliche (hier körperlich-seelische) Unversehrtheit, die dadurch – ausser als Behandlungsauflage im Strafurteil, was wird aus der (BTM Recht)- auch der vorherigen Aufklärung und Einwilligung des Patienten bedarf. Und wenn der Patient selbst das nicht (mehr) (oder vorübergehend) kann, der Betreuer auch nicht, was dann?
Durch und durch unbefriedigend.
@ melursus - zu:...
@ melursus – zu: BETREUERWAHL
Einen „Betreuer“ sollten sich nur diejenigen „wählen“, die sich entmündigen lassen wollen um dann unter der Vormundschaft eines (immerhin selbst gewählten) Vormundes zu stehen.
Wer sich ernsthaft vor psychiatrischen Zwangsmaßnahmen und Entmündigung schützen möchte, sollte sich besser für eine PatVerfü – für die schlaue Patientenverfügung – entscheiden und für sich für diese einige Vorsorgebevollmächtigte selbst auswählen.
http://www.PatVerfue.de
Geisteskrank? Ihre eigene Entscheidung!
– – – –
@ Oliver Tolmein:
„Es wird spannend sein, wie die Justizminister die Anforderungen der Rechtsprechung an ein verfassungsrechtlich akzeptables Zwangsbehandlungsgesetz umsetzen wollen. Im Bereich des Maßregelvollzugs, wo die entsprechenden Bemühungen bereits über ein Jahr dauern, ist es noch nicht gelungen einen tragfähigen Entwurf vorzustellen.“
Das etwa eine Jahr ohne Zwangsbehandlung in der Forensik und nach PsychKG in RLP und BW hat gezeigt, dass ein neues Zwangs-Gesetz gar nicht nötig ist. Denn die „öffentliche Ordnung“ ist weder in RLP, noch in BW zusammengebrochen.
Eine Installierung des von Ihnen mit Spannung erwarteten „Zwangsbehandlungsgesetzes“ (eines Sonderentrechtungsgesetzes für tatsächlich oder angeblich „Psychisch Kranke“) verstieße außerdem gegen das mit breiter Mehrheit im Parlament der BRD beschlossene Patientenverfügung und die UN-BRK.
Betroffene betrachten die Zwangsbehandlung jetzt als vollends illegal:
„BGH Entscheidung zur Zwangsbehandlung: Sie ist ab sofort illegal!
Hurrah
Karlsruhe, 17.7.2012: Der Bundesgerichtshof hat DEN Meilenstein in der Überwindung der Zwangspsychiatrie bekannt gegeben:
Keine gesetzliche Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung
die beiden Entscheidungen im Einzelnen: XII ZB 99/12 und XII ZB 130/12
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Seite=2&nr=60970&pos=74&anz=629
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Seite=2&nr=60971&pos=71&anz=627
Damit sind insbesondere auch die rechtswidrigen Entscheidungen des Landgerichts Berlin 83 T 163/12 vom 21. Mai 2012
https://openjur.de/u/413604.html
und des Landgerichts Freiburg vom 16. Mai 2012
https://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&nr=15768
hinfällig.
Die Ärztezeitung berichtet:
Zwangsbehandlung von Betreuten verboten
https://www.aerztezeitung.de/news/article/818174/zwangsbehandlung-betreuten-verboten.html
Die Presseerklärung des Bundesgerichtshof ist hier nachzulesen
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&anz=604&pos=17&nr=60958&linked=pm&Blank=1
und lautet auszugsweise:
Der u.a. für das Betreuungsrecht zuständige XII. Zivilsenat hat in zwei Verfahren entschieden, dass es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung fehlt. […]“
Quelle:
„BGH Entscheidung zur Zwangsbehandlung: Sie ist ab sofort illegal!“
https://www.zwangspsychiatrie.de/
Und auch der Psychologe Dr. Hans Ulrich Gresch hat schon einen Kommetar zum BHG-Beschluss geschrieben, in dem auch über Falkai und seine Verbindungen zur Pharmaindustrie berichtet wird:
„Kommentar zu einer bahnbrechenden Entscheidung des BGH“
https://pflasterritzenflora.blogspot.de/2012/07/kommentar-zu-einer-bahnbrechenden.html
Mit Entsetzen kann ich nur...
Mit Entsetzen kann ich nur feststellen, wie ein gut ausgebildeter Anwalt wie Herr Tolmein in demagogischerer Absicht das Basalste der Rechtskunde schon in der Überschrift maximal falsch macht:
Er vertauscht Recht mit Pflicht.
Dabei steht im Urteil des BVerfG, das den neuen BGH Beschluss erforderlich gemacht hat, mit an Deutlichkeit kaum zu überbietender Klarheit, ums was es sich bei den Versuchen, psychiatrischer Zwangsbehandlung den Schein von Legalität zu verschaffen, tatsächlich gehandelt hat:
Um die Pflicht Körperverletzung zu dulden.
Wer sich auch vor Zwangseinweisung und zwangsweiser Entmündigung -heuchlerisch „Betreuung“ genannt – schützen will, kann das seit dem 18.6.2009 mit einer PatVerfü erfolgreich tun: https://www.patverfue.de
rene talbot
@tolmein
Würden Sie bitte...
@tolmein
Würden Sie bitte noch klar stellen, dass der BGH mit seiner Entscheidung das Recht des Staates und seiner Stellvertreter (Psychiater) beschnitten hat, Gewalt gegen seine Bürger auszuüben, auch wenn diese gegen keines der einschlägigen Gesetze verstoßen haben? Sonst könnte noch jemand auf die Idee kommen, dass Sie hier mit dem „Recht auf Zwangsbehandlung“ im Titel einem absurden „Recht“ des Individuums auf ärztlichen Zwang und Gewaltanwendung das Wort reden würden. Und das wollen Sie doch sicher nicht. Oder etwa doch?
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Wieland
@Ralf Wieland: so genau ist...
@Ralf Wieland: so genau ist es. Wie auch sonst? Übrigens darf der Staat nicht mal gegen seine Bürger, die gegen einschlägige Gesetze verstoßen haben Gewalt im Sinne medizinischer Zwangsbehandlugn ausüben (das ist der schöne Clou der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, mit denen bislang zwei Maßregelvollzugs-Gesetze außer Kraft gesetzt wurden….
Die Aufrechterhaltung der...
Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung wäre auch bei mehreren tausend Toten jährlich nicht wirklich gefährdet, aber ist das jetzt das Hauptkriterium? Die neue Nicht-Regelung ist womöglich auch volkswirtschaftlich billiger; nur human ist sie m. E. nicht, es sei denn wir negieren, dass sich die Psychiatrie als Fach mit tatsächlichen Problemen von richtigen Menschen befasst.
Mancher betroffener Patient hat später von einem Recht auf Zwangsbehandlung und einer Pflicht zur Behandlung mir gegenüber gesprochen, was konkret gar nicht mehr so absurd klang, wie vermutet: Alles nicht mehr möglich, verdammt zur unterlassenen Hilfeleistung, rechtlich abgesichert.
Das Hauptproblem ist, dass das Gericht, eine juristische Problematik erkennend, ohne Übergangsfristen m. E. fahrlässig einen Leerraum schafft. Angenommen das Gericht erkennt eine ähnliche Problematik bei z. B. §211 StGB – auch da hat es Tautologien und unscharfe Begrifflichkeit -, verfährt es dann ähnlich.
Ach ja…Interessenkonflikte: Ich bin Psychiater, bezahl mein Essen selbst, halte keine Pharmaaktien und habe wahrscheinlich prospektiv eher weniger Ärger und angenehmere Arbeit bei gleichem Geld, weil ich meist schwierige Patienten anderen vor die Tür schieben muss. Es gibt genügend unproblematische Patienten. Nur z. B. die Gerichtsvollzieher in Karlsruhe und Umgebung müssen sich künftig kugelfester kleiden.
Es gibt offenkundig niemand zu denken, dass nur etwa 5% der Verfahren nach Prüfung nicht positiv beschieden wurden. Es scheint doch funktioniert zu haben, wenn man nicht die große Verschwörung von Betreuern, Ärzten und Juristen unterstellt, die real gar nicht möglich ist. Und welcher Patient klagte am Ende gegen das vermeintliche große Unrecht; von meinen Patienten, die ich zwangsbehandeln musste, bisher keiner. Und das hat nichts mit Ohnmacht zu tun, sondern mit Solidarität und Common Sense unter Leidensgenossen.
Da hat das angelsächsische Recht mit seiner gewachsenen Rechtsprechung doch Vorteile vor der deutschen Rechtsfindung.