Das Altersheim ist für viele Menschen die Endstation – und es ist keine Endstation, die man sich wünscht. Viel mehr als Verwahrpflege ist für viele der Bewohnerinnen und Bewohner in den Standard-Einrichtungen nicht drin. Und trotzdem gelten die stationären Einrichtungen weitgehend als alternativlos. Besonders bitter kann es werden, wenn es die Heimbewohner an schweren, nicht mehr behandelbaren Krankheiten leiden und sie in die Sterbephase kommen: kaum eine Einrichtung ist in der Lage, hier die Bedingungen zu schaffen, die in vielen stationären Hospizen gang und gäbe sind. Zwar haben auch Heimbewohner Anspruch darauf, neue Leistungs-Angebote wahrzunehmen, wie beispielsweise die spezialisierte ambulante Palliativversorgung nach Paragraph 37b SGB V. Allein: In der Praxis ist das längst noch nicht angekommen. Angebote, die es aber in der Praxis nicht gibt, können von den Betroffenen nicht in Anspruch genommen werden – mit der Folge, dass alte Menschen, die sich irgendwann entschlossen haben, ins Heim zu gehen, am Lebensende oft schlechter versorgt werden, als Menschen, die es geschafft haben zu Hause zu bleiben und ihre Versorgung ambulant zu organisieren. Gerecht ist das nicht.
Jetzt haben der Deutsche Hospiz- und Palliativverband und die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin das Problem aufgegriffen und heute (am 28. August) in eienr Pressekonferenz eine adäquate Hospiz- und Palliativversorgung für hochbetagte Menschen schwerstkranke und sterbende Menschen im Pflegeheim gefordert. Im Rahmen der Pressekonferenz haben die Fachgesellschaft und der Verband auch ein 24 Seiten umfassendes Grundsatzpapier zum Thema vorgestellt. Das Thema ist angesichts der demografischen Entwicklung von hoher Brisanz, auch angesichts der hohen Zahl von älteren Menschen, die – auch aus Verzweiflung über ihre Lebenssituation und die unzureichende Versorgung – Suizid begehen oder begehen wollen.
Das Grundsatzpapier beschreibt die in den letzten Jahren eingeleitete Entwicklung und arbeitet dabei eine Reihe positiver Aspekte heraus, insbesondere sehen die Autoren, dass der Gedanke an eine Sterbekultur in Pflegeheimen kein Fremdkörper mehr ist und auch palliativpflegerische Versorgung zunehmend stattfindet. Die dabei getroffenen Feststellungen wirken bisweilen sehr optimistisch ….irritierender erscheint aber die Perspektive, die das Grundsatzpapier eröffnet: die stationäre Versorgung wie wir sie derzeit kennen, deren Probleme evident sind, wird nicht in Frage gestellt – dabei zeigt sich, dass oftmals ambulante Versorgung, wenn sie mit ausreichend Zeit und Ressourcen ausgestattet ist, weitaus besser ein selbstbestimmtes Leben auch von Menschen mit hohem Versorgungsbedarf sicherstellen kann.
Auch bei den rechtlichen Regelungen gehen die Autoren des Grundsatzpapiers davon aus, dass sich am Status Quo nicht viel rütteln lässt. Das gilt insbesondere für das enorme Problem, dass Menschen, die in stationären Altenheimen leben derzeit praktisch keine Möglichkeit haben in ihrer letzten Lebensphase in einem stationären Hospiz versorgt zu werden. Das ist kein Problem, dass im Wortlaut der gesetzliche Regelung zementiert wurde, die Sperre ist in den Rahmenvereinbarungen zwischen den Krankenkassen und den Trägern und Verbänden der Hospize eingeschrieben. Während aber in den stationären Hospizen mit guten Gründen für die angemessene Versorgung Tagespflegesätze von 200 bis über 300 EUR am Tag berechnet werden, stehen den Altenpflegeheimen für Menschen mit hohem pflegerischen Versorgungsaufwand oftmals weniger als 80 EUR am Tag – dass in den Hospizen zudem in erheblichem Umfang Ehrenamtliche tätig sind und außerdem noch Spendengelder ermöglichen weitere Angebote zu machen verschärft die Diskrepanz in der letzten Lebensphase.
Aber darum geht es nicht alleine. Es erscheint schon seltsam, dass Altenpflegeheime durch Regelungen wie diese die Freiheitsräume ihrer Bewohnerinnen und Bewohner erheblich beschneiden, weil es im Allgemeinen weder einen Weg in eine (aufwändige) ambulante Versorgung gibt, noch einen Weg am Ende des Lebens in ein stationäres Hospiz: beides Konsequenzen, die Menschen zumeist nicht klar sind, wenn sie sich irgendwann entscheiden in eine Pflegeeinrichtung zu wechseln. Dass Menschen aber dieses Selbstbestimmungsrecht sich umzuentscheiden, einen neuen Weg zu gehen genommen wird, erscheint auch rechtlich bedenklich und zum Beispiel mit der Behindertenrechtskonvention nicht vereinbar. Hier hätte man sich von DGP und DPHV eine kritischere und auch deutlicher artikulierte Position gewünscht.
Ansonsten ist erfreulich, dass das Thema aufgegriffen wird, es wird aber auch deutlich, wie sehr wir bei diesem Problem noch ganz am Anfang einer gründlichen Debatte stehen.
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Warum sollten die alten...
Warum sollten die alten Menschen denn keinen Suizid begehen? Das, was man gemeinhin als „Leben“ bezeichnet, ist in so einer Situation ohnehin zu Ende. Da ist es doch wohl besser, sich einen würdevollen
Abgang zu verschaffen mit starken Beruhigungs – oder Schmerzmitteln o.ä. Wenn ich in meinem Leben nichts mehr verbessern kann und niemand da ist, den ich lieben kann oder der mich liebt, was soll ich dann noch? Wir sollten nicht so sehr am Leben hängen, dass andere genau daraus Kapital schöpfen können. Das Gesundheitssystem und die Unterbringung für Alte ist ein gigantisches Geschäft, und ich möchte meinen Teil nicht dazu beitragen. Dann gehe ich lieber, wenn mein „richtiges “ Leben ohnehin vorbei ist.
@G.Petersen: Natürlich hat...
@G.Petersen: Natürlich hat jeder das Recht, FÜR SICH SELBST zu entscheiden, wann er sein eigenes Leben als nicht mehr lebenswert empfindet. Das entbindet nicht von der Verpflichtung, gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die auch am Ende Menschenwürde und Menschenrechte gewährleisten. Selbstmord als reguläre Option gesellschaftlichen Umgangs mit Mangel an menschenwürdiger Versorgung geht gar nicht!!!
Hier gibt es übrigens eine interessante Petition zum Thema:
https://www.avaaz.org/de/petition/Baustopp_fur_Heime_Behindertenrechtskonvention_der_Vereinten_Nationen_in_Deutschland_umsetzen/
Ein durchweg gelungener...
Ein durchweg gelungener Kommentar v. O. Tolmein und es wäre in der Tat wünschenswert, wenn u.a. die DGP und DPHV wesentlich deutlicher als bisher Position bezieht.
Ob dies gelingt, erscheint indes mehr als fragwürdig, müsste sich doch beide Vereine in gewisser Weise von einigen ihrer Leitvorstellungen verabschieden, wonach der Eindruck entstehen könnte, als verfügen diese über einen exklusiven Zugang zu den selbstbestimmten Vorstellungen auch der hochaltrigen Patienten am Ende ihres Lebenswegs.
Besonders peinlich muss es da sein, wenn das Grundsatzpapier der DGP und DPHV die namhafte Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung dazu veranlasst, umgehend Kritik zu üben und daran zu erinnern, dass Hospizkultur in stationären Alteneinrichtungen ein frommer Wunsch sei, wenn die finanziellen Rahmenbedingungen nicht stimmen.
Dafür sei der Deutschen Hospiz- und Palliativverband letztlich mit verantwortlich und ohne seine Zustimmung wäre eine solche Rahmenvereinbarung wohl nicht möglich gewesen.
Nun, dem kann nur zugestimmt werden, wobei es natürlich auch im Kern darum geht, sich entsprechende Pfründe zu sichern. Es geht neben der „Ethik“ auch stets um die „Monetik“.
Immerhin ist neben der BÄK auch die DGP und DPHV in unserer Gesellschaft angetreten, uns von ihrer ethischen Werthaltung zu überzeugen und diese tunlichst in eine „nationale Strategie“ münden zu lassen.
Eine „nationale Strategie“, bei der allerdings das Selbstbestimmungsrecht nicht nur der Schwersterkrankten und Sterbenden, sondern auch der in stationären Alteneinrichtungen lebenden Bewohnerinnen und Bewohner eher „nur“ halbherzig bedacht wird.
Ein Mensch will vor seiner...
Ein Mensch will vor seiner Zeit gehen, weil diese reichste aller Welten, die je existierte, den Menschen nicht die Mittel für ein angenehmes Leben zur Verfügung stellt ….
Den Banken aber hunderte Milliarden.
Das muss man doch mal ernst nehmen!
Der Tod ist tabuisiert in...
Der Tod ist tabuisiert in unserer Spassgesellschaft, dabei trifft er uns alle. Die Arbeit ist hart und verhaertet. Vielleicht mehr Jugend darauf loslassen. Idealerweise wuerde das eine NGO betreiben, die die sich dabei stellenden Fragen mit anderen Gruppern und Verbaenden besprechen koennte. Fuers Leben lernen und nuetzlich sein, Verantwortung fuer andere tragen, die Jugendlichen ihre eigenen Erfahrungen machen und sie das System aufbrechen lassen ohne Zeigefinger…
Herr Petersen, Sie können gar...
Herr Petersen, Sie können gar nicht wissen, wie Sie in ferner Zukunft denken werden, außerdem ist ein vorzeitiger Abgang das günstigste Szenario für „das System“ — ein wenig Trotz und Dagegen steht einem Individuum wesentlich besser. Zum Artikel:
Tatsache ist, dass die Pflegestufensätze es in keiner der Stufen erlauben, damit die ambulante oder stationäre Pflege zu bestreiten, außer es ist eine dicke Rente oder Vermögen vorhanden. Der Staat wird also immer bei der Finanzierung mitzureden haben und daher auch mitentscheiden können. Ich würde mir wünschen, dass von dieser Seite öfters für ambulant entschieden würde, abhängig von dem Willen zur Selbständigkeit beim Betroffenen, auch wenn es mal teurer wird als das Heim. Es gibt Fälle, die nicht schon mit 40 aufgegeben haben, bei denen es sich lohnt.
Herr Tolmein,
ich habe bisher...
Herr Tolmein,
ich habe bisher Ihre Artikel in der FAZ mit Interesse gelesen
und bin jetzt über FAZ.NET in Ihrem Blog gelandet.
Es ist gut, dass Sie sich dieser Themen annehmen.
Ich wäre nicht auf die Idee gekommen,
dass sie sich hinter „Biopolitik“ verbergen.
Herr Tolmein,
ich habe gerade...
Herr Tolmein,
ich habe gerade versehentlich meine E-Mail-Adresse als Webseite angegeben, weil ich dachte, die E-Mail-Adresse wäre gefragt. Ich habe gar keine Webseite und bitte Sie. diese Angabe zu löschen.
Johannes Strehle